Fontane, Theodor: Die Poggenpuhls. 6. Aufl. Berlin, 1902.glauben; sie hatte so was, Augen wie Kohlen. Und dieser Dietrich; alle Wetter, muß der verwöhnt gewesen sein, um solche polnische Königstochter so abfallen zu lassen. Jch kenne nur wenig Fälle derart, vielleicht den mit Karl dem Zwölften und der Aurora von Königsmarck. Aber dieser Fall ist eigentlich keiner. Denn das mit Karl dem Zwölften lag doch noch wieder anders; das hatte einen Haken ..." "Einen Haken? Welchen, Onkel?" "Ach, Manonchen, das ist nichts für junge Damen. Und hier so öffentlich ..." "Dann sag' es mir ins Ohr." "Geht auch nicht. Sieh, das sind so Finessen, auf die man warten muß, bis man sie zufällig 'mal aufpickt, sagen wir auf einem Einwickelbogen oder auf einem alten Zeitungsblatt, da wo die Gerichtssitzungen oder die historischen Miscellen stehn. Denn nach meinen Erfahrungen umschließt die sogenannte Makulatur einen ganz bedeutenden Geschichtsfond, mehr als manche Geschichtsbücher. Jch würde mich dabei vielleicht auf Leo berufen, wenn er nicht mit seinem Kneifer beständig nach dem eleganten jungen Herrn da drüben hinüberlorgnettierte; da drüben am zweiten Tisch von uns. Und nun grüßt er auch noch." Wirklich, Leo war während der letzten Minuten ziemlich unaufmerksam gewesen, und jetzt erhob er sich glauben; sie hatte so was, Augen wie Kohlen. Und dieser Dietrich; alle Wetter, muß der verwöhnt gewesen sein, um solche polnische Königstochter so abfallen zu lassen. Jch kenne nur wenig Fälle derart, vielleicht den mit Karl dem Zwölften und der Aurora von Königsmarck. Aber dieser Fall ist eigentlich keiner. Denn das mit Karl dem Zwölften lag doch noch wieder anders; das hatte einen Haken …“ „Einen Haken? Welchen, Onkel?“ „Ach, Manonchen, das ist nichts für junge Damen. Und hier so öffentlich …“ „Dann sag’ es mir ins Ohr.“ „Geht auch nicht. Sieh, das sind so Finessen, auf die man warten muß, bis man sie zufällig ’mal aufpickt, sagen wir auf einem Einwickelbogen oder auf einem alten Zeitungsblatt, da wo die Gerichtssitzungen oder die historischen Miscellen stehn. Denn nach meinen Erfahrungen umschließt die sogenannte Makulatur einen ganz bedeutenden Geschichtsfond, mehr als manche Geschichtsbücher. Jch würde mich dabei vielleicht auf Leo berufen, wenn er nicht mit seinem Kneifer beständig nach dem eleganten jungen Herrn da drüben hinüberlorgnettierte; da drüben am zweiten Tisch von uns. Und nun grüßt er auch noch.“ Wirklich, Leo war während der letzten Minuten ziemlich unaufmerksam gewesen, und jetzt erhob er sich <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0075" n="68"/> glauben; sie hatte so was, Augen wie Kohlen. Und dieser Dietrich; alle Wetter, muß <hi rendition="#g">der</hi> verwöhnt gewesen sein, um solche polnische Königstochter <hi rendition="#g">so</hi> abfallen zu lassen. Jch kenne nur wenig Fälle derart, vielleicht den mit Karl dem Zwölften und der Aurora von Königsmarck. Aber dieser Fall ist eigentlich keiner. Denn das mit Karl dem Zwölften lag doch noch wieder anders; das hatte einen Haken …“</p><lb/> <p>„Einen Haken? Welchen, Onkel?“</p><lb/> <p>„Ach, Manonchen, das ist nichts für junge Damen. Und hier so öffentlich …“</p><lb/> <p>„Dann sag’ es mir ins Ohr.“</p><lb/> <p>„Geht auch nicht. Sieh, das sind so Finessen, auf die man warten muß, bis man sie zufällig ’mal aufpickt, sagen wir auf einem Einwickelbogen oder auf einem alten Zeitungsblatt, da wo die Gerichtssitzungen oder die historischen Miscellen stehn. Denn nach meinen Erfahrungen umschließt die sogenannte Makulatur einen ganz bedeutenden Geschichtsfond, mehr als manche Geschichtsbücher. Jch würde mich dabei vielleicht auf Leo berufen, wenn er nicht mit seinem Kneifer beständig nach dem eleganten jungen Herrn da drüben hinüberlorgnettierte; da drüben am zweiten Tisch von uns. Und nun grüßt er auch noch.“</p><lb/> <p>Wirklich, Leo war während der letzten Minuten ziemlich unaufmerksam gewesen, und jetzt erhob er sich<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [68/0075]
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„Einen Haken? Welchen, Onkel?“
„Ach, Manonchen, das ist nichts für junge Damen. Und hier so öffentlich …“
„Dann sag’ es mir ins Ohr.“
„Geht auch nicht. Sieh, das sind so Finessen, auf die man warten muß, bis man sie zufällig ’mal aufpickt, sagen wir auf einem Einwickelbogen oder auf einem alten Zeitungsblatt, da wo die Gerichtssitzungen oder die historischen Miscellen stehn. Denn nach meinen Erfahrungen umschließt die sogenannte Makulatur einen ganz bedeutenden Geschichtsfond, mehr als manche Geschichtsbücher. Jch würde mich dabei vielleicht auf Leo berufen, wenn er nicht mit seinem Kneifer beständig nach dem eleganten jungen Herrn da drüben hinüberlorgnettierte; da drüben am zweiten Tisch von uns. Und nun grüßt er auch noch.“
Wirklich, Leo war während der letzten Minuten ziemlich unaufmerksam gewesen, und jetzt erhob er sich
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(2018-07-25T11:03:16Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2018-07-25T11:03:16Z)
Weitere Informationen:Theodor Fontane: Die Poggenpuhls. Hrsg. von Gabriele Radecke. Berlin 2006 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 16]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst). Anmerkungen zur Transkription:
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