Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Nähe Rücksicht nehmen zu wollen. Es ist doch fraglich, inwieweit sich Lulu in die Kirschen vertieft hat." "O, sie hat sich gar nicht vertieft" sagte diese. "Sie hat alles gehört. Aber wenn Papa weiter nichts sagt! ... Da hab ich doch schon andres von ihm gehört." "Ich sehe schon" fuhr James, seinem Pet einen dankbaren Blick zuwerfend, fort "daß mit Eurer Unwissenschaftlichkeit wieder mal nicht auszukommen ist. Ich lasse deshalb alles Sprachuntersuchliche fallen. Und nun sagen Sie mir, Markauer, was war das eigentlich mit Meddelhammer und seiner Reiseweisheit? Erzählbar?" "O gewiß, wie Sie schon einfach aus seiner Lebensstellung ersehen können. Meddelhammer war nämlich Schulrat und wiewohl ich im allgemeinen gegen Schulräte bin, weil sie sich in Extremen bewegen und entweder greuliche Pedanten oder frivole Cyniker sind (einen kannt' ich, bei dem es vorkam, daß ich errötete, nicht recht zu glauben, aber trotzdem wahr) - also wiewohl ich im allgemeinen nicht für Schulräte bin, so war ich doch für Meddelhammer. Wenigstens dann und wann. Und warum? Weil er ganz unschulrätliche, lichte Momente hatte." "Merkwürdig." "Allerdings. Und nun denken Sie sich, eines Nähe Rücksicht nehmen zu wollen. Es ist doch fraglich, inwieweit sich Lulu in die Kirschen vertieft hat.“ „O, sie hat sich gar nicht vertieft“ sagte diese. „Sie hat alles gehört. Aber wenn Papa weiter nichts sagt! … Da hab ich doch schon andres von ihm gehört.“ „Ich sehe schon“ fuhr James, seinem Pet einen dankbaren Blick zuwerfend, fort „daß mit Eurer Unwissenschaftlichkeit wieder mal nicht auszukommen ist. Ich lasse deshalb alles Sprachuntersuchliche fallen. Und nun sagen Sie mir, Markauer, was war das eigentlich mit Meddelhammer und seiner Reiseweisheit? Erzählbar?“ „O gewiß, wie Sie schon einfach aus seiner Lebensstellung ersehen können. Meddelhammer war nämlich Schulrat und wiewohl ich im allgemeinen gegen Schulräte bin, weil sie sich in Extremen bewegen und entweder greuliche Pedanten oder frivole Cyniker sind (einen kannt’ ich, bei dem es vorkam, daß ich errötete, nicht recht zu glauben, aber trotzdem wahr) – also wiewohl ich im allgemeinen nicht für Schulräte bin, so war ich doch für Meddelhammer. Wenigstens dann und wann. Und warum? Weil er ganz unschulrätliche, lichte Momente hatte.“ „Merkwürdig.“ „Allerdings. Und nun denken Sie sich, eines <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0146" n="144"/> Nähe Rücksicht nehmen zu wollen. Es ist doch fraglich, inwieweit sich Lulu in die Kirschen vertieft hat.“</p><lb/> <p>„O, sie hat sich gar nicht vertieft“ sagte diese. „Sie hat alles gehört. Aber wenn Papa weiter nichts sagt! … Da hab ich doch schon andres von ihm gehört.“</p><lb/> <p>„Ich sehe schon“ fuhr James, seinem Pet einen dankbaren Blick zuwerfend, fort „daß mit Eurer Unwissenschaftlichkeit wieder mal nicht auszukommen ist. Ich lasse deshalb alles Sprachuntersuchliche fallen. Und nun sagen Sie mir, Markauer, was war das eigentlich mit Meddelhammer und seiner Reiseweisheit? Erzählbar?“</p><lb/> <p>„O gewiß, wie Sie schon einfach aus seiner Lebensstellung ersehen können. Meddelhammer war nämlich Schulrat und wiewohl ich im allgemeinen gegen Schulräte bin, weil sie sich in Extremen bewegen und entweder greuliche Pedanten oder frivole Cyniker sind (einen kannt’ ich, bei dem es vorkam, daß ich errötete, nicht recht zu glauben, aber trotzdem wahr) – also wiewohl ich im allgemeinen <hi rendition="#g">nicht</hi> für Schulräte bin, so war ich doch für Meddelhammer. Wenigstens dann und wann. Und warum? Weil er ganz unschulrätliche, lichte Momente hatte.“</p><lb/> <p>„Merkwürdig.“</p><lb/> <p>„Allerdings. Und nun denken Sie sich, eines </p> </div> </body> </text> </TEI> [144/0146]
Nähe Rücksicht nehmen zu wollen. Es ist doch fraglich, inwieweit sich Lulu in die Kirschen vertieft hat.“
„O, sie hat sich gar nicht vertieft“ sagte diese. „Sie hat alles gehört. Aber wenn Papa weiter nichts sagt! … Da hab ich doch schon andres von ihm gehört.“
„Ich sehe schon“ fuhr James, seinem Pet einen dankbaren Blick zuwerfend, fort „daß mit Eurer Unwissenschaftlichkeit wieder mal nicht auszukommen ist. Ich lasse deshalb alles Sprachuntersuchliche fallen. Und nun sagen Sie mir, Markauer, was war das eigentlich mit Meddelhammer und seiner Reiseweisheit? Erzählbar?“
„O gewiß, wie Sie schon einfach aus seiner Lebensstellung ersehen können. Meddelhammer war nämlich Schulrat und wiewohl ich im allgemeinen gegen Schulräte bin, weil sie sich in Extremen bewegen und entweder greuliche Pedanten oder frivole Cyniker sind (einen kannt’ ich, bei dem es vorkam, daß ich errötete, nicht recht zu glauben, aber trotzdem wahr) – also wiewohl ich im allgemeinen nicht für Schulräte bin, so war ich doch für Meddelhammer. Wenigstens dann und wann. Und warum? Weil er ganz unschulrätliche, lichte Momente hatte.“
„Merkwürdig.“
„Allerdings. Und nun denken Sie sich, eines
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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