Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.aber nicht dazu kommen und wiederholte nur: ,... wenn wir zu Hause sind. Wir sind aber nicht zu Hause, lieber Markauer, wir sind Reisende, ja, wenn Sie wollen, Berliner Stadtreisende. Als die Ferien anfingen, haben wir uns überlegt wohin? und sind nach dreitägiger Beratung, in der wir mehr als 50 Plätze durch genommen haben, zu dem Entschluß gekommen, hier bleiben und uns als Fremde mit Berlin beschäftigen zu wollen. Wirklich als Fremde. Denn eigentlich leben wir gebornen Berliner doch nur in Berlin, um unsre Hauptstadt nie kennen zu lernen. Und nun sehn Sie, lieber Markauer, um diesem unpatriotischen Nonsens endlich ein Ende zu machen und vielleicht auch um ein Beispiel zu geben, wie's einem Schulrate zukommt, haben wir an demselben Tage noch unsere Koffer gepackt und sind um zehn Uhr abends, wo der große Pariser Zug ankommt, vor dem Hotel de Rome vorgefahren, haben uns als vornehme Leute, sagen wir als Russen oder Engländer, den Thee aufs Zimmer bringen lassen und noch anderthalb Stunden lang aus dem Fenster gesehen. Es war entzückend. Über die Linden weg, die bekanntlich keine sind, schimmerten die hohen, erleuchteten Fenster von der Passage her und alles wirkte wie spanische Nacht und Alhambra. Heut ist unser dritter Tag. aber nicht dazu kommen und wiederholte nur: ‚… wenn wir zu Hause sind. Wir sind aber nicht zu Hause, lieber Markauer, wir sind Reisende, ja, wenn Sie wollen, Berliner Stadtreisende. Als die Ferien anfingen, haben wir uns überlegt wohin? und sind nach dreitägiger Beratung, in der wir mehr als 50 Plätze durch genommen haben, zu dem Entschluß gekommen, hier bleiben und uns als Fremde mit Berlin beschäftigen zu wollen. Wirklich als Fremde. Denn eigentlich leben wir gebornen Berliner doch nur in Berlin, um unsre Hauptstadt nie kennen zu lernen. Und nun sehn Sie, lieber Markauer, um diesem unpatriotischen Nonsens endlich ein Ende zu machen und vielleicht auch um ein Beispiel zu geben, wie’s einem Schulrate zukommt, haben wir an demselben Tage noch unsere Koffer gepackt und sind um zehn Uhr abends, wo der große Pariser Zug ankommt, vor dem Hotel de Rome vorgefahren, haben uns als vornehme Leute, sagen wir als Russen oder Engländer, den Thee aufs Zimmer bringen lassen und noch anderthalb Stunden lang aus dem Fenster gesehen. Es war entzückend. Über die Linden weg, die bekanntlich keine sind, schimmerten die hohen, erleuchteten Fenster von der Passage her und alles wirkte wie spanische Nacht und Alhambra. Heut ist unser dritter Tag. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0153" n="151"/> aber nicht dazu kommen und wiederholte nur: ‚… <hi rendition="#g">wenn</hi> wir zu Hause sind. Wir <hi rendition="#g">sind</hi> aber nicht zu Hause, lieber Markauer, wir sind Reisende, ja, wenn Sie wollen, Berliner Stadtreisende. Als die Ferien anfingen, haben wir uns überlegt <hi rendition="#g">wohin</hi>? und sind nach dreitägiger Beratung, in der wir mehr als 50 Plätze durch genommen haben, zu dem Entschluß gekommen, <hi rendition="#g">hier</hi> bleiben und uns als Fremde mit Berlin beschäftigen zu wollen. Wirklich als Fremde. Denn eigentlich leben wir gebornen Berliner doch nur in Berlin, um unsre Hauptstadt nie kennen zu lernen. Und nun sehn Sie, lieber Markauer, um diesem unpatriotischen Nonsens endlich ein Ende zu machen und vielleicht auch um ein Beispiel zu geben, wie’s einem Schulrate zukommt, haben wir an demselben Tage noch unsere Koffer gepackt und sind um zehn Uhr abends, wo der große Pariser Zug ankommt, vor dem Hotel de Rome vorgefahren, haben uns als vornehme Leute, sagen wir als Russen oder Engländer, den Thee aufs Zimmer bringen lassen und noch anderthalb Stunden lang aus dem Fenster gesehen. Es war entzückend. Über die Linden weg, die bekanntlich keine sind, schimmerten die hohen, erleuchteten Fenster von der Passage her und alles wirkte wie spanische Nacht und Alhambra. Heut ist unser dritter Tag. </p> </div> </body> </text> </TEI> [151/0153]
aber nicht dazu kommen und wiederholte nur: ‚… wenn wir zu Hause sind. Wir sind aber nicht zu Hause, lieber Markauer, wir sind Reisende, ja, wenn Sie wollen, Berliner Stadtreisende. Als die Ferien anfingen, haben wir uns überlegt wohin? und sind nach dreitägiger Beratung, in der wir mehr als 50 Plätze durch genommen haben, zu dem Entschluß gekommen, hier bleiben und uns als Fremde mit Berlin beschäftigen zu wollen. Wirklich als Fremde. Denn eigentlich leben wir gebornen Berliner doch nur in Berlin, um unsre Hauptstadt nie kennen zu lernen. Und nun sehn Sie, lieber Markauer, um diesem unpatriotischen Nonsens endlich ein Ende zu machen und vielleicht auch um ein Beispiel zu geben, wie’s einem Schulrate zukommt, haben wir an demselben Tage noch unsere Koffer gepackt und sind um zehn Uhr abends, wo der große Pariser Zug ankommt, vor dem Hotel de Rome vorgefahren, haben uns als vornehme Leute, sagen wir als Russen oder Engländer, den Thee aufs Zimmer bringen lassen und noch anderthalb Stunden lang aus dem Fenster gesehen. Es war entzückend. Über die Linden weg, die bekanntlich keine sind, schimmerten die hohen, erleuchteten Fenster von der Passage her und alles wirkte wie spanische Nacht und Alhambra. Heut ist unser dritter Tag.
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Zitationshilfe: | Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/153>, abgerufen am 28.07.2024. |