Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

Segen für andre, besonders für die Barfußkinder, die Beeren suchten, und mehr noch für die Reisig sammelnden alten Weiber, die, von Jugend auf im Walde zu Hause, natürlich auch mit den Gebirgskräutern trefflich Bescheid wußten und ihrem Brodherrn, außer dem ewigen Enzian, allerlei Feines und besonders Heilkräftiges brachten: Allermannsharnisch und Liebstöckel, Hirschbrunst und Teufelsabbiß, Venuswagen und Unsrer Lieben Frauen Bettstroh, woraus dann die merkwürdigsten Geheimtinkturen für kränkliche Männer und schwache Frauen gebraut wurden. Im ganzen darf man sagen, Hampel verfuhr in gutem Glauben, vielleicht sogar bezüglich eines hoch angesehenen Haarmittels, das er, viele Jahre lang, aus "Marienhaar" mit ganz besondrer Sorgfalt destillierte, bis ihm eines Tages einer seiner sonst gläubigsten Anhänger mit aller Gemütsruhe sagte: ,Höre, Hampel, Dein Schlagwasser ist gut und Dein Melissengeist auch; aber mit dem "Marienhaar" kann es nicht viel sein,' und dabei lachend auf Hampels Perrücke zeigte. Das ärgerte diesen ganz ungemein und machte solchen Eindruck auf ihn, daß er, von Stund an die Marienhaar-Tinktur von seinem Preiskurante strich, trotzdem gerade sie zu seinen einträglichsten Tinkturen zählte.


Segen für andre, besonders für die Barfußkinder, die Beeren suchten, und mehr noch für die Reisig sammelnden alten Weiber, die, von Jugend auf im Walde zu Hause, natürlich auch mit den Gebirgskräutern trefflich Bescheid wußten und ihrem Brodherrn, außer dem ewigen Enzian, allerlei Feines und besonders Heilkräftiges brachten: Allermannsharnisch und Liebstöckel, Hirschbrunst und Teufelsabbiß, Venuswagen und Unsrer Lieben Frauen Bettstroh, woraus dann die merkwürdigsten Geheimtinkturen für kränkliche Männer und schwache Frauen gebraut wurden. Im ganzen darf man sagen, Hampel verfuhr in gutem Glauben, vielleicht sogar bezüglich eines hoch angesehenen Haarmittels, das er, viele Jahre lang, aus „Marienhaar“ mit ganz besondrer Sorgfalt destillierte, bis ihm eines Tages einer seiner sonst gläubigsten Anhänger mit aller Gemütsruhe sagte: ‚Höre, Hampel, Dein Schlagwasser ist gut und Dein Melissengeist auch; aber mit dem „Marienhaar“ kann es nicht viel sein,‘ und dabei lachend auf Hampels Perrücke zeigte. Das ärgerte diesen ganz ungemein und machte solchen Eindruck auf ihn, daß er, von Stund an die Marienhaar-Tinktur von seinem Preiskurante strich, trotzdem gerade sie zu seinen einträglichsten Tinkturen zählte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0188" n="186"/>
Segen für andre, besonders für die Barfußkinder, die Beeren suchten, und mehr                     noch für die Reisig sammelnden alten Weiber, die, von Jugend auf im Walde zu                     Hause, natürlich auch mit den Gebirgskräutern trefflich Bescheid wußten und                     ihrem Brodherrn, außer dem ewigen Enzian, allerlei Feines und besonders                     Heilkräftiges brachten: Allermannsharnisch und Liebstöckel, Hirschbrunst und                     Teufelsabbiß, Venuswagen und Unsrer Lieben Frauen Bettstroh, woraus dann die                     merkwürdigsten Geheimtinkturen für kränkliche Männer und schwache Frauen gebraut                     wurden. Im ganzen darf man sagen, Hampel verfuhr in gutem Glauben, vielleicht                     sogar bezüglich eines hoch angesehenen Haarmittels, das er, viele Jahre lang,                     aus &#x201E;Marienhaar&#x201C; mit ganz besondrer Sorgfalt destillierte, bis ihm eines Tages                     einer seiner sonst gläubigsten Anhänger mit aller Gemütsruhe sagte: &#x201A;Höre,                     Hampel, Dein Schlagwasser ist gut und Dein Melissengeist auch; aber mit dem                     &#x201E;Marienhaar&#x201C; kann es nicht viel sein,&#x2018; und dabei lachend auf Hampels Perrücke                     zeigte. Das ärgerte diesen ganz ungemein und machte solchen Eindruck auf ihn,                     daß er, von Stund an die Marienhaar-Tinktur von seinem Preiskurante strich,                     trotzdem gerade sie zu seinen einträglichsten Tinkturen zählte.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[186/0188] Segen für andre, besonders für die Barfußkinder, die Beeren suchten, und mehr noch für die Reisig sammelnden alten Weiber, die, von Jugend auf im Walde zu Hause, natürlich auch mit den Gebirgskräutern trefflich Bescheid wußten und ihrem Brodherrn, außer dem ewigen Enzian, allerlei Feines und besonders Heilkräftiges brachten: Allermannsharnisch und Liebstöckel, Hirschbrunst und Teufelsabbiß, Venuswagen und Unsrer Lieben Frauen Bettstroh, woraus dann die merkwürdigsten Geheimtinkturen für kränkliche Männer und schwache Frauen gebraut wurden. Im ganzen darf man sagen, Hampel verfuhr in gutem Glauben, vielleicht sogar bezüglich eines hoch angesehenen Haarmittels, das er, viele Jahre lang, aus „Marienhaar“ mit ganz besondrer Sorgfalt destillierte, bis ihm eines Tages einer seiner sonst gläubigsten Anhänger mit aller Gemütsruhe sagte: ‚Höre, Hampel, Dein Schlagwasser ist gut und Dein Melissengeist auch; aber mit dem „Marienhaar“ kann es nicht viel sein,‘ und dabei lachend auf Hampels Perrücke zeigte. Das ärgerte diesen ganz ungemein und machte solchen Eindruck auf ihn, daß er, von Stund an die Marienhaar-Tinktur von seinem Preiskurante strich, trotzdem gerade sie zu seinen einträglichsten Tinkturen zählte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.

Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/188
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/188>, abgerufen am 23.11.2024.