Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Sperlinge sehen sollen, die gerade zu Häupten in einer alten Pappel saßen. Wie ein Wetter waren die darüber her und jagten sich die Krümel ab. Es ist doch merkwürdig, wie die Sperlinge hier alles beherrschen! der Sperling ist wie der richtige Berliner, immer pickt er sich 'was weg und bleibt Sieger. An der Großen Teichbaude gab es, glaub' ich, gar keine Sperlinge. Dafür standen da freilich die Gentianen wie ein Wald, alles blau und weiß ... Aber zuletzt, es geht hier auch ... Virchow, so viel hab' ich im ,Boten aus dem Riesengebirge' gelesen, soll ja diesen Sommer wieder allerhand Schädel ausgemessen haben, noch dazu Zwergenschädel aus Afrika ... Ja, das muß wahr sein, daß ich die Anthropologische habe, das ist doch 'was. Das hilft einem ein gut Stück weiter." "Aber Lezius, veranschlagst Du uns denn gar nicht?" "O, versteht sich; versteht sich, veranschlag ich Euch." Mutter und Tochter sahen einander an. "Ihr glaubt es wohl nicht recht? Wahrhaftig, ich veranschlage Euch ... Ich muß mich nur erst wieder zurecht finden." Sperlinge sehen sollen, die gerade zu Häupten in einer alten Pappel saßen. Wie ein Wetter waren die darüber her und jagten sich die Krümel ab. Es ist doch merkwürdig, wie die Sperlinge hier alles beherrschen! der Sperling ist wie der richtige Berliner, immer pickt er sich ’was weg und bleibt Sieger. An der Großen Teichbaude gab es, glaub’ ich, gar keine Sperlinge. Dafür standen da freilich die Gentianen wie ein Wald, alles blau und weiß … Aber zuletzt, es geht hier auch … Virchow, so viel hab’ ich im ‚Boten aus dem Riesengebirge‘ gelesen, soll ja diesen Sommer wieder allerhand Schädel ausgemessen haben, noch dazu Zwergenschädel aus Afrika … Ja, das muß wahr sein, daß ich die Anthropologische habe, das ist doch ’was. Das hilft einem ein gut Stück weiter.“ „Aber Lezius, veranschlagst Du uns denn gar nicht?“ „O, versteht sich; versteht sich, veranschlag ich Euch.“ Mutter und Tochter sahen einander an. „Ihr glaubt es wohl nicht recht? Wahrhaftig, ich veranschlage Euch … Ich muß mich nur erst wieder zurecht finden.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0239" n="237"/> Sperlinge sehen sollen, die gerade zu Häupten in einer alten Pappel saßen. Wie ein Wetter waren die darüber her und jagten sich die Krümel ab. Es ist doch merkwürdig, wie die Sperlinge hier alles beherrschen! der Sperling ist wie der richtige Berliner, immer pickt er sich ’was weg und bleibt Sieger. An der Großen Teichbaude gab es, glaub’ ich, gar keine Sperlinge. Dafür standen da freilich die Gentianen wie ein Wald, alles blau und weiß … Aber zuletzt, es geht hier auch … Virchow, so viel hab’ ich im ‚Boten aus dem Riesengebirge‘ gelesen, soll ja diesen Sommer wieder allerhand Schädel ausgemessen haben, noch dazu Zwergenschädel aus Afrika … Ja, das muß wahr sein, daß ich die Anthropologische habe, das ist doch ’was. Das hilft einem ein gut Stück weiter.“</p><lb/> <p>„Aber Lezius, veranschlagst Du uns denn gar nicht?“</p><lb/> <p>„O, versteht sich; versteht sich, veranschlag ich Euch.“</p><lb/> <p>Mutter und Tochter sahen einander an.</p><lb/> <p>„Ihr glaubt es wohl nicht recht? Wahrhaftig, ich veranschlage Euch … Ich muß mich nur erst wieder zurecht finden.“</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [237/0239]
Sperlinge sehen sollen, die gerade zu Häupten in einer alten Pappel saßen. Wie ein Wetter waren die darüber her und jagten sich die Krümel ab. Es ist doch merkwürdig, wie die Sperlinge hier alles beherrschen! der Sperling ist wie der richtige Berliner, immer pickt er sich ’was weg und bleibt Sieger. An der Großen Teichbaude gab es, glaub’ ich, gar keine Sperlinge. Dafür standen da freilich die Gentianen wie ein Wald, alles blau und weiß … Aber zuletzt, es geht hier auch … Virchow, so viel hab’ ich im ‚Boten aus dem Riesengebirge‘ gelesen, soll ja diesen Sommer wieder allerhand Schädel ausgemessen haben, noch dazu Zwergenschädel aus Afrika … Ja, das muß wahr sein, daß ich die Anthropologische habe, das ist doch ’was. Das hilft einem ein gut Stück weiter.“
„Aber Lezius, veranschlagst Du uns denn gar nicht?“
„O, versteht sich; versteht sich, veranschlag ich Euch.“
Mutter und Tochter sahen einander an.
„Ihr glaubt es wohl nicht recht? Wahrhaftig, ich veranschlage Euch … Ich muß mich nur erst wieder zurecht finden.“
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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