Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.

Bild:
<< vorherige Seite

und schlugen einen Wiesen- und Feldweg ein. Ueber ihnen zog Gewölk im Blauen und beide freuten sich des frischen Luftzuges, der von den Nüdlinger Bergen her herüberwehte. Hart am Weg hin blühte roter Mohn, und die Dame bückte sich danach und begann die langen Stiele zusammenzuflechten. Als sie schon eine Guirlande davon in Händen hielt, sagte sie: "Der rote Mohn, er ist so recht die Blume, die mir zukommt; bis Sechszehn blühen einem die Veilchen, bis Zwanzig Rosen und um Dreißig herum die Verbenen, an deren deutschem Namen ich klüglich vorübergehe. Dann ist es vorbei, man pflückt nur noch Mohn, heute roten und morgen vielleicht schon weißen Mohn und flicht sich Kränze daraus. Und so soll es auch sein. Denn Mohn bedeutet Ruhe."




So schritten sie weiter, bis der von ihnen eingeschlagene Feldweg wieder auf eine breite, dicht neben einem Parkgarten hinlaufende Fahrstraße führte. Platanen und Ahorn streckten ihr Gezweige weit über das Gitter hin, aus dem Parke selbst aber, der einem großen Hotel zugehörte, rollten in eben diesem Augenblicke junge Sportsmen auf die fast tennenartige Chaussee hinaus, Radfahrer, Bicycle-

und schlugen einen Wiesen- und Feldweg ein. Ueber ihnen zog Gewölk im Blauen und beide freuten sich des frischen Luftzuges, der von den Nüdlinger Bergen her herüberwehte. Hart am Weg hin blühte roter Mohn, und die Dame bückte sich danach und begann die langen Stiele zusammenzuflechten. Als sie schon eine Guirlande davon in Händen hielt, sagte sie: „Der rote Mohn, er ist so recht die Blume, die mir zukommt; bis Sechszehn blühen einem die Veilchen, bis Zwanzig Rosen und um Dreißig herum die Verbenen, an deren deutschem Namen ich klüglich vorübergehe. Dann ist es vorbei, man pflückt nur noch Mohn, heute roten und morgen vielleicht schon weißen Mohn und flicht sich Kränze daraus. Und so soll es auch sein. Denn Mohn bedeutet Ruhe.“




So schritten sie weiter, bis der von ihnen eingeschlagene Feldweg wieder auf eine breite, dicht neben einem Parkgarten hinlaufende Fahrstraße führte. Platanen und Ahorn streckten ihr Gezweige weit über das Gitter hin, aus dem Parke selbst aber, der einem großen Hotel zugehörte, rollten in eben diesem Augenblicke junge Sportsmen auf die fast tennenartige Chaussee hinaus, Radfahrer, Bicycle-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0072" n="70"/>
und                     schlugen einen Wiesen- und Feldweg ein. Ueber ihnen zog Gewölk im Blauen und                     beide freuten sich des frischen Luftzuges, der von den Nüdlinger Bergen her                     herüberwehte. Hart am Weg hin blühte roter Mohn, und die Dame bückte sich danach                     und begann die langen Stiele zusammenzuflechten. Als sie schon eine Guirlande                     davon in Händen hielt, sagte sie: &#x201E;Der rote Mohn, er ist so recht die Blume, die                     mir zukommt; bis Sechszehn blühen einem die Veilchen, bis Zwanzig Rosen und um                     Dreißig herum die Verbenen, an deren deutschem Namen ich klüglich vorübergehe.                     Dann ist es vorbei, man pflückt nur noch Mohn, heute roten und morgen vielleicht                     schon weißen Mohn und flicht sich Kränze daraus. Und so <hi rendition="#g">soll</hi> es auch sein. Denn Mohn bedeutet Ruhe.&#x201C;</p><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <p>So schritten sie weiter, bis der von ihnen eingeschlagene Feldweg wieder auf eine                     breite, dicht neben einem Parkgarten hinlaufende Fahrstraße führte. Platanen und                     Ahorn streckten ihr Gezweige weit über das Gitter hin, aus dem Parke selbst                     aber, der einem großen Hotel zugehörte, rollten in eben diesem Augenblicke junge                     Sportsmen auf die fast tennenartige Chaussee hinaus, Radfahrer, Bicycle-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0072] und schlugen einen Wiesen- und Feldweg ein. Ueber ihnen zog Gewölk im Blauen und beide freuten sich des frischen Luftzuges, der von den Nüdlinger Bergen her herüberwehte. Hart am Weg hin blühte roter Mohn, und die Dame bückte sich danach und begann die langen Stiele zusammenzuflechten. Als sie schon eine Guirlande davon in Händen hielt, sagte sie: „Der rote Mohn, er ist so recht die Blume, die mir zukommt; bis Sechszehn blühen einem die Veilchen, bis Zwanzig Rosen und um Dreißig herum die Verbenen, an deren deutschem Namen ich klüglich vorübergehe. Dann ist es vorbei, man pflückt nur noch Mohn, heute roten und morgen vielleicht schon weißen Mohn und flicht sich Kränze daraus. Und so soll es auch sein. Denn Mohn bedeutet Ruhe.“ So schritten sie weiter, bis der von ihnen eingeschlagene Feldweg wieder auf eine breite, dicht neben einem Parkgarten hinlaufende Fahrstraße führte. Platanen und Ahorn streckten ihr Gezweige weit über das Gitter hin, aus dem Parke selbst aber, der einem großen Hotel zugehörte, rollten in eben diesem Augenblicke junge Sportsmen auf die fast tennenartige Chaussee hinaus, Radfahrer, Bicycle-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2014-01-22T15:28:28Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2014-01-22T15:28:28Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2014-01-22T15:28:28Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet;
  • Druckfehler: stillschweigend korrigiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet;
  • Kustoden: nicht gekennzeichnet;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.

Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/72
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_reise_1894/72>, abgerufen am 21.11.2024.