Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Virtuosen, die hoch oben auf ihrem Reitstuhl saßen und unter Gruß und Lachen vorübersausten. Ihre kleinen Köpfe, dazu die hageren, im engsten Tricot steckenden Figuren, ließen keinen Zweifel darüber, daß es Fremde waren. "Engländer?" "Nein Amerikaner," sagte die Dame, "meine täglichen vis-a-vis an der Table d'hote. Und sonderbar, mir lacht immer das Herz, wenn ich sie sehe. Das frischere Leben ist doch da drüben und in nichts war ich mit meinem verstorbenen Manne, der ein paar Jahre lang in New-York und an den großen Seen gelebt hatte, so einig, wie in diesem Punkt und wir schwärmten oft um die Wette. Die Wahrheit zu gestehen, ich begreife nicht, daß nicht alles auswandert." "Und ich meinerseits teile diesen Enthusiasmus und habe mich, eh ich ins Amt trat, ernsthaft mit dem Plan einer Uebersiedelung beschäftigt. Aber das liegt nun zwanzig Jahre zurück und ist ein für allemal begraben. Amerika, weil es selber jung ist, ist für die Jugend. Und ich ..." "... habe abgeschlossen," ergänzte sie lachend. "Freilich, je mehr Sie mir's versichern, je weniger glaub' ich's. Sehen Sie, dort ist der Finsterberg, nach dem Sie gestern Ihren langen Spaziergang Virtuosen, die hoch oben auf ihrem Reitstuhl saßen und unter Gruß und Lachen vorübersausten. Ihre kleinen Köpfe, dazu die hageren, im engsten Tricot steckenden Figuren, ließen keinen Zweifel darüber, daß es Fremde waren. „Engländer?“ „Nein Amerikaner,“ sagte die Dame, „meine täglichen vis-à-vis an der Table d’hôte. Und sonderbar, mir lacht immer das Herz, wenn ich sie sehe. Das frischere Leben ist doch da drüben und in nichts war ich mit meinem verstorbenen Manne, der ein paar Jahre lang in New-York und an den großen Seen gelebt hatte, so einig, wie in diesem Punkt und wir schwärmten oft um die Wette. Die Wahrheit zu gestehen, ich begreife nicht, daß nicht alles auswandert.“ „Und ich meinerseits teile diesen Enthusiasmus und habe mich, eh ich ins Amt trat, ernsthaft mit dem Plan einer Uebersiedelung beschäftigt. Aber das liegt nun zwanzig Jahre zurück und ist ein für allemal begraben. Amerika, weil es selber jung ist, ist für die Jugend. Und ich …“ „… habe abgeschlossen,“ ergänzte sie lachend. „Freilich, je mehr Sie mir’s versichern, je weniger glaub’ ich’s. Sehen Sie, dort ist der Finsterberg, nach dem Sie gestern Ihren langen Spaziergang <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0073" n="71"/> Virtuosen, die hoch oben auf ihrem Reitstuhl saßen und unter Gruß und Lachen vorübersausten. Ihre kleinen Köpfe, dazu die hageren, im engsten Tricot steckenden Figuren, ließen keinen Zweifel darüber, daß es Fremde waren.</p><lb/> <p>„Engländer?“</p><lb/> <p>„Nein Amerikaner,“ sagte die Dame, „meine täglichen vis-à-vis an der Table d’hôte. Und sonderbar, mir lacht immer das Herz, wenn ich sie sehe. Das frischere Leben ist doch da drüben und in nichts war ich mit meinem verstorbenen Manne, der ein paar Jahre lang in New-York und an den großen Seen gelebt hatte, so einig, wie in diesem Punkt und wir schwärmten oft um die Wette. Die Wahrheit zu gestehen, ich begreife nicht, daß nicht alles auswandert.“</p><lb/> <p>„Und ich meinerseits teile diesen Enthusiasmus und habe mich, eh ich ins Amt trat, ernsthaft mit dem Plan einer Uebersiedelung beschäftigt. Aber das liegt nun zwanzig Jahre zurück und ist ein für allemal begraben. Amerika, weil es selber jung ist, ist für die Jugend. Und ich …“</p><lb/> <p>„… habe abgeschlossen,“ ergänzte sie lachend. „Freilich, je mehr Sie mir’s versichern, je weniger glaub’ ich’s. Sehen Sie, dort ist der Finsterberg, nach dem Sie gestern Ihren langen Spaziergang </p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0073]
Virtuosen, die hoch oben auf ihrem Reitstuhl saßen und unter Gruß und Lachen vorübersausten. Ihre kleinen Köpfe, dazu die hageren, im engsten Tricot steckenden Figuren, ließen keinen Zweifel darüber, daß es Fremde waren.
„Engländer?“
„Nein Amerikaner,“ sagte die Dame, „meine täglichen vis-à-vis an der Table d’hôte. Und sonderbar, mir lacht immer das Herz, wenn ich sie sehe. Das frischere Leben ist doch da drüben und in nichts war ich mit meinem verstorbenen Manne, der ein paar Jahre lang in New-York und an den großen Seen gelebt hatte, so einig, wie in diesem Punkt und wir schwärmten oft um die Wette. Die Wahrheit zu gestehen, ich begreife nicht, daß nicht alles auswandert.“
„Und ich meinerseits teile diesen Enthusiasmus und habe mich, eh ich ins Amt trat, ernsthaft mit dem Plan einer Uebersiedelung beschäftigt. Aber das liegt nun zwanzig Jahre zurück und ist ein für allemal begraben. Amerika, weil es selber jung ist, ist für die Jugend. Und ich …“
„… habe abgeschlossen,“ ergänzte sie lachend. „Freilich, je mehr Sie mir’s versichern, je weniger glaub’ ich’s. Sehen Sie, dort ist der Finsterberg, nach dem Sie gestern Ihren langen Spaziergang
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(2014-01-22T15:28:28Z)
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Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
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