Fontane, Theodor: Von vor und nach der Reise. 2. Aufl. Berlin, 1894.Kopf hin, Kopf her, es braucht nicht jeder ein Gehirn zu haben wie Kant oder wie Schopenhauer. Oder gar wie Helmholtz. Sie kennen Helmholtz? Der soll die größte Stirnweite haben, noch mehr als Kant, der im Uebrigen mein Liebling ist, von wegen dem kategorischen Imperativ. Aber das lassen wir bis später, das sind so Gespräche für eine Nachmittagspartie nach dem Waldkater oder der Roßtrappe. Denn es ist dummes Zeug, daß man unterwegs oder beim Steigen nicht sprechen solle. Gerade da. Das dehnt aus und der Sauerstoff strömt nur so in die Lunge. Natürlich muß man eine Lunge haben. Nu, Gott sei Dank, ich hab' eine. Und Du auch, Leopold, nicht wahr, Junge? Wer Sommersprossen hat, wird doch wohl eine Lunge haben? Hast ?" "Freilich, Onkel. Aber hast Du uns auch was mitgebracht?" "Prächtiger Kerl, Praktikus. Vor dem ist mir nicht bange. Natürlich hab' ich was mitgebracht, natürlich. Und hier ist der Schlüssel, dieser dritte, und nun lauf' auf mein Zimmer und schließe den Reisesack auf und pack' aus. Ich komme gleich nach und werd' alles verteilen, an Gerechte und Ungerechte. Oder seid Ihr alle Gerechte? Oder alle Ungerechte?" Kopf hin, Kopf her, es braucht nicht jeder ein Gehirn zu haben wie Kant oder wie Schopenhauer. Oder gar wie Helmholtz. Sie kennen Helmholtz? Der soll die größte Stirnweite haben, noch mehr als Kant, der im Uebrigen mein Liebling ist, von wegen dem kategorischen Imperativ. Aber das lassen wir bis später, das sind so Gespräche für eine Nachmittagspartie nach dem Waldkater oder der Roßtrappe. Denn es ist dummes Zeug, daß man unterwegs oder beim Steigen nicht sprechen solle. Gerade da. Das dehnt aus und der Sauerstoff strömt nur so in die Lunge. Natürlich muß man eine Lunge haben. Nu, Gott sei Dank, ich hab’ eine. Und Du auch, Leopold, nicht wahr, Junge? Wer Sommersprossen hat, wird doch wohl eine Lunge haben? Hast ?“ „Freilich, Onkel. Aber hast Du uns auch was mitgebracht?“ „Prächtiger Kerl, Praktikus. Vor dem ist mir nicht bange. Natürlich hab’ ich was mitgebracht, natürlich. Und hier ist der Schlüssel, dieser dritte, und nun lauf’ auf mein Zimmer und schließe den Reisesack auf und pack’ aus. Ich komme gleich nach und werd’ alles verteilen, an Gerechte und Ungerechte. Oder seid Ihr alle Gerechte? Oder alle Ungerechte?“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0092" n="90"/> Kopf hin, Kopf her, es braucht nicht jeder ein Gehirn zu haben wie Kant oder wie Schopenhauer. Oder gar wie Helmholtz. Sie kennen Helmholtz? Der soll die größte Stirnweite haben, noch mehr als Kant, der im Uebrigen mein Liebling ist, von wegen dem kategorischen Imperativ. Aber das lassen wir bis später, das sind so Gespräche für eine Nachmittagspartie nach dem Waldkater oder der Roßtrappe. Denn es ist dummes Zeug, daß man unterwegs oder beim Steigen nicht sprechen solle. Gerade da. Das dehnt aus und der Sauerstoff strömt nur so in die Lunge. Natürlich muß man eine Lunge haben. Nu, Gott sei Dank, ich hab’ eine. Und Du auch, Leopold, nicht wahr, Junge? Wer Sommersprossen hat, wird doch wohl eine Lunge haben? Hast <choice><sic>Dn</sic><orig>Du</orig></choice>?“</p><lb/> <p>„Freilich, Onkel. Aber hast Du uns auch was mitgebracht?“</p><lb/> <p>„Prächtiger Kerl, Praktikus. Vor <hi rendition="#g">dem</hi> ist mir nicht bange. Natürlich hab’ ich was mitgebracht, natürlich. Und hier ist der Schlüssel, dieser dritte, und nun lauf’ auf mein Zimmer und schließe den Reisesack auf und pack’ aus. Ich komme gleich nach und werd’ alles verteilen, an Gerechte und Ungerechte. Oder seid Ihr alle Gerechte? Oder alle Ungerechte?“</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [90/0092]
Kopf hin, Kopf her, es braucht nicht jeder ein Gehirn zu haben wie Kant oder wie Schopenhauer. Oder gar wie Helmholtz. Sie kennen Helmholtz? Der soll die größte Stirnweite haben, noch mehr als Kant, der im Uebrigen mein Liebling ist, von wegen dem kategorischen Imperativ. Aber das lassen wir bis später, das sind so Gespräche für eine Nachmittagspartie nach dem Waldkater oder der Roßtrappe. Denn es ist dummes Zeug, daß man unterwegs oder beim Steigen nicht sprechen solle. Gerade da. Das dehnt aus und der Sauerstoff strömt nur so in die Lunge. Natürlich muß man eine Lunge haben. Nu, Gott sei Dank, ich hab’ eine. Und Du auch, Leopold, nicht wahr, Junge? Wer Sommersprossen hat, wird doch wohl eine Lunge haben? Hast Du?“
„Freilich, Onkel. Aber hast Du uns auch was mitgebracht?“
„Prächtiger Kerl, Praktikus. Vor dem ist mir nicht bange. Natürlich hab’ ich was mitgebracht, natürlich. Und hier ist der Schlüssel, dieser dritte, und nun lauf’ auf mein Zimmer und schließe den Reisesack auf und pack’ aus. Ich komme gleich nach und werd’ alles verteilen, an Gerechte und Ungerechte. Oder seid Ihr alle Gerechte? Oder alle Ungerechte?“
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(2014-01-22T15:28:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2014-01-22T15:28:28Z)
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Weitere Informationen:Theodor Fontane: Von vor und nach der Reise. Plaudereien und kleine Geschichten. Hrsg. von Walter Hettche und Gabriele Radecke. Berlin 2007 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das erzählerische Werk, Bd. 19]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). Anmerkungen zur Transkription:
Auslassungszeichen im Text werden einheitlich als U+2026 <…> (HORIZONTAL ELLIPSIS) wiedergegeben.
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