Im Norden der Grafschaft Ruppin, hart an der mecklenburgischen Grenze, zieht sich von dem Städtchen Gransee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seeenkette durch eine menschenarme, nur hie und da mit ein paar alten Dörfern, sonst aber ausschließlich mit Förstereien, Glas- und Teeröfen besetzte Waldung. Einer der Seeen, die diese Seeenkette bilden, heißt "der Stechlin". Zwischen flachen, nur an einer einzigen Stelle steil und quaiartig ansteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefaßt, deren Zweige, von ihrer eignen Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren. Hie und da wächst ein weniges von Schilf und Binsen auf, aber kein Kahn zieht seine Furchen, kein Vogel singt, und nur selten, daß ein Habicht drüber hinfliegt und seinen Schatten auf die Spiegel¬ fläche wirft. Alles still hier. Und doch, von Zeit zu Zeit wird es an eben dieser Stelle lebendig. Das ist, wenn es weit draußen in der Welt, sei's auf Island, sei's auf Java, zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aschenregen der hawaiischen Vulkane bis weit auf die Südsee hinausgetrieben wird. Dann regt sich's auch hier, und ein Wasserstrahl springt auf und sinkt wieder in die Tiefe. Das wissen alle, die den Stechlin umwohnen, und wenn sie davon sprechen, so setzen sie
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Erſtes Kapitel.
Im Norden der Grafſchaft Ruppin, hart an der mecklenburgiſchen Grenze, zieht ſich von dem Städtchen Granſee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber hinaus) eine mehrere Meilen lange Seeenkette durch eine menſchenarme, nur hie und da mit ein paar alten Dörfern, ſonſt aber ausſchließlich mit Förſtereien, Glas- und Teeröfen beſetzte Waldung. Einer der Seeen, die dieſe Seeenkette bilden, heißt „der Stechlin“. Zwiſchen flachen, nur an einer einzigen Stelle ſteil und quaiartig anſteigenden Ufern liegt er da, rundum von alten Buchen eingefaßt, deren Zweige, von ihrer eignen Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze berühren. Hie und da wächſt ein weniges von Schilf und Binſen auf, aber kein Kahn zieht ſeine Furchen, kein Vogel ſingt, und nur ſelten, daß ein Habicht drüber hinfliegt und ſeinen Schatten auf die Spiegel¬ fläche wirft. Alles ſtill hier. Und doch, von Zeit zu Zeit wird es an eben dieſer Stelle lebendig. Das iſt, wenn es weit draußen in der Welt, ſei's auf Island, ſei's auf Java, zu rollen und zu grollen beginnt oder gar der Aſchenregen der hawaiiſchen Vulkane bis weit auf die Südſee hinausgetrieben wird. Dann regt ſich's auch hier, und ein Waſſerſtrahl ſpringt auf und ſinkt wieder in die Tiefe. Das wiſſen alle, die den Stechlin umwohnen, und wenn ſie davon ſprechen, ſo ſetzen ſie
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Erſtes Kapitel.
Im Norden der Grafſchaft Ruppin, hart an der
mecklenburgiſchen Grenze, zieht ſich von dem Städtchen
Granſee bis nach Rheinsberg hin (und noch darüber
hinaus) eine mehrere Meilen lange Seeenkette durch
eine menſchenarme, nur hie und da mit ein paar alten
Dörfern, ſonſt aber ausſchließlich mit Förſtereien, Glas-
und Teeröfen beſetzte Waldung. Einer der Seeen, die
dieſe Seeenkette bilden, heißt „der Stechlin“.
Zwiſchen flachen, nur an einer einzigen Stelle ſteil und
quaiartig anſteigenden Ufern liegt er da, rundum von
alten Buchen eingefaßt, deren Zweige, von ihrer eignen
Schwere nach unten gezogen, den See mit ihrer Spitze
berühren. Hie und da wächſt ein weniges von Schilf
und Binſen auf, aber kein Kahn zieht ſeine Furchen,
kein Vogel ſingt, und nur ſelten, daß ein Habicht
drüber hinfliegt und ſeinen Schatten auf die Spiegel¬
fläche wirft. Alles ſtill hier. Und doch, von Zeit zu
Zeit wird es an eben dieſer Stelle lebendig. Das iſt,
wenn es weit draußen in der Welt, ſei's auf Island,
ſei's auf Java, zu rollen und zu grollen beginnt oder
gar der Aſchenregen der hawaiiſchen Vulkane bis weit
auf die Südſee hinausgetrieben wird. Dann regt ſich's
auch hier, und ein Waſſerſtrahl ſpringt auf und ſinkt
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [3]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/10>, abgerufen am 24.11.2024.
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