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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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In dem primitiven Kamin -- nur eine Steinplatte mit
Rauchfang -- war ein Holzfeuer angezündet; beide
Fenster standen auf, waren aber durch schwere Gardinen
so gut wie wieder geschlossen, und aus dem etwas schief
über dem Sofa hängenden Quadratspiegel wuchsen drei
Pfauenfedern heraus.

Tante Adelheid hatte sich in Staat geworfen und
ihre Karlsbader Granatbrosche vorgesteckt, die der alte
Dubslav wegen der sieben mittelgroßen Steine, die einen
größeren und buckelartig vorspringenden umstanden, die
"Sieben-Kurfürsten-Brosche" nannte. Der hohe hagere
Hals ließ die Domina noch größer und herrischer er¬
scheinen, als sie war, und rechtfertigte durchaus die
brüderliche Malice: "Wickelkinder, wenn sie sie sehen,
werden unruhig, und wenn sie zärtlich wird, fangen sie
an zu schreien." Man sah ihr an, daß sie nur immer
vorübergehend in einer höheren Gesellschaftssphäre gelebt
hatte, sich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zu¬
gehörigkeit zu eben diesen Kreisen bewußt gewesen war.
Daß man sie zur Domina gemacht hatte, war nur zu
billigen. Sie wußte zu rechnen und anzuordnen und
war nicht bloß von sehr gutem natürlichen Verstand,
sondern unter Umständen auch voller Interesse für ganz
bestimmte Personen und Dinge. Was aber, trotz solcher
Vorzüge, den Verkehr mit ihr so schwer machte, das
war die tiefe Prosa ihrer Natur, das märkisch Enge,
das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schön¬
heit oder gar der Freiheit auch nur streifte.

Sie erhob sich, als die drei Herren eintraten, und
war gegen Rex und Czako aufs neue von verbindlichstem
Entgegenkommen. "Ich muß Ihnen noch einmal aus¬
sprechen, meine Herren, wie sehr ich bedaure, Sie nur
so kurze Zeit unter meinem Dache sehen zu dürfen."

"Du vergißt mich, liebe Tante," sagte Woldemar.
"Ich bleibe dir noch eine gute Weile. Mein Zug geht,

In dem primitiven Kamin — nur eine Steinplatte mit
Rauchfang — war ein Holzfeuer angezündet; beide
Fenſter ſtanden auf, waren aber durch ſchwere Gardinen
ſo gut wie wieder geſchloſſen, und aus dem etwas ſchief
über dem Sofa hängenden Quadratſpiegel wuchſen drei
Pfauenfedern heraus.

Tante Adelheid hatte ſich in Staat geworfen und
ihre Karlsbader Granatbroſche vorgeſteckt, die der alte
Dubslav wegen der ſieben mittelgroßen Steine, die einen
größeren und buckelartig vorſpringenden umſtanden, die
„Sieben-Kurfürſten-Broſche“ nannte. Der hohe hagere
Hals ließ die Domina noch größer und herriſcher er¬
ſcheinen, als ſie war, und rechtfertigte durchaus die
brüderliche Malice: „Wickelkinder, wenn ſie ſie ſehen,
werden unruhig, und wenn ſie zärtlich wird, fangen ſie
an zu ſchreien.“ Man ſah ihr an, daß ſie nur immer
vorübergehend in einer höheren Geſellſchaftsſphäre gelebt
hatte, ſich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zu¬
gehörigkeit zu eben dieſen Kreiſen bewußt geweſen war.
Daß man ſie zur Domina gemacht hatte, war nur zu
billigen. Sie wußte zu rechnen und anzuordnen und
war nicht bloß von ſehr gutem natürlichen Verſtand,
ſondern unter Umſtänden auch voller Intereſſe für ganz
beſtimmte Perſonen und Dinge. Was aber, trotz ſolcher
Vorzüge, den Verkehr mit ihr ſo ſchwer machte, das
war die tiefe Proſa ihrer Natur, das märkiſch Enge,
das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schön¬
heit oder gar der Freiheit auch nur ſtreifte.

Sie erhob ſich, als die drei Herren eintraten, und
war gegen Rex und Czako aufs neue von verbindlichſtem
Entgegenkommen. „Ich muß Ihnen noch einmal aus¬
ſprechen, meine Herren, wie ſehr ich bedaure, Sie nur
ſo kurze Zeit unter meinem Dache ſehen zu dürfen.“

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„Ich bleibe dir noch eine gute Weile. Mein Zug geht,

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[101/0108] In dem primitiven Kamin — nur eine Steinplatte mit Rauchfang — war ein Holzfeuer angezündet; beide Fenſter ſtanden auf, waren aber durch ſchwere Gardinen ſo gut wie wieder geſchloſſen, und aus dem etwas ſchief über dem Sofa hängenden Quadratſpiegel wuchſen drei Pfauenfedern heraus. Tante Adelheid hatte ſich in Staat geworfen und ihre Karlsbader Granatbroſche vorgeſteckt, die der alte Dubslav wegen der ſieben mittelgroßen Steine, die einen größeren und buckelartig vorſpringenden umſtanden, die „Sieben-Kurfürſten-Broſche“ nannte. Der hohe hagere Hals ließ die Domina noch größer und herriſcher er¬ ſcheinen, als ſie war, und rechtfertigte durchaus die brüderliche Malice: „Wickelkinder, wenn ſie ſie ſehen, werden unruhig, und wenn ſie zärtlich wird, fangen ſie an zu ſchreien.“ Man ſah ihr an, daß ſie nur immer vorübergehend in einer höheren Geſellſchaftsſphäre gelebt hatte, ſich trotzdem aber zeitlebens der angeborenen Zu¬ gehörigkeit zu eben dieſen Kreiſen bewußt geweſen war. Daß man ſie zur Domina gemacht hatte, war nur zu billigen. Sie wußte zu rechnen und anzuordnen und war nicht bloß von ſehr gutem natürlichen Verſtand, ſondern unter Umſtänden auch voller Intereſſe für ganz beſtimmte Perſonen und Dinge. Was aber, trotz ſolcher Vorzüge, den Verkehr mit ihr ſo ſchwer machte, das war die tiefe Proſa ihrer Natur, das märkiſch Enge, das Mißtrauen gegen alles, was die Welt der Schön¬ heit oder gar der Freiheit auch nur ſtreifte. Sie erhob ſich, als die drei Herren eintraten, und war gegen Rex und Czako aufs neue von verbindlichſtem Entgegenkommen. „Ich muß Ihnen noch einmal aus¬ ſprechen, meine Herren, wie ſehr ich bedaure, Sie nur ſo kurze Zeit unter meinem Dache ſehen zu dürfen.“ „Du vergißt mich, liebe Tante,“ ſagte Woldemar. „Ich bleibe dir noch eine gute Weile. Mein Zug geht,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/108>, abgerufen am 21.11.2024.