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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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will, ein großartiger Gegensatz von hüben und drüben;
es giebt nichts Diesseitigeres als Brust, und es giebt
nichts Jenseitigeres als Flügel. Der Flügel trägt uns,
erhebt uns. Und deshalb, trotz aller nach der andern
Seite hin liegenden Verlockung, möchte ich alles, was
Flügel heißt, doch höher stellen."

Er hatte dies in einem möglichst gedämpften Tone
gesprochen. Aber es war nicht nötig, weil einerseits
die links ihm zunächst sitzende Triglaff aus purem Hoch¬
gefühl ihr Ohr gegen alles, was gesprochen wurde,
verschloß, während andrerseits die Domina, nachdem
der Diener allerlei kleine Spitzgläser herumgereicht hatte,
ganz ersichtlich mit einer Ansprache beschäftigt war.

"Lassen Sie mich Ihnen noch einmal aussprechen,"
sagte sie, während sie sich halb erhob, "wie glücklich es
mich macht, Sie in meinem Kloster begrüßen zu können.
Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl."

Man stieß an. Rex dankte unmittelbar und sprach,
als man sich wieder gesetzt hatte, seine Bewunderung
über den schönen Wein aus. "Ich vermute Monte¬
fiascone."

"Vornehmer, Herr von Rex," sagte Adelheid in
guter Stimmung, "eine Rangstufe höher. Nicht Monte¬
fiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvor¬
gängerin auch hier im Keller hatten, sondern Lacrimae
Christi
. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte
freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorsetzte,
das passe nicht, das sei Begräbniswein, höchstens Wein
für Einsegnungen, aber nicht für heitere Zusammen¬
künfte."

"Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich
Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne."

"Gewiß, Herr von Rex. Und ich bin mir bewußt,
daß uns der Name gerade dieses Weines allerlei Rück¬
sichten auferlegt. Aber wenn Sie sich vergegenwärtigen

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will, ein großartiger Gegenſatz von hüben und drüben;
es giebt nichts Diesſeitigeres als Bruſt, und es giebt
nichts Jenſeitigeres als Flügel. Der Flügel trägt uns,
erhebt uns. Und deshalb, trotz aller nach der andern
Seite hin liegenden Verlockung, möchte ich alles, was
Flügel heißt, doch höher ſtellen.“

Er hatte dies in einem möglichſt gedämpften Tone
geſprochen. Aber es war nicht nötig, weil einerſeits
die links ihm zunächſt ſitzende Triglaff aus purem Hoch¬
gefühl ihr Ohr gegen alles, was geſprochen wurde,
verſchloß, während andrerſeits die Domina, nachdem
der Diener allerlei kleine Spitzgläſer herumgereicht hatte,
ganz erſichtlich mit einer Anſprache beſchäftigt war.

„Laſſen Sie mich Ihnen noch einmal ausſprechen,“
ſagte ſie, während ſie ſich halb erhob, „wie glücklich es
mich macht, Sie in meinem Kloſter begrüßen zu können.
Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl.“

Man ſtieß an. Rex dankte unmittelbar und ſprach,
als man ſich wieder geſetzt hatte, ſeine Bewunderung
über den ſchönen Wein aus. „Ich vermute Monte¬
fiascone.“

„Vornehmer, Herr von Rex,“ ſagte Adelheid in
guter Stimmung, „eine Rangſtufe höher. Nicht Monte¬
fiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvor¬
gängerin auch hier im Keller hatten, ſondern Lacrimae
Christi
. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte
freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorſetzte,
das paſſe nicht, das ſei Begräbniswein, höchſtens Wein
für Einſegnungen, aber nicht für heitere Zuſammen¬
künfte.“

„Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich
Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne.“

„Gewiß, Herr von Rex. Und ich bin mir bewußt,
daß uns der Name gerade dieſes Weines allerlei Rück¬
ſichten auferlegt. Aber wenn Sie ſich vergegenwärtigen

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[115/0122] will, ein großartiger Gegenſatz von hüben und drüben; es giebt nichts Diesſeitigeres als Bruſt, und es giebt nichts Jenſeitigeres als Flügel. Der Flügel trägt uns, erhebt uns. Und deshalb, trotz aller nach der andern Seite hin liegenden Verlockung, möchte ich alles, was Flügel heißt, doch höher ſtellen.“ Er hatte dies in einem möglichſt gedämpften Tone geſprochen. Aber es war nicht nötig, weil einerſeits die links ihm zunächſt ſitzende Triglaff aus purem Hoch¬ gefühl ihr Ohr gegen alles, was geſprochen wurde, verſchloß, während andrerſeits die Domina, nachdem der Diener allerlei kleine Spitzgläſer herumgereicht hatte, ganz erſichtlich mit einer Anſprache beſchäftigt war. „Laſſen Sie mich Ihnen noch einmal ausſprechen,“ ſagte ſie, während ſie ſich halb erhob, „wie glücklich es mich macht, Sie in meinem Kloſter begrüßen zu können. Herr von Rex, Herr von Czako, Ihr Wohl.“ Man ſtieß an. Rex dankte unmittelbar und ſprach, als man ſich wieder geſetzt hatte, ſeine Bewunderung über den ſchönen Wein aus. „Ich vermute Monte¬ fiascone.“ „Vornehmer, Herr von Rex,“ ſagte Adelheid in guter Stimmung, „eine Rangſtufe höher. Nicht Monte¬ fiascone, den wir allerdings unter meiner Amtsvor¬ gängerin auch hier im Keller hatten, ſondern Lacrimae Christi. Mein Bruder, der alles bemängelt, meinte freilich, als ich ihm vor einiger Zeit davon vorſetzte, das paſſe nicht, das ſei Begräbniswein, höchſtens Wein für Einſegnungen, aber nicht für heitere Zuſammen¬ künfte.“ „Ein Wort von eigenartiger Bedeutung, darin ich Ihren Herrn Bruder durchaus wiedererkenne.“ „Gewiß, Herr von Rex. Und ich bin mir bewußt, daß uns der Name gerade dieſes Weines allerlei Rück¬ ſichten auferlegt. Aber wenn Sie ſich vergegenwärtigen 8*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 115. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/122>, abgerufen am 21.11.2024.