lich ist all dergleichen doch eigentlich euer Lieblingsfeld. Und nun erzählen Sie weiter, ich bin neugierig wie ein Backfisch. Wer war denn der unglücklich Glückliche?"
"Sie meinen, wenn ich Sie recht verstehe, wer es war, der diese ältere Comtesse heiratete. Nun, dieser glücklich Unglückliche -- oder vielleicht auch umgekehrt -- war auch Graf, sogar ein italienischer (vorausgesetzt, daß Sie dies als eine Steigerung ansehn), und hatte natür¬ lich einen echt italienischen Namen: Conte Ghiberti, der¬ selbe Name wie der des florentinischen Bildhauers, von dem die berühmten Thüren herrühren."
"Welche Thüren?"
"Nun, die berühmten Baptisteriumthüren in Florenz, von denen Michelangelo gesagt haben soll, ,sie wären wert, den Eingang zum Paradiese zu bilden'. Und diese Thüren heißen denn auch, ihrem großen Künstler zu Ehren, die Ghibertischen Thüren. Übrigens eine Sache, von der ein Mann wie Sie was wissen müßte."
"Ja, Rex, Sie haben gut reden von ,wissen müssen'. Sie sind aus einem großen Hause, haben mutmaßlich einen frommen Kandidaten als Lehrer gehabt und sind dann auf Reisen gegangen, wo man so feine Dinge wegkriegt. Aber ich! Ich bin aus Ostrowo."
"Das ändert nichts."
"Doch, doch, Rex. Italienische Kunst! Ich bitte Sie, wo soll dergleichen bei mir herkommen? Was Hänschen nicht lernt, -- dabei bleibt es nun mal. Ich erinnere mich noch ganz deutlich einer Auktion in Ostrowo, bei der (es war in einem kommerzienrätlichen Hause) schließlich ein roter Kasten zur Versteigerung kam, ein Kasten mit Doppelbildern und einem Opernkucker dazu, der aber keiner war. Und all das kaufte sich meine Mutter. Und an diesem Stereoskopenkasten, ein Wort, das ich damals noch nicht kannte, habe ich meine italienische Kunst gelernt. Die ,Thüren' waren aber
lich iſt all dergleichen doch eigentlich euer Lieblingsfeld. Und nun erzählen Sie weiter, ich bin neugierig wie ein Backfiſch. Wer war denn der unglücklich Glückliche?“
„Sie meinen, wenn ich Sie recht verſtehe, wer es war, der dieſe ältere Comteſſe heiratete. Nun, dieſer glücklich Unglückliche — oder vielleicht auch umgekehrt — war auch Graf, ſogar ein italieniſcher (vorausgeſetzt, daß Sie dies als eine Steigerung anſehn), und hatte natür¬ lich einen echt italieniſchen Namen: Conte Ghiberti, der¬ ſelbe Name wie der des florentiniſchen Bildhauers, von dem die berühmten Thüren herrühren.“
„Welche Thüren?“
„Nun, die berühmten Baptiſteriumthüren in Florenz, von denen Michelangelo geſagt haben ſoll, ‚ſie wären wert, den Eingang zum Paradieſe zu bilden‘. Und dieſe Thüren heißen denn auch, ihrem großen Künſtler zu Ehren, die Ghibertiſchen Thüren. Übrigens eine Sache, von der ein Mann wie Sie was wiſſen müßte.“
„Ja, Rex, Sie haben gut reden von ‚wiſſen müſſen‘. Sie ſind aus einem großen Hauſe, haben mutmaßlich einen frommen Kandidaten als Lehrer gehabt und ſind dann auf Reiſen gegangen, wo man ſo feine Dinge wegkriegt. Aber ich! Ich bin aus Oſtrowo.“
„Das ändert nichts.“
„Doch, doch, Rex. Italieniſche Kunſt! Ich bitte Sie, wo ſoll dergleichen bei mir herkommen? Was Hänſchen nicht lernt, — dabei bleibt es nun mal. Ich erinnere mich noch ganz deutlich einer Auktion in Oſtrowo, bei der (es war in einem kommerzienrätlichen Hauſe) ſchließlich ein roter Kaſten zur Verſteigerung kam, ein Kaſten mit Doppelbildern und einem Opernkucker dazu, der aber keiner war. Und all das kaufte ſich meine Mutter. Und an dieſem Stereoſkopenkaſten, ein Wort, das ich damals noch nicht kannte, habe ich meine italieniſche Kunſt gelernt. Die ,Thüren‘ waren aber
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lich iſt all dergleichen doch eigentlich euer Lieblingsfeld.
Und nun erzählen Sie weiter, ich bin neugierig wie ein
Backfiſch. Wer war denn der unglücklich Glückliche?“
„Sie meinen, wenn ich Sie recht verſtehe, wer es
war, der dieſe ältere Comteſſe heiratete. Nun, dieſer
glücklich Unglückliche — oder vielleicht auch umgekehrt —
war auch Graf, ſogar ein italieniſcher (vorausgeſetzt, daß
Sie dies als eine Steigerung anſehn), und hatte natür¬
lich einen echt italieniſchen Namen: Conte Ghiberti, der¬
ſelbe Name wie der des florentiniſchen Bildhauers, von
dem die berühmten Thüren herrühren.“
„Welche Thüren?“
„Nun, die berühmten Baptiſteriumthüren in Florenz,
von denen Michelangelo geſagt haben ſoll, ‚ſie wären
wert, den Eingang zum Paradieſe zu bilden‘. Und dieſe
Thüren heißen denn auch, ihrem großen Künſtler zu
Ehren, die Ghibertiſchen Thüren. Übrigens eine Sache,
von der ein Mann wie Sie was wiſſen müßte.“
„Ja, Rex, Sie haben gut reden von ‚wiſſen müſſen‘.
Sie ſind aus einem großen Hauſe, haben mutmaßlich
einen frommen Kandidaten als Lehrer gehabt und ſind
dann auf Reiſen gegangen, wo man ſo feine Dinge
wegkriegt. Aber ich! Ich bin aus Oſtrowo.“
„Das ändert nichts.“
„Doch, doch, Rex. Italieniſche Kunſt! Ich bitte
Sie, wo ſoll dergleichen bei mir herkommen? Was
Hänſchen nicht lernt, — dabei bleibt es nun mal. Ich
erinnere mich noch ganz deutlich einer Auktion in Oſtrowo,
bei der (es war in einem kommerzienrätlichen Hauſe)
ſchließlich ein roter Kaſten zur Verſteigerung kam, ein
Kaſten mit Doppelbildern und einem Opernkucker dazu,
der aber keiner war. Und all das kaufte ſich meine
Mutter. Und an dieſem Stereoſkopenkaſten, ein Wort,
das ich damals noch nicht kannte, habe ich meine
italieniſche Kunſt gelernt. Die ,Thüren‘ waren aber
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/140>, abgerufen am 21.11.2024.
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