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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nicht dabei. Was können Sie da groß verlangen? Ich
habe, wenn sie das Wort gelten lassen wollen, 'ne
Panoptikumbildung."

Rex lachte. "Nun, gleichviel. Also der Graf, der
die ältere Comtesse Barby heiratete, hieß Ghiberti.
Seiner Ehe fehlten indes durchaus die Himmelsthüren,
-- soviel läßt sich mit aller Bestimmtheit sagen. Und
deshalb kam es zur Scheidung. Ja, mehr, die schar¬
mante Frau (,scharmant' ist übrigens ein viel zu plebejes
und minderwertiges Wort) hat in ihrer Empörung den
Namen Ghiberti wieder abgethan, und alle Welt nennt
sie jetzt nur noch bei ihrem Vornamen."

"Und der ist?"

"Melusine."

"Melusine? Hören Sie, Rex, das läßt aber tief
blicken."


Unter diesem Gespräch waren sie bis an den
Cremmer Damm herangekommen. Es dunkelte schon
stark, und ein Gewölk, das am Himmel hinzog, ver¬
barg die Mondsichel. Ein paarmal indessen trat sie
hervor, und dann sahen sie bei halber Beleuchtung das
Hohenlohedenkmal, das unten im Luche schimmerte.
Hinunterzureiten, was noch einmal flüchtig in Erwägung
gezogen wurde, verbot sich, und so setzten sie sich in
einen munteren Trab und hielten erst wieder in Cremmen
vor dem Gasthause zum "Markgrafen Otto". Es schlug
eben neun von der Nikolaikirche.

Drinnen war man bald in einem lebhaften Ge¬
spräch, in dem sich Rex über die in der Stadt herr¬
schende Gesinnung und Kirchlichkeit zu unterrichten suchte.
Der Wirt stellte der einen wie der andern ein gleich
gutes Zeugnis aus und hatte die Genugthuung, daß

nicht dabei. Was können Sie da groß verlangen? Ich
habe, wenn ſie das Wort gelten laſſen wollen, 'ne
Panoptikumbildung.“

Rex lachte. „Nun, gleichviel. Alſo der Graf, der
die ältere Comteſſe Barby heiratete, hieß Ghiberti.
Seiner Ehe fehlten indes durchaus die Himmelsthüren,
— ſoviel läßt ſich mit aller Beſtimmtheit ſagen. Und
deshalb kam es zur Scheidung. Ja, mehr, die ſchar¬
mante Frau (‚ſcharmant‘ iſt übrigens ein viel zu plebejes
und minderwertiges Wort) hat in ihrer Empörung den
Namen Ghiberti wieder abgethan, und alle Welt nennt
ſie jetzt nur noch bei ihrem Vornamen.“

„Und der iſt?“

„Meluſine.“

„Meluſine? Hören Sie, Rex, das läßt aber tief
blicken.“


Unter dieſem Geſpräch waren ſie bis an den
Cremmer Damm herangekommen. Es dunkelte ſchon
ſtark, und ein Gewölk, das am Himmel hinzog, ver¬
barg die Mondſichel. Ein paarmal indeſſen trat ſie
hervor, und dann ſahen ſie bei halber Beleuchtung das
Hohenlohedenkmal, das unten im Luche ſchimmerte.
Hinunterzureiten, was noch einmal flüchtig in Erwägung
gezogen wurde, verbot ſich, und ſo ſetzten ſie ſich in
einen munteren Trab und hielten erſt wieder in Cremmen
vor dem Gaſthauſe zum „Markgrafen Otto“. Es ſchlug
eben neun von der Nikolaikirche.

Drinnen war man bald in einem lebhaften Ge¬
ſpräch, in dem ſich Rex über die in der Stadt herr¬
ſchende Geſinnung und Kirchlichkeit zu unterrichten ſuchte.
Der Wirt ſtellte der einen wie der andern ein gleich
gutes Zeugnis aus und hatte die Genugthuung, daß

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[134/0141] nicht dabei. Was können Sie da groß verlangen? Ich habe, wenn ſie das Wort gelten laſſen wollen, 'ne Panoptikumbildung.“ Rex lachte. „Nun, gleichviel. Alſo der Graf, der die ältere Comteſſe Barby heiratete, hieß Ghiberti. Seiner Ehe fehlten indes durchaus die Himmelsthüren, — ſoviel läßt ſich mit aller Beſtimmtheit ſagen. Und deshalb kam es zur Scheidung. Ja, mehr, die ſchar¬ mante Frau (‚ſcharmant‘ iſt übrigens ein viel zu plebejes und minderwertiges Wort) hat in ihrer Empörung den Namen Ghiberti wieder abgethan, und alle Welt nennt ſie jetzt nur noch bei ihrem Vornamen.“ „Und der iſt?“ „Meluſine.“ „Meluſine? Hören Sie, Rex, das läßt aber tief blicken.“ Unter dieſem Geſpräch waren ſie bis an den Cremmer Damm herangekommen. Es dunkelte ſchon ſtark, und ein Gewölk, das am Himmel hinzog, ver¬ barg die Mondſichel. Ein paarmal indeſſen trat ſie hervor, und dann ſahen ſie bei halber Beleuchtung das Hohenlohedenkmal, das unten im Luche ſchimmerte. Hinunterzureiten, was noch einmal flüchtig in Erwägung gezogen wurde, verbot ſich, und ſo ſetzten ſie ſich in einen munteren Trab und hielten erſt wieder in Cremmen vor dem Gaſthauſe zum „Markgrafen Otto“. Es ſchlug eben neun von der Nikolaikirche. Drinnen war man bald in einem lebhaften Ge¬ ſpräch, in dem ſich Rex über die in der Stadt herr¬ ſchende Geſinnung und Kirchlichkeit zu unterrichten ſuchte. Der Wirt ſtellte der einen wie der andern ein gleich gutes Zeugnis aus und hatte die Genugthuung, daß

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/141>, abgerufen am 24.11.2024.