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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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ruhigte Wrschowitz und nahm nur noch Veranlassung,
energisch gegen die Mischung von Kunst und Sektierer¬
tum zu protestieren.

Woldemar, großer Tolstojschwärmer, wollte für den
russischen Grafen eine Lanze brechen, aber Armgard, die,
wenn derartige Themata berührt wurden, der Salon¬
fähigkeit ihres Freundes Wrschowitz arg mißtraute, war
sofort aufrichtig bemüht, das Gespräch auf harmlosere
Gebiete hinüberzuspielen. Als ein solches friedeverheißendes
Gebiet erschien ihr in diesem Augenblicke ganz eminent
die Grafschaft Ruppin, aus deren abgelegenster Nordost¬
ecke Woldemar eben wieder eingetroffen war, und so sprach
sie denn gegen diesen den Wunsch aus, ihn über seinen
jüngsten Ausflug einen kurzen Bericht erstatten zu sehen.
"Ich weiß wohl, daß ich meiner Schwester Melusine (die
voll Neugier und Verlangen ist, auch davon zu hören)
einen schlechten Dienst damit leiste; Herr von Stechlin
wird es aber nicht verschmähen, wenn meine Schwester
erst wieder da ist, darauf zurückzukommen. Es braucht ja,
wenn man plaudert, nicht alles absolut neu zu sein. Man
darf sich wiederholen. Papa hat auch einzelnes, das er
öfter erzählt.

"Einzelnes?" lachte der alte Graf, "meine Tochter
Armgard meint ,vieles'."

"Nein, Papa, ich meine einzelnes. Da giebt es denn
doch ganz andre, zum Beispiel unser guter Baron. Und
die Baronin sieht auch immer weg, wenn er anfängt.
Aber lassen wir den Baron und seine Geschichten, und
hören wir lieber von Herrn von Stechlins Ausfluge. Doktor
Wrschowitz teilt gewiß meinen Geschmack."

"Teile vollkommen."

"Also, Herr von Stechlin," fuhr Armgard fort.
"Sie haben nach diesen Erklärungen unsers Freundes
Wrschowitz einen freundlichen Zuhörer mehr, vielleicht
sogar einen begeisterten. Auch für Papa möcht ich mich

ruhigte Wrſchowitz und nahm nur noch Veranlaſſung,
energiſch gegen die Miſchung von Kunſt und Sektierer¬
tum zu proteſtieren.

Woldemar, großer Tolſtojſchwärmer, wollte für den
ruſſiſchen Grafen eine Lanze brechen, aber Armgard, die,
wenn derartige Themata berührt wurden, der Salon¬
fähigkeit ihres Freundes Wrſchowitz arg mißtraute, war
ſofort aufrichtig bemüht, das Geſpräch auf harmloſere
Gebiete hinüberzuſpielen. Als ein ſolches friedeverheißendes
Gebiet erſchien ihr in dieſem Augenblicke ganz eminent
die Grafſchaft Ruppin, aus deren abgelegenſter Nordoſt¬
ecke Woldemar eben wieder eingetroffen war, und ſo ſprach
ſie denn gegen dieſen den Wunſch aus, ihn über ſeinen
jüngſten Ausflug einen kurzen Bericht erſtatten zu ſehen.
„Ich weiß wohl, daß ich meiner Schweſter Meluſine (die
voll Neugier und Verlangen iſt, auch davon zu hören)
einen ſchlechten Dienſt damit leiſte; Herr von Stechlin
wird es aber nicht verſchmähen, wenn meine Schweſter
erſt wieder da iſt, darauf zurückzukommen. Es braucht ja,
wenn man plaudert, nicht alles abſolut neu zu ſein. Man
darf ſich wiederholen. Papa hat auch einzelnes, das er
öfter erzählt.

„Einzelnes?“ lachte der alte Graf, „meine Tochter
Armgard meint ‚vieles‘.“

„Nein, Papa, ich meine einzelnes. Da giebt es denn
doch ganz andre, zum Beiſpiel unſer guter Baron. Und
die Baronin ſieht auch immer weg, wenn er anfängt.
Aber laſſen wir den Baron und ſeine Geſchichten, und
hören wir lieber von Herrn von Stechlins Ausfluge. Doktor
Wrſchowitz teilt gewiß meinen Geſchmack.“

„Teile vollkommen.“

„Alſo, Herr von Stechlin,“ fuhr Armgard fort.
„Sie haben nach dieſen Erklärungen unſers Freundes
Wrſchowitz einen freundlichen Zuhörer mehr, vielleicht
ſogar einen begeiſterten. Auch für Papa möcht ich mich

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[166/0173] ruhigte Wrſchowitz und nahm nur noch Veranlaſſung, energiſch gegen die Miſchung von Kunſt und Sektierer¬ tum zu proteſtieren. Woldemar, großer Tolſtojſchwärmer, wollte für den ruſſiſchen Grafen eine Lanze brechen, aber Armgard, die, wenn derartige Themata berührt wurden, der Salon¬ fähigkeit ihres Freundes Wrſchowitz arg mißtraute, war ſofort aufrichtig bemüht, das Geſpräch auf harmloſere Gebiete hinüberzuſpielen. Als ein ſolches friedeverheißendes Gebiet erſchien ihr in dieſem Augenblicke ganz eminent die Grafſchaft Ruppin, aus deren abgelegenſter Nordoſt¬ ecke Woldemar eben wieder eingetroffen war, und ſo ſprach ſie denn gegen dieſen den Wunſch aus, ihn über ſeinen jüngſten Ausflug einen kurzen Bericht erſtatten zu ſehen. „Ich weiß wohl, daß ich meiner Schweſter Meluſine (die voll Neugier und Verlangen iſt, auch davon zu hören) einen ſchlechten Dienſt damit leiſte; Herr von Stechlin wird es aber nicht verſchmähen, wenn meine Schweſter erſt wieder da iſt, darauf zurückzukommen. Es braucht ja, wenn man plaudert, nicht alles abſolut neu zu ſein. Man darf ſich wiederholen. Papa hat auch einzelnes, das er öfter erzählt. „Einzelnes?“ lachte der alte Graf, „meine Tochter Armgard meint ‚vieles‘.“ „Nein, Papa, ich meine einzelnes. Da giebt es denn doch ganz andre, zum Beiſpiel unſer guter Baron. Und die Baronin ſieht auch immer weg, wenn er anfängt. Aber laſſen wir den Baron und ſeine Geſchichten, und hören wir lieber von Herrn von Stechlins Ausfluge. Doktor Wrſchowitz teilt gewiß meinen Geſchmack.“ „Teile vollkommen.“ „Alſo, Herr von Stechlin,“ fuhr Armgard fort. „Sie haben nach dieſen Erklärungen unſers Freundes Wrſchowitz einen freundlichen Zuhörer mehr, vielleicht ſogar einen begeiſterten. Auch für Papa möcht ich mich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/173>, abgerufen am 21.11.2024.