Prinz Heinrich war auch bedeutend und vor allem sehr kritisch. Was doch immer ein Vorzug ist."
"Sehr warr, sehr warr," unterbrach hier Wrschowitz."
"Er war sehr kritisch," wiederholte Woldemar. "Namentlich auch gegen seinen Bruder, den König. Und die Malcontenten, deren es auch damals schon die Hülle und Fülle gab, waren beständig um ihn herum. Und dabei kommt immer was heraus."
"Sehr warr, sehr warr ..."
"Denn zufriedene Hofleute sind allemal öd und lang¬ weilig, aber die Frondeurs, wenn die den Mund auf¬ thun, da kann man was hören, da thut sich einem was auf."
"Gewiß," sagte Armgard. Aber trotzdem, Herr von Stechlin, ich kann das Frondieren nicht leiden. Frondeur ist doch immer nur der gewohnheitsmäßig Unzufriedene, und wer immer unzufrieden ist, der taugt nichts. Immer Unzufriedene sind dünkelhaft und oft boshaft dazu, und während sie sich über andre lustig machen, lassen sie selber viel zu wünschen übrig."
"Sehr warr, sehr warr, gnädigste Comtesse," ver¬ beugte sich Wrschowitz. "Aber, wollen verzeihn, Comtesse, wenn ich trotzdem bin für Frondeur. Frondeur ist Krittikk, und wo Guttes sein will, muß sein Krittikk. Deutsche Kunst viel Krittikk. Erst muß sein Kunst, gewiß, gewiß, aber gleich danach muß sein Krittikk. Krittikk ist wie große Revolution. Kopf ab aus Prinzipp. Kunst muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is Kopf ab."
Alles schwieg, so daß dem Grafen nichts übrig blieb, als etwas verspätet seine halbe Zustimmung auszudrücken. Armgard ihrerseits beeilte sich, auf Rheinsberg zurückzu¬ kommen, das ihr trotz des fatalen Zwischenfalls mit "Kopf ab", im Vergleich zu vielleicht wiederkehrenden Musik¬ gesprächen, immer noch als wenigstens ein Nothafen erschien.
Prinz Heinrich war auch bedeutend und vor allem ſehr kritiſch. Was doch immer ein Vorzug iſt.“
„Sehr warr, ſehr warr,“ unterbrach hier Wrſchowitz.“
„Er war ſehr kritiſch,“ wiederholte Woldemar. „Namentlich auch gegen ſeinen Bruder, den König. Und die Malcontenten, deren es auch damals ſchon die Hülle und Fülle gab, waren beſtändig um ihn herum. Und dabei kommt immer was heraus.“
„Sehr warr, ſehr warr ...“
„Denn zufriedene Hofleute ſind allemal öd und lang¬ weilig, aber die Frondeurs, wenn die den Mund auf¬ thun, da kann man was hören, da thut ſich einem was auf.“
„Gewiß,“ ſagte Armgard. Aber trotzdem, Herr von Stechlin, ich kann das Frondieren nicht leiden. Frondeur iſt doch immer nur der gewohnheitsmäßig Unzufriedene, und wer immer unzufrieden iſt, der taugt nichts. Immer Unzufriedene ſind dünkelhaft und oft boshaft dazu, und während ſie ſich über andre luſtig machen, laſſen ſie ſelber viel zu wünſchen übrig.“
„Sehr warr, ſehr warr, gnädigſte Comteſſe,“ ver¬ beugte ſich Wrſchowitz. „Aber, wollen verzeihn, Comteſſe, wenn ich trotzdem bin für Frondeur. Frondeur iſt Krittikk, und wo Guttes ſein will, muß ſein Krittikk. Deutſche Kunſt viel Krittikk. Erſt muß ſein Kunſt, gewiß, gewiß, aber gleich danach muß ſein Krittikk. Krittikk iſt wie große Revolution. Kopf ab aus Prinzipp. Kunſt muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is Kopf ab.“
Alles ſchwieg, ſo daß dem Grafen nichts übrig blieb, als etwas verſpätet ſeine halbe Zuſtimmung auszudrücken. Armgard ihrerſeits beeilte ſich, auf Rheinsberg zurückzu¬ kommen, das ihr trotz des fatalen Zwiſchenfalls mit „Kopf ab“, im Vergleich zu vielleicht wiederkehrenden Muſik¬ geſprächen, immer noch als wenigſtens ein Nothafen erſchien.
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Prinz Heinrich war auch bedeutend und vor allem ſehr
kritiſch. Was doch immer ein Vorzug iſt.“
„Sehr warr, ſehr warr,“ unterbrach hier Wrſchowitz.“
„Er war ſehr kritiſch,“ wiederholte Woldemar.
„Namentlich auch gegen ſeinen Bruder, den König.
Und die Malcontenten, deren es auch damals ſchon die
Hülle und Fülle gab, waren beſtändig um ihn herum.
Und dabei kommt immer was heraus.“
„Sehr warr, ſehr warr ...“
„Denn zufriedene Hofleute ſind allemal öd und lang¬
weilig, aber die Frondeurs, wenn die den Mund auf¬
thun, da kann man was hören, da thut ſich einem
was auf.“
„Gewiß,“ ſagte Armgard. Aber trotzdem, Herr von
Stechlin, ich kann das Frondieren nicht leiden. Frondeur
iſt doch immer nur der gewohnheitsmäßig Unzufriedene,
und wer immer unzufrieden iſt, der taugt nichts. Immer
Unzufriedene ſind dünkelhaft und oft boshaft dazu, und
während ſie ſich über andre luſtig machen, laſſen ſie
ſelber viel zu wünſchen übrig.“
„Sehr warr, ſehr warr, gnädigſte Comteſſe,“ ver¬
beugte ſich Wrſchowitz. „Aber, wollen verzeihn, Comteſſe,
wenn ich trotzdem bin für Frondeur. Frondeur iſt
Krittikk, und wo Guttes ſein will, muß ſein Krittikk.
Deutſche Kunſt viel Krittikk. Erſt muß ſein Kunſt, gewiß,
gewiß, aber gleich danach muß ſein Krittikk. Krittikk iſt
wie große Revolution. Kopf ab aus Prinzipp. Kunſt
muß haben ein Prinzipp. Und wo Prinzipp is, is
Kopf ab.“
Alles ſchwieg, ſo daß dem Grafen nichts übrig blieb,
als etwas verſpätet ſeine halbe Zuſtimmung auszudrücken.
Armgard ihrerſeits beeilte ſich, auf Rheinsberg zurückzu¬
kommen, das ihr trotz des fatalen Zwiſchenfalls mit
„Kopf ab“, im Vergleich zu vielleicht wiederkehrenden Muſik¬
geſprächen, immer noch als wenigſtens ein Nothafen erſchien.
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/175>, abgerufen am 21.11.2024.
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