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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Ich glaube," sagte sie, "neben manchem andern auch
mal von der Frauenfeindschaft des Prinzen gehört zu
habe. Er soll -- irre ich mich, so werden Sie mich
korrigieren -- ein sogenannter Misogyne gewesen sein.
Etwas durchaus Krankhaftes in meinen Augen oder doch
mindestens etwas sehr Sonderbares."

"Sehr sonderbarr," sagte Wrschowitz, während sich,
unter huldigendem Hinblick auf Armgard, sein Gesicht wie
verklärte.

"Wie gut, lieber Wrschowitz," fuhr Armgard fort,
"daß Sie, mein Wort bestätigend, für uns arme Frauen
und Mädchen eintreten. Es giebt immer noch Ritter, und
wir sind ihrer so sehr benötigt. Denn wie mir Melusine
erzählt hat, sind die Weiberfeinde sogar stolz darauf,
Weiberfeinde zu sein, und behandeln ihr Denken und
Thun als eine höhere Lebensform. Kennen Sie solche
Leute, Herr von Stechlin? Und wenn Sie solche Leute
kennen, wie denken Sie darüber?"

"Ich betrachte sie zunächst als Unglückliche."

"Das ist recht."

"Und zum zweiten als Kranke. Der Prinz, wie
Comtesse schon ganz richtig ausgesprochen haben, war auch
ein solcher Kranker."

"Und wie äußerte sich das? Oder ist es überhaupt
nicht möglich, über das Thema zu sprechen?"

"Nicht ganz leicht, Comtesse. Doch in Gegenwart
des Herrn Grafen und nicht zu vergessen auch in Gegen¬
wart von Doktor Wrschowitz, der so schön und ritterlich
gegen die Misogynität Partei genommen, unter solchem
Beistande will ich es doch wagen."

"Nun, das freut mich. Denn ich brenne vor
Neugier."

"Und will auch nicht länger ängstlich um die Sache
herumgehen. Unser Rheinsberger Prinz war ein richtiger
Prinz aus dem vorigen Jahrhundert. Die jetzigen sind

„Ich glaube,“ ſagte ſie, „neben manchem andern auch
mal von der Frauenfeindſchaft des Prinzen gehört zu
habe. Er ſoll — irre ich mich, ſo werden Sie mich
korrigieren — ein ſogenannter Miſogyne geweſen ſein.
Etwas durchaus Krankhaftes in meinen Augen oder doch
mindeſtens etwas ſehr Sonderbares.“

„Sehr ſonderbarr,“ ſagte Wrſchowitz, während ſich,
unter huldigendem Hinblick auf Armgard, ſein Geſicht wie
verklärte.

„Wie gut, lieber Wrſchowitz,“ fuhr Armgard fort,
„daß Sie, mein Wort beſtätigend, für uns arme Frauen
und Mädchen eintreten. Es giebt immer noch Ritter, und
wir ſind ihrer ſo ſehr benötigt. Denn wie mir Meluſine
erzählt hat, ſind die Weiberfeinde ſogar ſtolz darauf,
Weiberfeinde zu ſein, und behandeln ihr Denken und
Thun als eine höhere Lebensform. Kennen Sie ſolche
Leute, Herr von Stechlin? Und wenn Sie ſolche Leute
kennen, wie denken Sie darüber?“

„Ich betrachte ſie zunächſt als Unglückliche.“

„Das iſt recht.“

„Und zum zweiten als Kranke. Der Prinz, wie
Comteſſe ſchon ganz richtig ausgeſprochen haben, war auch
ein ſolcher Kranker.“

„Und wie äußerte ſich das? Oder iſt es überhaupt
nicht möglich, über das Thema zu ſprechen?“

„Nicht ganz leicht, Comteſſe. Doch in Gegenwart
des Herrn Grafen und nicht zu vergeſſen auch in Gegen¬
wart von Doktor Wrſchowitz, der ſo ſchön und ritterlich
gegen die Miſogynität Partei genommen, unter ſolchem
Beiſtande will ich es doch wagen.“

„Nun, das freut mich. Denn ich brenne vor
Neugier.“

„Und will auch nicht länger ängſtlich um die Sache
herumgehen. Unſer Rheinsberger Prinz war ein richtiger
Prinz aus dem vorigen Jahrhundert. Die jetzigen ſind

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[169/0176] „Ich glaube,“ ſagte ſie, „neben manchem andern auch mal von der Frauenfeindſchaft des Prinzen gehört zu habe. Er ſoll — irre ich mich, ſo werden Sie mich korrigieren — ein ſogenannter Miſogyne geweſen ſein. Etwas durchaus Krankhaftes in meinen Augen oder doch mindeſtens etwas ſehr Sonderbares.“ „Sehr ſonderbarr,“ ſagte Wrſchowitz, während ſich, unter huldigendem Hinblick auf Armgard, ſein Geſicht wie verklärte. „Wie gut, lieber Wrſchowitz,“ fuhr Armgard fort, „daß Sie, mein Wort beſtätigend, für uns arme Frauen und Mädchen eintreten. Es giebt immer noch Ritter, und wir ſind ihrer ſo ſehr benötigt. Denn wie mir Meluſine erzählt hat, ſind die Weiberfeinde ſogar ſtolz darauf, Weiberfeinde zu ſein, und behandeln ihr Denken und Thun als eine höhere Lebensform. Kennen Sie ſolche Leute, Herr von Stechlin? Und wenn Sie ſolche Leute kennen, wie denken Sie darüber?“ „Ich betrachte ſie zunächſt als Unglückliche.“ „Das iſt recht.“ „Und zum zweiten als Kranke. Der Prinz, wie Comteſſe ſchon ganz richtig ausgeſprochen haben, war auch ein ſolcher Kranker.“ „Und wie äußerte ſich das? Oder iſt es überhaupt nicht möglich, über das Thema zu ſprechen?“ „Nicht ganz leicht, Comteſſe. Doch in Gegenwart des Herrn Grafen und nicht zu vergeſſen auch in Gegen¬ wart von Doktor Wrſchowitz, der ſo ſchön und ritterlich gegen die Miſogynität Partei genommen, unter ſolchem Beiſtande will ich es doch wagen.“ „Nun, das freut mich. Denn ich brenne vor Neugier.“ „Und will auch nicht länger ängſtlich um die Sache herumgehen. Unſer Rheinsberger Prinz war ein richtiger Prinz aus dem vorigen Jahrhundert. Die jetzigen ſind

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/176>, abgerufen am 21.11.2024.