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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"So, der! Ja, dieser unser Wohlthäter, den wir --
Sie haben ganz recht -- in unserm Undank so gern unter¬
schlagen. Aber dies Unterschlagen hat doch auch wieder
sein Verzeihliches. Wir thun jetzt (leider) so vieles, was
wir, nach einer alten Anschauung, eigentlich nicht thun
sollten. Es ist, mein' ich, nicht passend, auf einem Pferde¬
bahnperron zu stehen, zwischen einem Schaffner und einer
Kiepenfrau, und es ist noch weniger passend, in einem
Fünfzigpfennigbazar allerhand Einkäufe zu machen und
an der sich dabei aufdrängenden Frage: ,Wodurch ermög¬
lichen sich diese Preise?' still vorbeizugehen. Unser Freund
in Spindlersfelde da drüben degradiert uns vielleicht
auch durch das, was er so hilfreich für uns thut.
Armgard, wie denken Sie darüber?"

"Ganz wie Sie, Baronin."

"Und Melusine?"

Diese gab kopfschüttelnd die Frage weiter und drang
darauf, daß die beiden älteren Herren, die mittlerweile
herangekommen waren, den Ausschlag geben sollten. Aber
der alte Graf wollte davon nichts wissen. "Das sind
Doktorfragen. Auf derlei Dinge lass' ich mich nicht ein.
Ich schlage vor, wir machen lieber Kehrt und suchen uns
im ,Eierhäuschen' einen hübschen Platz, von dem aus wir
das Leben auf dem Fluß beobachten und hoffentlich auch
den Sonnenuntergang gut sehen können."


Ziemlich um dieselbe Stunde, wo die Barbyschen und
Berchtesgadenschen Herrschaften ihren Spaziergang auf
Spindlersfelde zu machten, erschien unser Freund Mr.
Robinson, von seinem Stallgebäude her, in Front der
Lennestraße, sah erst gewohnheitsmäßig nach dem Wetter
und ging dann quer durch den Tiergarten auf das Kron¬
prinzenufer zu, wo die Immes ihn bereits erwarteten.

„So, der! Ja, dieſer unſer Wohlthäter, den wir —
Sie haben ganz recht — in unſerm Undank ſo gern unter¬
ſchlagen. Aber dies Unterſchlagen hat doch auch wieder
ſein Verzeihliches. Wir thun jetzt (leider) ſo vieles, was
wir, nach einer alten Anſchauung, eigentlich nicht thun
ſollten. Es iſt, mein' ich, nicht paſſend, auf einem Pferde¬
bahnperron zu ſtehen, zwiſchen einem Schaffner und einer
Kiepenfrau, und es iſt noch weniger paſſend, in einem
Fünfzigpfennigbazar allerhand Einkäufe zu machen und
an der ſich dabei aufdrängenden Frage: ‚Wodurch ermög¬
lichen ſich dieſe Preiſe?‘ ſtill vorbeizugehen. Unſer Freund
in Spindlersfelde da drüben degradiert uns vielleicht
auch durch das, was er ſo hilfreich für uns thut.
Armgard, wie denken Sie darüber?“

„Ganz wie Sie, Baronin.“

„Und Meluſine?“

Dieſe gab kopfſchüttelnd die Frage weiter und drang
darauf, daß die beiden älteren Herren, die mittlerweile
herangekommen waren, den Ausſchlag geben ſollten. Aber
der alte Graf wollte davon nichts wiſſen. „Das ſind
Doktorfragen. Auf derlei Dinge laſſ' ich mich nicht ein.
Ich ſchlage vor, wir machen lieber Kehrt und ſuchen uns
im ‚Eierhäuschen‘ einen hübſchen Platz, von dem aus wir
das Leben auf dem Fluß beobachten und hoffentlich auch
den Sonnenuntergang gut ſehen können.“


Ziemlich um dieſelbe Stunde, wo die Barbyſchen und
Berchtesgadenſchen Herrſchaften ihren Spaziergang auf
Spindlersfelde zu machten, erſchien unſer Freund Mr.
Robinſon, von ſeinem Stallgebäude her, in Front der
Lennéſtraße, ſah erſt gewohnheitsmäßig nach dem Wetter
und ging dann quer durch den Tiergarten auf das Kron¬
prinzenufer zu, wo die Immes ihn bereits erwarteten.

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[183/0190] „So, der! Ja, dieſer unſer Wohlthäter, den wir — Sie haben ganz recht — in unſerm Undank ſo gern unter¬ ſchlagen. Aber dies Unterſchlagen hat doch auch wieder ſein Verzeihliches. Wir thun jetzt (leider) ſo vieles, was wir, nach einer alten Anſchauung, eigentlich nicht thun ſollten. Es iſt, mein' ich, nicht paſſend, auf einem Pferde¬ bahnperron zu ſtehen, zwiſchen einem Schaffner und einer Kiepenfrau, und es iſt noch weniger paſſend, in einem Fünfzigpfennigbazar allerhand Einkäufe zu machen und an der ſich dabei aufdrängenden Frage: ‚Wodurch ermög¬ lichen ſich dieſe Preiſe?‘ ſtill vorbeizugehen. Unſer Freund in Spindlersfelde da drüben degradiert uns vielleicht auch durch das, was er ſo hilfreich für uns thut. Armgard, wie denken Sie darüber?“ „Ganz wie Sie, Baronin.“ „Und Meluſine?“ Dieſe gab kopfſchüttelnd die Frage weiter und drang darauf, daß die beiden älteren Herren, die mittlerweile herangekommen waren, den Ausſchlag geben ſollten. Aber der alte Graf wollte davon nichts wiſſen. „Das ſind Doktorfragen. Auf derlei Dinge laſſ' ich mich nicht ein. Ich ſchlage vor, wir machen lieber Kehrt und ſuchen uns im ‚Eierhäuschen‘ einen hübſchen Platz, von dem aus wir das Leben auf dem Fluß beobachten und hoffentlich auch den Sonnenuntergang gut ſehen können.“ Ziemlich um dieſelbe Stunde, wo die Barbyſchen und Berchtesgadenſchen Herrſchaften ihren Spaziergang auf Spindlersfelde zu machten, erſchien unſer Freund Mr. Robinſon, von ſeinem Stallgebäude her, in Front der Lennéſtraße, ſah erſt gewohnheitsmäßig nach dem Wetter und ging dann quer durch den Tiergarten auf das Kron¬ prinzenufer zu, wo die Immes ihn bereits erwarteten.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/190>, abgerufen am 21.11.2024.