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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Frau Imme, die, wie die meisten kinderlosen Frauen
(und Frauen mit Sappeurbartmännern sind fast immer
kinderlos), einen großen Wirtschafts- und Sauberkeitssinn
hatte, hatte zu Mr. Robinsons Empfang alles in die
schönste Ordnung gebracht, um so mehr, als sie wußte,
daß ihr Gast, als ein verwöhnter Engländer, immer der
Neigung nachgab, alles Deutsche, wenn auch nur an¬
deutungsweise, zu bemängeln. Es lag ihr daran, ihn
fühlen zu lassen, daß man's hier auch verstehe. So war
denn von ihr nicht bloß eine wundervolle Kaffeeserviette,
sondern auch eine silberne Zuckerdose mit Streußelkuchen¬
tellern links und rechts aufgestellt worden. Frau Imme
konnte das alles und noch mehr infolge der bevorzugten
Stellung, die sie von langer Zeit her bei den Barbys ein¬
nahm, zu denen sie schon als fünfzehnjähriges junges
Ding gekommen und in deren Dienst sie bis zu ihrer
Verheiratung geblieben war. Auch jetzt noch hingen beide
Damen an ihr, und mit Hilfe Lizzis, die, so diskret sie
war, doch gerne plauderte, war Frau Imme jederzeit
über alles unterrichtet, was im Vorderhause vorging.
Daß der Rittmeister sich für die Damen interessierte, wußte
sie natürlich wie jeder andre, nur nicht -- auch darin wie
jeder andre --, für welche.

Ja, für welche?

Das war die große Frage, selbst für Mr. Robinson,
der regelmäßig, wenn er die Immes sah, sich danach er¬
kundigte. Dazu kam es denn auch heute wieder und
zwar sehr bald nach seinem Eintreffen.

Eine große Familientasse mit einem in Front eines
Tempels den Bogen spannenden Amor war vor ihn
hingestellt worden, und als er dem Streußelkuchen (für
den er eine so große Vorliebe hatte, daß er regelmäßig
erklärte, sowas gäb' es in den vereinigten drei König¬
reichen nicht) -- als er dem Streußel liebevoll und doch
auch wieder maßvoll zugesprochen hatte, betrachtete er das

Frau Imme, die, wie die meiſten kinderloſen Frauen
(und Frauen mit Sappeurbartmännern ſind faſt immer
kinderlos), einen großen Wirtſchafts- und Sauberkeitsſinn
hatte, hatte zu Mr. Robinſons Empfang alles in die
ſchönſte Ordnung gebracht, um ſo mehr, als ſie wußte,
daß ihr Gaſt, als ein verwöhnter Engländer, immer der
Neigung nachgab, alles Deutſche, wenn auch nur an¬
deutungsweiſe, zu bemängeln. Es lag ihr daran, ihn
fühlen zu laſſen, daß man's hier auch verſtehe. So war
denn von ihr nicht bloß eine wundervolle Kaffeeſerviette,
ſondern auch eine ſilberne Zuckerdoſe mit Streußelkuchen¬
tellern links und rechts aufgeſtellt worden. Frau Imme
konnte das alles und noch mehr infolge der bevorzugten
Stellung, die ſie von langer Zeit her bei den Barbys ein¬
nahm, zu denen ſie ſchon als fünfzehnjähriges junges
Ding gekommen und in deren Dienſt ſie bis zu ihrer
Verheiratung geblieben war. Auch jetzt noch hingen beide
Damen an ihr, und mit Hilfe Lizzis, die, ſo diskret ſie
war, doch gerne plauderte, war Frau Imme jederzeit
über alles unterrichtet, was im Vorderhauſe vorging.
Daß der Rittmeiſter ſich für die Damen intereſſierte, wußte
ſie natürlich wie jeder andre, nur nicht — auch darin wie
jeder andre —, für welche.

Ja, für welche?

Das war die große Frage, ſelbſt für Mr. Robinſon,
der regelmäßig, wenn er die Immes ſah, ſich danach er¬
kundigte. Dazu kam es denn auch heute wieder und
zwar ſehr bald nach ſeinem Eintreffen.

Eine große Familientaſſe mit einem in Front eines
Tempels den Bogen ſpannenden Amor war vor ihn
hingeſtellt worden, und als er dem Streußelkuchen (für
den er eine ſo große Vorliebe hatte, daß er regelmäßig
erklärte, ſowas gäb' es in den vereinigten drei König¬
reichen nicht) — als er dem Streußel liebevoll und doch
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[184/0191] Frau Imme, die, wie die meiſten kinderloſen Frauen (und Frauen mit Sappeurbartmännern ſind faſt immer kinderlos), einen großen Wirtſchafts- und Sauberkeitsſinn hatte, hatte zu Mr. Robinſons Empfang alles in die ſchönſte Ordnung gebracht, um ſo mehr, als ſie wußte, daß ihr Gaſt, als ein verwöhnter Engländer, immer der Neigung nachgab, alles Deutſche, wenn auch nur an¬ deutungsweiſe, zu bemängeln. Es lag ihr daran, ihn fühlen zu laſſen, daß man's hier auch verſtehe. So war denn von ihr nicht bloß eine wundervolle Kaffeeſerviette, ſondern auch eine ſilberne Zuckerdoſe mit Streußelkuchen¬ tellern links und rechts aufgeſtellt worden. Frau Imme konnte das alles und noch mehr infolge der bevorzugten Stellung, die ſie von langer Zeit her bei den Barbys ein¬ nahm, zu denen ſie ſchon als fünfzehnjähriges junges Ding gekommen und in deren Dienſt ſie bis zu ihrer Verheiratung geblieben war. Auch jetzt noch hingen beide Damen an ihr, und mit Hilfe Lizzis, die, ſo diskret ſie war, doch gerne plauderte, war Frau Imme jederzeit über alles unterrichtet, was im Vorderhauſe vorging. Daß der Rittmeiſter ſich für die Damen intereſſierte, wußte ſie natürlich wie jeder andre, nur nicht — auch darin wie jeder andre —, für welche. Ja, für welche? Das war die große Frage, ſelbſt für Mr. Robinſon, der regelmäßig, wenn er die Immes ſah, ſich danach er¬ kundigte. Dazu kam es denn auch heute wieder und zwar ſehr bald nach ſeinem Eintreffen. Eine große Familientaſſe mit einem in Front eines Tempels den Bogen ſpannenden Amor war vor ihn hingeſtellt worden, und als er dem Streußelkuchen (für den er eine ſo große Vorliebe hatte, daß er regelmäßig erklärte, ſowas gäb' es in den vereinigten drei König¬ reichen nicht) — als er dem Streußel liebevoll und doch auch wieder maßvoll zugeſprochen hatte, betrachtete er das

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/191>, abgerufen am 21.11.2024.