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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Wer ist denn der hübsche Junge da, der da mit seinem
hoop spielt? Hier sagen sie Reifen."

"Das is ja Hartwigs Rudolf," sagte Frau Imme.
"Ja, der Junge hat viel Chic. Und wie er da mit dem
Reifen spielt und die Hedwig immer hinter ihm her, wie¬
wohl sie doch beinahe seine Mutter sein könnte. Na, ich
freue mich immer, wenn ich ausgelassene Menschen sehe,
und wenn Hartwig kommt -- ich wundere mich bloß,
daß er noch nicht da ist --, da können Sie ihm ja
sagen, wie hübsch Sie die verwöhnte kleine Range finden.
Das wird ihn freuen; er ist furchtbar eitel. Alle Portiers¬
leute sind eitel. Aber das muß wahr sein, es ist ein
reizender Junge."

Während sie noch so sprachen, erschien Hartwig, auf
den Imme, skatdurstig, schon seit einer Viertelstunde ge¬
wartet hatte, und keine drei Minuten mehr, so war auch
Hedwig da, die sich bis kurz vorher mit ihrem kleinen
Cousin Rudolf in dem Hof unten abgeäschert hatte. Beide
wurden mit gleicher Herzlichkeit empfangen, Hartwig, weil
nach seinem Erscheinen die Skatpartie beginnen konnte,
Hedwig, weil Frau Imme nun gute Gesellschaft hatte.
Denn Hedwig konnte wundervoll erzählen und brachte
jedesmal Neuigkeiten mit. Sie mochte vierundzwanzig
sein, war immer sehr sauber gekleidet und von heiter¬
übermütigem Gesichtsausdruck. Dazu krauses, kastanien¬
braunes Haar. Es traf sich, daß sie mal wieder außer
Dienst war.

"Nun, das ist recht, Hedwig, daß du kommst," sagte
Frau Imme. "Rudolfen hab' ich eben erst gefragt, wo
du geblieben wärst, denn ich habe dich ja mit ihm spielen
sehen; aber solch Junge weiß nie was; der denkt bloß
immer an sich, und ob er sein Stück Kuchen kriegt. Na,
wenn er kommt, er soll's haben; Robinson ißt immer so
wenig, wiewohl er den Streußel ungeheuer gern mag.
Aber so sind die Engländer, sie sind nicht so zugreifsch,

„Wer iſt denn der hübſche Junge da, der da mit ſeinem
hoop ſpielt? Hier ſagen ſie Reifen.“

„Das is ja Hartwigs Rudolf,“ ſagte Frau Imme.
„Ja, der Junge hat viel Chic. Und wie er da mit dem
Reifen ſpielt und die Hedwig immer hinter ihm her, wie¬
wohl ſie doch beinahe ſeine Mutter ſein könnte. Na, ich
freue mich immer, wenn ich ausgelaſſene Menſchen ſehe,
und wenn Hartwig kommt — ich wundere mich bloß,
daß er noch nicht da iſt —, da können Sie ihm ja
ſagen, wie hübſch Sie die verwöhnte kleine Range finden.
Das wird ihn freuen; er iſt furchtbar eitel. Alle Portiers¬
leute ſind eitel. Aber das muß wahr ſein, es iſt ein
reizender Junge.“

Während ſie noch ſo ſprachen, erſchien Hartwig, auf
den Imme, ſkatdurſtig, ſchon ſeit einer Viertelſtunde ge¬
wartet hatte, und keine drei Minuten mehr, ſo war auch
Hedwig da, die ſich bis kurz vorher mit ihrem kleinen
Couſin Rudolf in dem Hof unten abgeäſchert hatte. Beide
wurden mit gleicher Herzlichkeit empfangen, Hartwig, weil
nach ſeinem Erſcheinen die Skatpartie beginnen konnte,
Hedwig, weil Frau Imme nun gute Geſellſchaft hatte.
Denn Hedwig konnte wundervoll erzählen und brachte
jedesmal Neuigkeiten mit. Sie mochte vierundzwanzig
ſein, war immer ſehr ſauber gekleidet und von heiter¬
übermütigem Geſichtsausdruck. Dazu krauſes, kaſtanien¬
braunes Haar. Es traf ſich, daß ſie mal wieder außer
Dienſt war.

„Nun, das iſt recht, Hedwig, daß du kommſt,“ ſagte
Frau Imme. „Rudolfen hab' ich eben erſt gefragt, wo
du geblieben wärſt, denn ich habe dich ja mit ihm ſpielen
ſehen; aber ſolch Junge weiß nie was; der denkt bloß
immer an ſich, und ob er ſein Stück Kuchen kriegt. Na,
wenn er kommt, er ſoll's haben; Robinſon ißt immer ſo
wenig, wiewohl er den Streußel ungeheuer gern mag.
Aber ſo ſind die Engländer, ſie ſind nicht ſo zugreifſch,

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[186/0193] „Wer iſt denn der hübſche Junge da, der da mit ſeinem hoop ſpielt? Hier ſagen ſie Reifen.“ „Das is ja Hartwigs Rudolf,“ ſagte Frau Imme. „Ja, der Junge hat viel Chic. Und wie er da mit dem Reifen ſpielt und die Hedwig immer hinter ihm her, wie¬ wohl ſie doch beinahe ſeine Mutter ſein könnte. Na, ich freue mich immer, wenn ich ausgelaſſene Menſchen ſehe, und wenn Hartwig kommt — ich wundere mich bloß, daß er noch nicht da iſt —, da können Sie ihm ja ſagen, wie hübſch Sie die verwöhnte kleine Range finden. Das wird ihn freuen; er iſt furchtbar eitel. Alle Portiers¬ leute ſind eitel. Aber das muß wahr ſein, es iſt ein reizender Junge.“ Während ſie noch ſo ſprachen, erſchien Hartwig, auf den Imme, ſkatdurſtig, ſchon ſeit einer Viertelſtunde ge¬ wartet hatte, und keine drei Minuten mehr, ſo war auch Hedwig da, die ſich bis kurz vorher mit ihrem kleinen Couſin Rudolf in dem Hof unten abgeäſchert hatte. Beide wurden mit gleicher Herzlichkeit empfangen, Hartwig, weil nach ſeinem Erſcheinen die Skatpartie beginnen konnte, Hedwig, weil Frau Imme nun gute Geſellſchaft hatte. Denn Hedwig konnte wundervoll erzählen und brachte jedesmal Neuigkeiten mit. Sie mochte vierundzwanzig ſein, war immer ſehr ſauber gekleidet und von heiter¬ übermütigem Geſichtsausdruck. Dazu krauſes, kaſtanien¬ braunes Haar. Es traf ſich, daß ſie mal wieder außer Dienſt war. „Nun, das iſt recht, Hedwig, daß du kommſt,“ ſagte Frau Imme. „Rudolfen hab' ich eben erſt gefragt, wo du geblieben wärſt, denn ich habe dich ja mit ihm ſpielen ſehen; aber ſolch Junge weiß nie was; der denkt bloß immer an ſich, und ob er ſein Stück Kuchen kriegt. Na, wenn er kommt, er ſoll's haben; Robinſon ißt immer ſo wenig, wiewohl er den Streußel ungeheuer gern mag. Aber ſo ſind die Engländer, ſie ſind nicht ſo zugreifſch,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/193>, abgerufen am 21.11.2024.