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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Ich persönlich finde jedoch das Temperierte besser. Aber
ich bitte, bestimmen zu wollen, Herr Superintendent."

"Temperiert. Mir aus der Seele gesprochen. Also
wir bleiben, wo wir sind ... Aber sagen Sie mir,
Lorenzen, wer war das entzückende Geschöpf? Wie ein
Bild von Knaus. Halb Prinzeß, halb Rotkäppchen.
Wie alt ist sie denn?"

"Siebzehn. Eine Nichte meiner guten Frau Kulicke."

"Siebzehn. Ach, Lorenzen, wie Sie zu beneiden
sind. Immer solche Menschenblüte zu sehn. Und sieb¬
zehn, sagen Sie. Ja, das ist das Eigentliche. Sechzehn hat
noch ein bißchen von der Eierschale, noch ein bißchen den
Einsegnungscharakter, und achtzehn ist schon wieder all¬
täglich. Achtzehn kann jeder sein. Aber siebzehn. Ein
wunderbarer Mittelzustand. Und wie heißt sie?"

"Elfriede."

"Auch das noch."

Lorenzen wiegte den Kopf und lächelte.

"Ja, Sie lächeln, Lorenzen, und wissen nicht, wie
gut Sie's haben in dieser Ihrer Waldpfarre. Was ich
hier sehe, heimelt mich an, das ganze Dorf, alles.
Wenn ich mir da beispielsweise den Tisch wieder ver¬
gegenwärtige, dran wir, drüben im Krug, vor einer
halben Stunde gesessen haben, an der linken Seite dieser
Krippenstapel (er sei wie er sei) und an der rechten
Seite dieser Rolf Krake. Das sind ja doch lauter Größen.
Denn das Groteske hat eben auch seine Größen und
nicht die Schlechtesten. Und dazu dieser Katzler mit
seiner Ermyntrud. All das haben Sie dicht um sich
her und dazu dies Kind, diese Elfriede, die hoffentlich
nicht Kulicke heißt. -- sonst bricht freilich mein ganzes
Begeisterungsgebäude wieder zusammen. Und nun
nehmen Sie mich, Ihren Superintendenten, das große
Kirchenlicht dieser Gegenden! Alles nackte Prosa, wider¬
haarige Kollegen und Amtsbrüder, die mir nicht ver¬

Ich perſönlich finde jedoch das Temperierte beſſer. Aber
ich bitte, beſtimmen zu wollen, Herr Superintendent.“

„Temperiert. Mir aus der Seele geſprochen. Alſo
wir bleiben, wo wir ſind ... Aber ſagen Sie mir,
Lorenzen, wer war das entzückende Geſchöpf? Wie ein
Bild von Knaus. Halb Prinzeß, halb Rotkäppchen.
Wie alt iſt ſie denn?“

„Siebzehn. Eine Nichte meiner guten Frau Kulicke.“

„Siebzehn. Ach, Lorenzen, wie Sie zu beneiden
ſind. Immer ſolche Menſchenblüte zu ſehn. Und ſieb¬
zehn, ſagen Sie. Ja, das iſt das Eigentliche. Sechzehn hat
noch ein bißchen von der Eierſchale, noch ein bißchen den
Einſegnungscharakter, und achtzehn iſt ſchon wieder all¬
täglich. Achtzehn kann jeder ſein. Aber ſiebzehn. Ein
wunderbarer Mittelzuſtand. Und wie heißt ſie?“

„Elfriede.“

„Auch das noch.“

Lorenzen wiegte den Kopf und lächelte.

„Ja, Sie lächeln, Lorenzen, und wiſſen nicht, wie
gut Sie's haben in dieſer Ihrer Waldpfarre. Was ich
hier ſehe, heimelt mich an, das ganze Dorf, alles.
Wenn ich mir da beiſpielsweiſe den Tiſch wieder ver¬
gegenwärtige, dran wir, drüben im Krug, vor einer
halben Stunde geſeſſen haben, an der linken Seite dieſer
Krippenſtapel (er ſei wie er ſei) und an der rechten
Seite dieſer Rolf Krake. Das ſind ja doch lauter Größen.
Denn das Groteske hat eben auch ſeine Größen und
nicht die Schlechteſten. Und dazu dieſer Katzler mit
ſeiner Ermyntrud. All das haben Sie dicht um ſich
her und dazu dies Kind, dieſe Elfriede, die hoffentlich
nicht Kulicke heißt. — ſonſt bricht freilich mein ganzes
Begeiſterungsgebäude wieder zuſammen. Und nun
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Kirchenlicht dieſer Gegenden! Alles nackte Proſa, wider¬
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[222/0229] Ich perſönlich finde jedoch das Temperierte beſſer. Aber ich bitte, beſtimmen zu wollen, Herr Superintendent.“ „Temperiert. Mir aus der Seele geſprochen. Alſo wir bleiben, wo wir ſind ... Aber ſagen Sie mir, Lorenzen, wer war das entzückende Geſchöpf? Wie ein Bild von Knaus. Halb Prinzeß, halb Rotkäppchen. Wie alt iſt ſie denn?“ „Siebzehn. Eine Nichte meiner guten Frau Kulicke.“ „Siebzehn. Ach, Lorenzen, wie Sie zu beneiden ſind. Immer ſolche Menſchenblüte zu ſehn. Und ſieb¬ zehn, ſagen Sie. Ja, das iſt das Eigentliche. Sechzehn hat noch ein bißchen von der Eierſchale, noch ein bißchen den Einſegnungscharakter, und achtzehn iſt ſchon wieder all¬ täglich. Achtzehn kann jeder ſein. Aber ſiebzehn. Ein wunderbarer Mittelzuſtand. Und wie heißt ſie?“ „Elfriede.“ „Auch das noch.“ Lorenzen wiegte den Kopf und lächelte. „Ja, Sie lächeln, Lorenzen, und wiſſen nicht, wie gut Sie's haben in dieſer Ihrer Waldpfarre. Was ich hier ſehe, heimelt mich an, das ganze Dorf, alles. Wenn ich mir da beiſpielsweiſe den Tiſch wieder ver¬ gegenwärtige, dran wir, drüben im Krug, vor einer halben Stunde geſeſſen haben, an der linken Seite dieſer Krippenſtapel (er ſei wie er ſei) und an der rechten Seite dieſer Rolf Krake. Das ſind ja doch lauter Größen. Denn das Groteske hat eben auch ſeine Größen und nicht die Schlechteſten. Und dazu dieſer Katzler mit ſeiner Ermyntrud. All das haben Sie dicht um ſich her und dazu dies Kind, dieſe Elfriede, die hoffentlich nicht Kulicke heißt. — ſonſt bricht freilich mein ganzes Begeiſterungsgebäude wieder zuſammen. Und nun nehmen Sie mich, Ihren Superintendenten, das große Kirchenlicht dieſer Gegenden! Alles nackte Proſa, wider¬ haarige Kollegen und Amtsbrüder, die mir nicht ver¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/229>, abgerufen am 24.11.2024.