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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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trud nicht zufrieden; sie verlangt ihrer Natur nach zu
dem Dynastisch-Genealogischen auch noch etwas poetisch
Märchenhaftes. Und das kompliziert die Sache ganz
erheblich. Sie können das sehen, wenn Sie die Katz¬
lersche Kinderstube durchmustern oder sich die Namen der
bisher Getauften ins Gedächtnis zurückrufen. Die Katz¬
lersche Kronprinzeß heißt natürlich auch Ermyntrud, Und
dann kommen ebenso selbstverständlich Dagmar und
Thyra. Und danach begegnen wir einer Inez und einer
Maud und zuletzt einer Arabella. Aber bei Arabella
können Sie schon deutlich eine gewisse Verlegenheit wahr¬
nehmen. Ich würde ihr, wenn sie sich wegen des Jüngst¬
geborenen an mich wendete, was Altjüdisches vorschlagen;
das ist schließlich immer das beste. Was meinen Sie
zu Rebekka?"

Lorenzen kam nicht mehr dazu. Dubslav diese Frage
zu beantworten, denn eben jetzt waren sie durch das
Stück Bruchland hindurch und rasselten bereits über
einen ein weiteres Gespräch unmöglich machenden Stein¬
damm weg, scharf auf Rheinsberg zu.


Dubslav war in ausgezeichneter Laune. Das
prachtvolle Herbstwetter, dazu das bunte Leben, alles
hatte seine Stimmung gehoben, am meisten aber, daß
er unterwegs und beim Passieren der Hauptstraße bereits
Gelegenheit gehabt hatte, verschiedene gute Freunde zu
begrüßen. Von der Kirche her schlug es zehn, als er
vor dem als Wahllokal etablierten Gasthause "Zum
Prinzregenten" hielt, in dessen Front denn auch bereits
etliche mehr oder weniger verwogen aussehende Wahl¬
männer standen, alle bemüht, ihre Zettel an mutma߬
liche Parteigenossen auszuteilen.

trud nicht zufrieden; ſie verlangt ihrer Natur nach zu
dem Dynaſtiſch-Genealogiſchen auch noch etwas poetiſch
Märchenhaftes. Und das kompliziert die Sache ganz
erheblich. Sie können das ſehen, wenn Sie die Katz¬
lerſche Kinderſtube durchmuſtern oder ſich die Namen der
bisher Getauften ins Gedächtnis zurückrufen. Die Katz¬
lerſche Kronprinzeß heißt natürlich auch Ermyntrud, Und
dann kommen ebenſo ſelbſtverſtändlich Dagmar und
Thyra. Und danach begegnen wir einer Inez und einer
Maud und zuletzt einer Arabella. Aber bei Arabella
können Sie ſchon deutlich eine gewiſſe Verlegenheit wahr¬
nehmen. Ich würde ihr, wenn ſie ſich wegen des Jüngſt¬
geborenen an mich wendete, was Altjüdiſches vorſchlagen;
das iſt ſchließlich immer das beſte. Was meinen Sie
zu Rebekka?“

Lorenzen kam nicht mehr dazu. Dubslav dieſe Frage
zu beantworten, denn eben jetzt waren ſie durch das
Stück Bruchland hindurch und raſſelten bereits über
einen ein weiteres Geſpräch unmöglich machenden Stein¬
damm weg, ſcharf auf Rheinsberg zu.


Dubslav war in ausgezeichneter Laune. Das
prachtvolle Herbſtwetter, dazu das bunte Leben, alles
hatte ſeine Stimmung gehoben, am meiſten aber, daß
er unterwegs und beim Paſſieren der Hauptſtraße bereits
Gelegenheit gehabt hatte, verſchiedene gute Freunde zu
begrüßen. Von der Kirche her ſchlug es zehn, als er
vor dem als Wahllokal etablierten Gaſthauſe „Zum
Prinzregenten“ hielt, in deſſen Front denn auch bereits
etliche mehr oder weniger verwogen ausſehende Wahl¬
männer ſtanden, alle bemüht, ihre Zettel an mutma߬
liche Parteigenoſſen auszuteilen.

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[236/0243] trud nicht zufrieden; ſie verlangt ihrer Natur nach zu dem Dynaſtiſch-Genealogiſchen auch noch etwas poetiſch Märchenhaftes. Und das kompliziert die Sache ganz erheblich. Sie können das ſehen, wenn Sie die Katz¬ lerſche Kinderſtube durchmuſtern oder ſich die Namen der bisher Getauften ins Gedächtnis zurückrufen. Die Katz¬ lerſche Kronprinzeß heißt natürlich auch Ermyntrud, Und dann kommen ebenſo ſelbſtverſtändlich Dagmar und Thyra. Und danach begegnen wir einer Inez und einer Maud und zuletzt einer Arabella. Aber bei Arabella können Sie ſchon deutlich eine gewiſſe Verlegenheit wahr¬ nehmen. Ich würde ihr, wenn ſie ſich wegen des Jüngſt¬ geborenen an mich wendete, was Altjüdiſches vorſchlagen; das iſt ſchließlich immer das beſte. Was meinen Sie zu Rebekka?“ Lorenzen kam nicht mehr dazu. Dubslav dieſe Frage zu beantworten, denn eben jetzt waren ſie durch das Stück Bruchland hindurch und raſſelten bereits über einen ein weiteres Geſpräch unmöglich machenden Stein¬ damm weg, ſcharf auf Rheinsberg zu. Dubslav war in ausgezeichneter Laune. Das prachtvolle Herbſtwetter, dazu das bunte Leben, alles hatte ſeine Stimmung gehoben, am meiſten aber, daß er unterwegs und beim Paſſieren der Hauptſtraße bereits Gelegenheit gehabt hatte, verſchiedene gute Freunde zu begrüßen. Von der Kirche her ſchlug es zehn, als er vor dem als Wahllokal etablierten Gaſthauſe „Zum Prinzregenten“ hielt, in deſſen Front denn auch bereits etliche mehr oder weniger verwogen ausſehende Wahl¬ männer ſtanden, alle bemüht, ihre Zettel an mutma߬ liche Parteigenoſſen auszuteilen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/243>, abgerufen am 21.11.2024.