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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sich Forst- und Steuerbeamte, Rentmeister, Prediger
und Gymnasiallehrer. An der Spitze dieser stand Rektor
Thormeyer aus Rheinsberg, der große, vorstehende
Augen, ein mächtiges Doppelkinn, noch mächtiger als
Koseleger, und außerdem ein Renommee wegen seiner
Geschichten hatte. Daß er nebenher auch ein in der
Wolle gefärbter Konservativer war, versteht sich von
selbst. Er hatte, was aber schon Jahrzehnte zurücklag,
den großartigen Gedanken gefaßt und verwirklicht: die
ostelbischen Provinzen, da, wo sie strauchelten, durch
Gustav Kühnsche Bilderbogen auf den richtigen Pfad
zurückzuführen, und war dafür dekoriert worden. Es
hieß denn auch von ihm, "er gälte was nach oben hin",
was aber nicht recht zutraf. Man kannte ihn "oben"
ganz gut.

Um halb sieben (Lichter und Kronleuchter brannten
bereits) war man unter den Klängen des Tannhäuser¬
marsches die hie und da schon ausgelaufene Treppe
hinaufgestiegen. Unmittelbar vorher hatte noch ein
Schwanken wegen des Präsidiums bei Tafel stattge¬
funden. Einige waren für Dubslav gewesen, weil man
sich von ihm etwas Anregendes versprach, auch speziell
mit Rücksicht auf die Situation. Aber die Majorität
hatte doch schließlich Dubslavs Vorsitz als ganz un¬
denkbar abgelehnt, da der Edle Herr von Alten-Friesack,
trotz seiner hohen Jahre, mit zur Wahl gekommen war;
der Edle Herr von Alten-Friesack, so hieß es, sei doch
nun mal -- und von einem gewissen Standpunkt aus
auch mit Fug und Recht -- der Stolz der Grafschaft,
überhaupt ein Unikum, und ob er nun sprechen könne
oder nicht, das sei, wo sich's um eine Prinzipienfrage
handle, durchaus gleichgültig. Überhaupt, die ganze
Geschichte mit dem "Sprechen-können" sei ein moderner
Unsinn. Die einfache Thatsache, daß der Alte von
Alten-Friesack da säße, sei viel, viel wichtiger als eine

ſich Forſt- und Steuerbeamte, Rentmeiſter, Prediger
und Gymnaſiallehrer. An der Spitze dieſer ſtand Rektor
Thormeyer aus Rheinsberg, der große, vorſtehende
Augen, ein mächtiges Doppelkinn, noch mächtiger als
Koſeleger, und außerdem ein Renommee wegen ſeiner
Geſchichten hatte. Daß er nebenher auch ein in der
Wolle gefärbter Konſervativer war, verſteht ſich von
ſelbſt. Er hatte, was aber ſchon Jahrzehnte zurücklag,
den großartigen Gedanken gefaßt und verwirklicht: die
oſtelbiſchen Provinzen, da, wo ſie ſtrauchelten, durch
Guſtav Kühnſche Bilderbogen auf den richtigen Pfad
zurückzuführen, und war dafür dekoriert worden. Es
hieß denn auch von ihm, „er gälte was nach oben hin“,
was aber nicht recht zutraf. Man kannte ihn „oben“
ganz gut.

Um halb ſieben (Lichter und Kronleuchter brannten
bereits) war man unter den Klängen des Tannhäuſer¬
marſches die hie und da ſchon ausgelaufene Treppe
hinaufgeſtiegen. Unmittelbar vorher hatte noch ein
Schwanken wegen des Präſidiums bei Tafel ſtattge¬
funden. Einige waren für Dubslav geweſen, weil man
ſich von ihm etwas Anregendes verſprach, auch ſpeziell
mit Rückſicht auf die Situation. Aber die Majorität
hatte doch ſchließlich Dubslavs Vorſitz als ganz un¬
denkbar abgelehnt, da der Edle Herr von Alten-Frieſack,
trotz ſeiner hohen Jahre, mit zur Wahl gekommen war;
der Edle Herr von Alten-Frieſack, ſo hieß es, ſei doch
nun mal — und von einem gewiſſen Standpunkt aus
auch mit Fug und Recht — der Stolz der Grafſchaft,
überhaupt ein Unikum, und ob er nun ſprechen könne
oder nicht, das ſei, wo ſich's um eine Prinzipienfrage
handle, durchaus gleichgültig. Überhaupt, die ganze
Geſchichte mit dem „Sprechen-können“ ſei ein moderner
Unſinn. Die einfache Thatſache, daß der Alte von
Alten-Frieſack da ſäße, ſei viel, viel wichtiger als eine

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[247/0254] ſich Forſt- und Steuerbeamte, Rentmeiſter, Prediger und Gymnaſiallehrer. An der Spitze dieſer ſtand Rektor Thormeyer aus Rheinsberg, der große, vorſtehende Augen, ein mächtiges Doppelkinn, noch mächtiger als Koſeleger, und außerdem ein Renommee wegen ſeiner Geſchichten hatte. Daß er nebenher auch ein in der Wolle gefärbter Konſervativer war, verſteht ſich von ſelbſt. Er hatte, was aber ſchon Jahrzehnte zurücklag, den großartigen Gedanken gefaßt und verwirklicht: die oſtelbiſchen Provinzen, da, wo ſie ſtrauchelten, durch Guſtav Kühnſche Bilderbogen auf den richtigen Pfad zurückzuführen, und war dafür dekoriert worden. Es hieß denn auch von ihm, „er gälte was nach oben hin“, was aber nicht recht zutraf. Man kannte ihn „oben“ ganz gut. Um halb ſieben (Lichter und Kronleuchter brannten bereits) war man unter den Klängen des Tannhäuſer¬ marſches die hie und da ſchon ausgelaufene Treppe hinaufgeſtiegen. Unmittelbar vorher hatte noch ein Schwanken wegen des Präſidiums bei Tafel ſtattge¬ funden. Einige waren für Dubslav geweſen, weil man ſich von ihm etwas Anregendes verſprach, auch ſpeziell mit Rückſicht auf die Situation. Aber die Majorität hatte doch ſchließlich Dubslavs Vorſitz als ganz un¬ denkbar abgelehnt, da der Edle Herr von Alten-Frieſack, trotz ſeiner hohen Jahre, mit zur Wahl gekommen war; der Edle Herr von Alten-Frieſack, ſo hieß es, ſei doch nun mal — und von einem gewiſſen Standpunkt aus auch mit Fug und Recht — der Stolz der Grafſchaft, überhaupt ein Unikum, und ob er nun ſprechen könne oder nicht, das ſei, wo ſich's um eine Prinzipienfrage handle, durchaus gleichgültig. Überhaupt, die ganze Geſchichte mit dem „Sprechen-können“ ſei ein moderner Unſinn. Die einfache Thatſache, daß der Alte von Alten-Frieſack da ſäße, ſei viel, viel wichtiger als eine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/254>, abgerufen am 22.11.2024.