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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sprachen im Verlaufe dieser Zeit Rex und Czako bei
den Barbys vor. Freilich immer nur einzeln. Verab¬
redungen zu gemeinschaftlichem Besuche waren zwar mehr¬
fach eingeleitet worden, aber jedesmal erfolglos, und
erst zwei Tage vor Woldemars Rückkehr fügte es sich,
daß sich die beiden Freunde bei den Barbys trafen. Es
war ein ganz besonders gelungener Abend, da neben
der Baronin Berchtesgaden und Dr. Wrschowitz auch ein
alter Malerprofessor (eine neue Bekanntschaft des Hauses)
zugegen war, was eine sehr belebte Konversation herbei¬
führte. Besonders der neben seinen andern Apartheiten
auch durch langes weißes Haar und große Leuchte-Augen
ausgezeichnete Professor, hatte, -- gestützt auf einen un¬
entwegten Peter Cornelius-Enthusiasmus, -- alles hin¬
zureißen gewußt. "Ich bin glücklich, noch die Tage dieses
großen und einzig dastehenden Künstlers gesehen zu haben.
Sie kennen seine Kartons, die mir das Bedeutendste
scheinen, was wir überhaupt hier haben. Auf dem einen
Karton steht im Vordergrund ein Tubabläser und setzt
das Horn an den Mund, um zu Gericht zu rufen. Diese
eine Gestalt balanciert fünf Kunstausstellungen, will also
sagen netto 15000 Bilder. Und eben diese Kartons,
samt dem Bläser zum Gericht, die wollen sie jetzt fort¬
schaffen und sagen dabei in naiver Effronterie, solch
schwarzes Zeug mit Kohlenstrichen dürfe überhaupt nicht
so viel Raum einnehmen. Ich aber sage Ihnen, meine
Herrschaften, ein Kohlenstrich von Cornelius ist mehr
wert als alle modernen Paletten zusammengenommen,
und die Tuba, die dieser Tubabläser da an den Mund
setzt -- verzeihen Sie mir altem Jüngling diesen Ka¬
lauer --, diese Tuba wiegt alle Tuben auf, aus denen
sie jetzt ihre Farben herausdrücken. Beiläufig auch eine
miserable Neuerung. Zu meiner Zeit gab es noch Beutel,
und diese Beutel aus Schweinsblase waren viel besser.
Ein wahres Glück, daß König Friedrich Wilhelm IV.

ſprachen im Verlaufe dieſer Zeit Rex und Czako bei
den Barbys vor. Freilich immer nur einzeln. Verab¬
redungen zu gemeinſchaftlichem Beſuche waren zwar mehr¬
fach eingeleitet worden, aber jedesmal erfolglos, und
erſt zwei Tage vor Woldemars Rückkehr fügte es ſich,
daß ſich die beiden Freunde bei den Barbys trafen. Es
war ein ganz beſonders gelungener Abend, da neben
der Baronin Berchtesgaden und Dr. Wrſchowitz auch ein
alter Malerprofeſſor (eine neue Bekanntſchaft des Hauſes)
zugegen war, was eine ſehr belebte Konverſation herbei¬
führte. Beſonders der neben ſeinen andern Apartheiten
auch durch langes weißes Haar und große Leuchte-Augen
ausgezeichnete Profeſſor, hatte, — geſtützt auf einen un¬
entwegten Peter Cornelius-Enthuſiasmus, — alles hin¬
zureißen gewußt. „Ich bin glücklich, noch die Tage dieſes
großen und einzig daſtehenden Künſtlers geſehen zu haben.
Sie kennen ſeine Kartons, die mir das Bedeutendſte
ſcheinen, was wir überhaupt hier haben. Auf dem einen
Karton ſteht im Vordergrund ein Tubabläſer und ſetzt
das Horn an den Mund, um zu Gericht zu rufen. Dieſe
eine Geſtalt balanciert fünf Kunſtausſtellungen, will alſo
ſagen netto 15000 Bilder. Und eben dieſe Kartons,
ſamt dem Bläſer zum Gericht, die wollen ſie jetzt fort¬
ſchaffen und ſagen dabei in naiver Effronterie, ſolch
ſchwarzes Zeug mit Kohlenſtrichen dürfe überhaupt nicht
ſo viel Raum einnehmen. Ich aber ſage Ihnen, meine
Herrſchaften, ein Kohlenſtrich von Cornelius iſt mehr
wert als alle modernen Paletten zuſammengenommen,
und die Tuba, die dieſer Tubabläſer da an den Mund
ſetzt — verzeihen Sie mir altem Jüngling dieſen Ka¬
lauer —, dieſe Tuba wiegt alle Tuben auf, aus denen
ſie jetzt ihre Farben herausdrücken. Beiläufig auch eine
miſerable Neuerung. Zu meiner Zeit gab es noch Beutel,
und dieſe Beutel aus Schweinsblaſe waren viel beſſer.
Ein wahres Glück, daß König Friedrich Wilhelm IV.

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[267/0274] ſprachen im Verlaufe dieſer Zeit Rex und Czako bei den Barbys vor. Freilich immer nur einzeln. Verab¬ redungen zu gemeinſchaftlichem Beſuche waren zwar mehr¬ fach eingeleitet worden, aber jedesmal erfolglos, und erſt zwei Tage vor Woldemars Rückkehr fügte es ſich, daß ſich die beiden Freunde bei den Barbys trafen. Es war ein ganz beſonders gelungener Abend, da neben der Baronin Berchtesgaden und Dr. Wrſchowitz auch ein alter Malerprofeſſor (eine neue Bekanntſchaft des Hauſes) zugegen war, was eine ſehr belebte Konverſation herbei¬ führte. Beſonders der neben ſeinen andern Apartheiten auch durch langes weißes Haar und große Leuchte-Augen ausgezeichnete Profeſſor, hatte, — geſtützt auf einen un¬ entwegten Peter Cornelius-Enthuſiasmus, — alles hin¬ zureißen gewußt. „Ich bin glücklich, noch die Tage dieſes großen und einzig daſtehenden Künſtlers geſehen zu haben. Sie kennen ſeine Kartons, die mir das Bedeutendſte ſcheinen, was wir überhaupt hier haben. Auf dem einen Karton ſteht im Vordergrund ein Tubabläſer und ſetzt das Horn an den Mund, um zu Gericht zu rufen. Dieſe eine Geſtalt balanciert fünf Kunſtausſtellungen, will alſo ſagen netto 15000 Bilder. Und eben dieſe Kartons, ſamt dem Bläſer zum Gericht, die wollen ſie jetzt fort¬ ſchaffen und ſagen dabei in naiver Effronterie, ſolch ſchwarzes Zeug mit Kohlenſtrichen dürfe überhaupt nicht ſo viel Raum einnehmen. Ich aber ſage Ihnen, meine Herrſchaften, ein Kohlenſtrich von Cornelius iſt mehr wert als alle modernen Paletten zuſammengenommen, und die Tuba, die dieſer Tubabläſer da an den Mund ſetzt — verzeihen Sie mir altem Jüngling dieſen Ka¬ lauer —, dieſe Tuba wiegt alle Tuben auf, aus denen ſie jetzt ihre Farben herausdrücken. Beiläufig auch eine miſerable Neuerung. Zu meiner Zeit gab es noch Beutel, und dieſe Beutel aus Schweinsblaſe waren viel beſſer. Ein wahres Glück, daß König Friedrich Wilhelm IV.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 267. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/274>, abgerufen am 22.11.2024.