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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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diese jetzt etablierte Niedergangsepoche nicht mehr erlebt
hat, diese Zeit des Abfalls, so recht eigentlich eine Zeit
der apokalyptischen Reiter. Bloß zu den dreien, die der
große Meister uns da geschaffen hat, ist heutzutage noch
ein vierter Reiter gekommen, ein Mischling von Neid
und Ungeschmack. Und dieser vierte sichelt am stärksten."

Alles nickte, selbst die, die nicht ganz so dachten,
denn der Alte mit seinem Apostelkopfe hatte ganz wie
ein Prophet gesprochen. Nur Melusine blieb in einer
stillen Opposition und flüsterte der Baronin zu: "Tuba¬
bläser. Mir persönlich ist die Böcklinsche Meerfrau mit
dem Fischleib lieber. Ich bin freilich Partei."


Die Abende bei den Barbys schlossen immer zu
früher Stunde. So war es auch heute wieder. Es
schlug eben erst zehn, als Rex und Czako auf die Straße
hinaustraten und drüben an dem langgestreckten Ufer
Tausende von Lichtern vor sich hatten, von denen die
vordersten sich im Wasser spiegelten.

"Ich möchte wohl noch einen Spaziergang machen,"
sagte Czako. "Was meinen Sie, Rex? Sind Sie mit
dabei? Wir gehen hier am Ufer entlang, an den Zelten
vorüber bis Bellevue, und da steigen wir in die Stadt¬
bahn und fahren zurück, Sie bis an die Friedrichsstraße,
ich bis an den Alexanderplatz. Da ist jeder von uns
in drei Minuten zu Haus."

Rex war einverstanden. "Ein wahres Glück," sagte
er, "daß wir uns endlich mal getroffen haben. Seit
fast drei Wochen kennen wir nun das Haus und haben
noch keine Aussprache darüber gehabt. Und das ist doch
immer die Hauptsache. Für Sie gewiß."

"Ja, Rex, das ,für Sie gewiß', das sagen Sie
so spöttisch und überheblich, weil Sie glauben, Klatschen

dieſe jetzt etablierte Niedergangsepoche nicht mehr erlebt
hat, dieſe Zeit des Abfalls, ſo recht eigentlich eine Zeit
der apokalyptiſchen Reiter. Bloß zu den dreien, die der
große Meiſter uns da geſchaffen hat, iſt heutzutage noch
ein vierter Reiter gekommen, ein Miſchling von Neid
und Ungeſchmack. Und dieſer vierte ſichelt am ſtärkſten.“

Alles nickte, ſelbſt die, die nicht ganz ſo dachten,
denn der Alte mit ſeinem Apoſtelkopfe hatte ganz wie
ein Prophet geſprochen. Nur Meluſine blieb in einer
ſtillen Oppoſition und flüſterte der Baronin zu: „Tuba¬
bläſer. Mir perſönlich iſt die Böcklinſche Meerfrau mit
dem Fiſchleib lieber. Ich bin freilich Partei.“


Die Abende bei den Barbys ſchloſſen immer zu
früher Stunde. So war es auch heute wieder. Es
ſchlug eben erſt zehn, als Rex und Czako auf die Straße
hinaustraten und drüben an dem langgeſtreckten Ufer
Tauſende von Lichtern vor ſich hatten, von denen die
vorderſten ſich im Waſſer ſpiegelten.

„Ich möchte wohl noch einen Spaziergang machen,“
ſagte Czako. „Was meinen Sie, Rex? Sind Sie mit
dabei? Wir gehen hier am Ufer entlang, an den Zelten
vorüber bis Bellevue, und da ſteigen wir in die Stadt¬
bahn und fahren zurück, Sie bis an die Friedrichsſtraße,
ich bis an den Alexanderplatz. Da iſt jeder von uns
in drei Minuten zu Haus.“

Rex war einverſtanden. „Ein wahres Glück,“ ſagte
er, „daß wir uns endlich mal getroffen haben. Seit
faſt drei Wochen kennen wir nun das Haus und haben
noch keine Ausſprache darüber gehabt. Und das iſt doch
immer die Hauptſache. Für Sie gewiß.“

„Ja, Rex, das ‚für Sie gewiß‘, das ſagen Sie
ſo ſpöttiſch und überheblich, weil Sie glauben, Klatſchen

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[268/0275] dieſe jetzt etablierte Niedergangsepoche nicht mehr erlebt hat, dieſe Zeit des Abfalls, ſo recht eigentlich eine Zeit der apokalyptiſchen Reiter. Bloß zu den dreien, die der große Meiſter uns da geſchaffen hat, iſt heutzutage noch ein vierter Reiter gekommen, ein Miſchling von Neid und Ungeſchmack. Und dieſer vierte ſichelt am ſtärkſten.“ Alles nickte, ſelbſt die, die nicht ganz ſo dachten, denn der Alte mit ſeinem Apoſtelkopfe hatte ganz wie ein Prophet geſprochen. Nur Meluſine blieb in einer ſtillen Oppoſition und flüſterte der Baronin zu: „Tuba¬ bläſer. Mir perſönlich iſt die Böcklinſche Meerfrau mit dem Fiſchleib lieber. Ich bin freilich Partei.“ Die Abende bei den Barbys ſchloſſen immer zu früher Stunde. So war es auch heute wieder. Es ſchlug eben erſt zehn, als Rex und Czako auf die Straße hinaustraten und drüben an dem langgeſtreckten Ufer Tauſende von Lichtern vor ſich hatten, von denen die vorderſten ſich im Waſſer ſpiegelten. „Ich möchte wohl noch einen Spaziergang machen,“ ſagte Czako. „Was meinen Sie, Rex? Sind Sie mit dabei? Wir gehen hier am Ufer entlang, an den Zelten vorüber bis Bellevue, und da ſteigen wir in die Stadt¬ bahn und fahren zurück, Sie bis an die Friedrichsſtraße, ich bis an den Alexanderplatz. Da iſt jeder von uns in drei Minuten zu Haus.“ Rex war einverſtanden. „Ein wahres Glück,“ ſagte er, „daß wir uns endlich mal getroffen haben. Seit faſt drei Wochen kennen wir nun das Haus und haben noch keine Ausſprache darüber gehabt. Und das iſt doch immer die Hauptſache. Für Sie gewiß.“ „Ja, Rex, das ‚für Sie gewiß‘, das ſagen Sie ſo ſpöttiſch und überheblich, weil Sie glauben, Klatſchen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/275>, abgerufen am 22.11.2024.