Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

Es war zwei Tage vor Woldemars Rückkehr aus
Ostpreußen, daß Rex und Czako dies Tiergartengespräch
führten. Eine halbe Stunde später fuhren sie, wie ver¬
abredet, vom Bellevuebahnhof aus wieder in die Stadt
zurück. Überall war noch ein reges Leben und Treiben,
und Leben war denn auch in dem aus bloß drei Zimmern
verschiedener Größe sich zusammensetzenden Kasino der
Gardedragoner. In dem zunächst am Flur gelegenen
großen Speisesaale, von dessen Wänden die früheren
Kommandeure des Regiments, Prinzen und Nichtprinzen,
herniederblickten, sah man nur wenig Gäste. Daneben
aber lag ein Eckzimmer, das mehr Insassen und mehr
flotte Bewegung hatte. Hier, über dem schräg gestellten
Kamin, drin ein kleines Feuer flackerte, hing seit kurzem
das Bildnis des "hohen Chefs" des Regiments, der
Königin von England, und in der Nähe eben dieses
Bildes ein ruhmreiches Erinnerungsstück aus dem sechs¬
undsechziger und siebziger Kriege: die Trompete, darauf
derselbe Mann, Stabstrompeter Wollhaupt, erst am
3. Juli auf der Höhe von Lipa und dann am 16. August
bei Mars la Tour das Regiment zur Attacke gerufen
hatte, bis er an der Seite seines Obersten fiel; der
Oberst mit ihm.

Dies Eckzimmer war, wie gewöhnlich, auch heute
der bevorzugte kleine Raum, drin sich jüngere und ältere
Offiziere zu Spiel und Plauderei zusammengefunden
hatten, unser ihnen die Herren von Wolfshagen, von
Herbstfelde, von Wohlgemuth, von Grumbach, von Raspe.

"Weiß der Himmel," sagte Raspe, "wir kommen
aus den Abordnungen auch gar nicht mehr heraus.
Wir haben freilich drei Sendens im Regiment, aber es
sind der Sendbotschaften doch fast zu viel. Und dies¬
mal nun auch unser Stechlin dabei. Was wird er
sagen, wenn er oben in Ostpreußen von der ihm zu¬
gedachten Ehre hört. Er wird vielleicht sehr gemischte

Es war zwei Tage vor Woldemars Rückkehr aus
Oſtpreußen, daß Rex und Czako dies Tiergartengeſpräch
führten. Eine halbe Stunde ſpäter fuhren ſie, wie ver¬
abredet, vom Bellevuebahnhof aus wieder in die Stadt
zurück. Überall war noch ein reges Leben und Treiben,
und Leben war denn auch in dem aus bloß drei Zimmern
verſchiedener Größe ſich zuſammenſetzenden Kaſino der
Gardedragoner. In dem zunächſt am Flur gelegenen
großen Speiſeſaale, von deſſen Wänden die früheren
Kommandeure des Regiments, Prinzen und Nichtprinzen,
herniederblickten, ſah man nur wenig Gäſte. Daneben
aber lag ein Eckzimmer, das mehr Inſaſſen und mehr
flotte Bewegung hatte. Hier, über dem ſchräg geſtellten
Kamin, drin ein kleines Feuer flackerte, hing ſeit kurzem
das Bildnis des „hohen Chefs“ des Regiments, der
Königin von England, und in der Nähe eben dieſes
Bildes ein ruhmreiches Erinnerungsſtück aus dem ſechs¬
undſechziger und ſiebziger Kriege: die Trompete, darauf
derſelbe Mann, Stabstrompeter Wollhaupt, erſt am
3. Juli auf der Höhe von Lipa und dann am 16. Auguſt
bei Mars la Tour das Regiment zur Attacke gerufen
hatte, bis er an der Seite ſeines Oberſten fiel; der
Oberſt mit ihm.

Dies Eckzimmer war, wie gewöhnlich, auch heute
der bevorzugte kleine Raum, drin ſich jüngere und ältere
Offiziere zu Spiel und Plauderei zuſammengefunden
hatten, unſer ihnen die Herren von Wolfshagen, von
Herbſtfelde, von Wohlgemuth, von Grumbach, von Raſpe.

„Weiß der Himmel,“ ſagte Raſpe, „wir kommen
aus den Abordnungen auch gar nicht mehr heraus.
Wir haben freilich drei Sendens im Regiment, aber es
ſind der Sendbotſchaften doch faſt zu viel. Und dies¬
mal nun auch unſer Stechlin dabei. Was wird er
ſagen, wenn er oben in Oſtpreußen von der ihm zu¬
gedachten Ehre hört. Er wird vielleicht ſehr gemiſchte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0278" n="271"/>
          <p>Es war zwei Tage vor Woldemars Rückkehr aus<lb/>
O&#x017F;tpreußen, daß Rex und Czako dies Tiergartenge&#x017F;präch<lb/>
führten. Eine halbe Stunde &#x017F;päter fuhren &#x017F;ie, wie ver¬<lb/>
abredet, vom Bellevuebahnhof aus wieder in die Stadt<lb/>
zurück. Überall war noch ein reges Leben und Treiben,<lb/>
und Leben war denn auch in dem aus bloß drei Zimmern<lb/>
ver&#x017F;chiedener Größe &#x017F;ich zu&#x017F;ammen&#x017F;etzenden Ka&#x017F;ino der<lb/>
Gardedragoner. In dem zunäch&#x017F;t am Flur gelegenen<lb/>
großen Spei&#x017F;e&#x017F;aale, von de&#x017F;&#x017F;en Wänden die früheren<lb/>
Kommandeure des Regiments, Prinzen und Nichtprinzen,<lb/>
herniederblickten, &#x017F;ah man nur wenig Gä&#x017F;te. Daneben<lb/>
aber lag ein Eckzimmer, das mehr In&#x017F;a&#x017F;&#x017F;en und mehr<lb/>
flotte Bewegung hatte. Hier, über dem &#x017F;chräg ge&#x017F;tellten<lb/>
Kamin, drin ein kleines Feuer flackerte, hing &#x017F;eit kurzem<lb/>
das Bildnis des &#x201E;hohen Chefs&#x201C; des Regiments, der<lb/>
Königin von England, und in der Nähe eben die&#x017F;es<lb/>
Bildes ein ruhmreiches Erinnerungs&#x017F;tück aus dem &#x017F;echs¬<lb/>
und&#x017F;echziger und &#x017F;iebziger Kriege: die Trompete, darauf<lb/>
der&#x017F;elbe Mann, Stabstrompeter Wollhaupt, er&#x017F;t am<lb/>
3. Juli auf der Höhe von Lipa und dann am 16. Augu&#x017F;t<lb/>
bei Mars la Tour das Regiment zur Attacke gerufen<lb/>
hatte, bis er an der Seite &#x017F;eines Ober&#x017F;ten fiel; der<lb/>
Ober&#x017F;t mit ihm.</p><lb/>
          <p>Dies Eckzimmer war, wie gewöhnlich, auch heute<lb/>
der bevorzugte kleine Raum, drin &#x017F;ich jüngere und ältere<lb/>
Offiziere zu Spiel und Plauderei zu&#x017F;ammengefunden<lb/>
hatten, un&#x017F;er ihnen die Herren von Wolfshagen, von<lb/>
Herb&#x017F;tfelde, von Wohlgemuth, von Grumbach, von Ra&#x017F;pe.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Weiß der Himmel,&#x201C; &#x017F;agte Ra&#x017F;pe, &#x201E;wir kommen<lb/>
aus den Abordnungen auch gar nicht mehr heraus.<lb/>
Wir haben freilich drei Sendens im Regiment, aber es<lb/>
&#x017F;ind der Sendbot&#x017F;chaften doch fa&#x017F;t zu viel. Und dies¬<lb/>
mal nun auch un&#x017F;er Stechlin dabei. Was wird er<lb/>
&#x017F;agen, wenn er oben in O&#x017F;tpreußen von der ihm zu¬<lb/>
gedachten Ehre hört. Er wird vielleicht &#x017F;ehr gemi&#x017F;chte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0278] Es war zwei Tage vor Woldemars Rückkehr aus Oſtpreußen, daß Rex und Czako dies Tiergartengeſpräch führten. Eine halbe Stunde ſpäter fuhren ſie, wie ver¬ abredet, vom Bellevuebahnhof aus wieder in die Stadt zurück. Überall war noch ein reges Leben und Treiben, und Leben war denn auch in dem aus bloß drei Zimmern verſchiedener Größe ſich zuſammenſetzenden Kaſino der Gardedragoner. In dem zunächſt am Flur gelegenen großen Speiſeſaale, von deſſen Wänden die früheren Kommandeure des Regiments, Prinzen und Nichtprinzen, herniederblickten, ſah man nur wenig Gäſte. Daneben aber lag ein Eckzimmer, das mehr Inſaſſen und mehr flotte Bewegung hatte. Hier, über dem ſchräg geſtellten Kamin, drin ein kleines Feuer flackerte, hing ſeit kurzem das Bildnis des „hohen Chefs“ des Regiments, der Königin von England, und in der Nähe eben dieſes Bildes ein ruhmreiches Erinnerungsſtück aus dem ſechs¬ undſechziger und ſiebziger Kriege: die Trompete, darauf derſelbe Mann, Stabstrompeter Wollhaupt, erſt am 3. Juli auf der Höhe von Lipa und dann am 16. Auguſt bei Mars la Tour das Regiment zur Attacke gerufen hatte, bis er an der Seite ſeines Oberſten fiel; der Oberſt mit ihm. Dies Eckzimmer war, wie gewöhnlich, auch heute der bevorzugte kleine Raum, drin ſich jüngere und ältere Offiziere zu Spiel und Plauderei zuſammengefunden hatten, unſer ihnen die Herren von Wolfshagen, von Herbſtfelde, von Wohlgemuth, von Grumbach, von Raſpe. „Weiß der Himmel,“ ſagte Raſpe, „wir kommen aus den Abordnungen auch gar nicht mehr heraus. Wir haben freilich drei Sendens im Regiment, aber es ſind der Sendbotſchaften doch faſt zu viel. Und dies¬ mal nun auch unſer Stechlin dabei. Was wird er ſagen, wenn er oben in Oſtpreußen von der ihm zu¬ gedachten Ehre hört. Er wird vielleicht ſehr gemiſchte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/278
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/278>, abgerufen am 26.06.2024.