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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Gefühle haben. Übermorgen ist er von Trakehnen wieder
da, mutmaßlich bei dem scheußlichen Wetter schlecht ajustiert,
und dann Hals über Kopf und in großem Trara nach
London. Und London ginge noch. Aber auch nach
Windsor. Alles, wenn es sich um chic handelt, will
doch seine Zeit haben, und gerade die Vettern drüben
sehen einem sehr auf die Finger."

"Laß sie sehn," sagte Herbstfelde. "Wir sehen auch.
Und Stechlin ist nicht der Mann, sich über derlei Dinge
graue Haare wachsen zu lassen. Ich glaube, daß ihn
was ganz andres geniert. Es ist doch immerhin was,
daß er da mit nach England hinüber soll, und einer
solchen Auszeichnung entspricht selbstverständlich eine Nicht¬
auszeichnung andrer. Das paßt nicht jedem, und nach
dem Bilde, das ich mir von unserm Stechlin mache,
gehört er zu diesen. Er ficht nicht gern unter der Devise
,nur über Leichen', hat vielmehr umgekehrt den Zug,
sich in die zweite Linie zu stellen. Und nun sieht es
aus, als wär' er ein Streber."

"Stimmt nicht," sagte Raspe. "Für so verrannt
kann ich keinen von uns halten. Stechlin sitzt da oben
in Ostpreußen und kann doch unmöglich in seinen Muße¬
stunden hierher intrigiert und einen etwaigen Rivalen
aus dem Sattel geworfen haben. Und unser Oberst!
Der ist doch auch nicht der Mann dazu, sich irgend wen
aufreden zu lassen. Der kennt seine Pappenheimer.
Und wenn er sich den Stechlin aussucht, dann weiß er,
warum. Übrigens, Dienst ist Dienst; man geht nicht,
weil man will, sondern weil man muß. Spricht er
denn englisch?"

"Ich glaube nicht," sagte von Grumbach. "Soviel
ich weiß, hat er vor kurzem damit angefangen, aber
natürlich nicht wegen dieser Mission, die ja wie vom
blauen Himmel auf ihn niederfällt, sondern der Barbys
wegen, die beinah zwanzig Jahre in England waren

Gefühle haben. Übermorgen iſt er von Trakehnen wieder
da, mutmaßlich bei dem ſcheußlichen Wetter ſchlecht ajuſtiert,
und dann Hals über Kopf und in großem Trara nach
London. Und London ginge noch. Aber auch nach
Windſor. Alles, wenn es ſich um chic handelt, will
doch ſeine Zeit haben, und gerade die Vettern drüben
ſehen einem ſehr auf die Finger.“

„Laß ſie ſehn,“ ſagte Herbſtfelde. „Wir ſehen auch.
Und Stechlin iſt nicht der Mann, ſich über derlei Dinge
graue Haare wachſen zu laſſen. Ich glaube, daß ihn
was ganz andres geniert. Es iſt doch immerhin was,
daß er da mit nach England hinüber ſoll, und einer
ſolchen Auszeichnung entſpricht ſelbſtverſtändlich eine Nicht¬
auszeichnung andrer. Das paßt nicht jedem, und nach
dem Bilde, das ich mir von unſerm Stechlin mache,
gehört er zu dieſen. Er ficht nicht gern unter der Deviſe
‚nur über Leichen‘, hat vielmehr umgekehrt den Zug,
ſich in die zweite Linie zu ſtellen. Und nun ſieht es
aus, als wär' er ein Streber.“

„Stimmt nicht,“ ſagte Raſpe. „Für ſo verrannt
kann ich keinen von uns halten. Stechlin ſitzt da oben
in Oſtpreußen und kann doch unmöglich in ſeinen Muße¬
ſtunden hierher intrigiert und einen etwaigen Rivalen
aus dem Sattel geworfen haben. Und unſer Oberſt!
Der iſt doch auch nicht der Mann dazu, ſich irgend wen
aufreden zu laſſen. Der kennt ſeine Pappenheimer.
Und wenn er ſich den Stechlin ausſucht, dann weiß er,
warum. Übrigens, Dienſt iſt Dienſt; man geht nicht,
weil man will, ſondern weil man muß. Spricht er
denn engliſch?“

„Ich glaube nicht,“ ſagte von Grumbach. „Soviel
ich weiß, hat er vor kurzem damit angefangen, aber
natürlich nicht wegen dieſer Miſſion, die ja wie vom
blauen Himmel auf ihn niederfällt, ſondern der Barbys
wegen, die beinah zwanzig Jahre in England waren

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[272/0279] Gefühle haben. Übermorgen iſt er von Trakehnen wieder da, mutmaßlich bei dem ſcheußlichen Wetter ſchlecht ajuſtiert, und dann Hals über Kopf und in großem Trara nach London. Und London ginge noch. Aber auch nach Windſor. Alles, wenn es ſich um chic handelt, will doch ſeine Zeit haben, und gerade die Vettern drüben ſehen einem ſehr auf die Finger.“ „Laß ſie ſehn,“ ſagte Herbſtfelde. „Wir ſehen auch. Und Stechlin iſt nicht der Mann, ſich über derlei Dinge graue Haare wachſen zu laſſen. Ich glaube, daß ihn was ganz andres geniert. Es iſt doch immerhin was, daß er da mit nach England hinüber ſoll, und einer ſolchen Auszeichnung entſpricht ſelbſtverſtändlich eine Nicht¬ auszeichnung andrer. Das paßt nicht jedem, und nach dem Bilde, das ich mir von unſerm Stechlin mache, gehört er zu dieſen. Er ficht nicht gern unter der Deviſe ‚nur über Leichen‘, hat vielmehr umgekehrt den Zug, ſich in die zweite Linie zu ſtellen. Und nun ſieht es aus, als wär' er ein Streber.“ „Stimmt nicht,“ ſagte Raſpe. „Für ſo verrannt kann ich keinen von uns halten. Stechlin ſitzt da oben in Oſtpreußen und kann doch unmöglich in ſeinen Muße¬ ſtunden hierher intrigiert und einen etwaigen Rivalen aus dem Sattel geworfen haben. Und unſer Oberſt! Der iſt doch auch nicht der Mann dazu, ſich irgend wen aufreden zu laſſen. Der kennt ſeine Pappenheimer. Und wenn er ſich den Stechlin ausſucht, dann weiß er, warum. Übrigens, Dienſt iſt Dienſt; man geht nicht, weil man will, ſondern weil man muß. Spricht er denn engliſch?“ „Ich glaube nicht,“ ſagte von Grumbach. „Soviel ich weiß, hat er vor kurzem damit angefangen, aber natürlich nicht wegen dieſer Miſſion, die ja wie vom blauen Himmel auf ihn niederfällt, ſondern der Barbys wegen, die beinah zwanzig Jahre in England waren

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/279>, abgerufen am 22.11.2024.