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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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nicht an Ort und Zeit gebunden) haben wir bei tiefergehender
Betrachtung den Gegensatz von Leidenschaft und Berechnung
von Schönheit und Klugheit. Und das ist der Grund,
warum das Interesse daran nicht ausstirbt. Es sind große
Typen, diese feindlichen Königinnen."

Beide Schwestern schwiegen. Dann sagte Melusine,
der daran lag, wieder ins Heitere hinüber zu lenken:
"Und nun, Armgard, sage, für welche von den beiden
Königinnen bist du?"

"Nicht für die eine und nicht für die andre. Nicht
einmal für beide. Gewiß sind es Typen. Aber es giebt
andre, die mir mehr bedeuten, und, um es kurz zu sagen,
Elisabeth von Thüringen ist mir lieber als Elisabeth von
England. Andern leben und der Armut das Brot geben
-- darin allein ruht das Glück. Ich möchte, daß ich mir
das erringen könnte. Aber man erringt sich nichts.
Alles ist Gnade."

"Du bist ein Kind," sagte Melusine, während sie sich
mühte, ihrer Bewegung Herr zu werden. "Du wirst noch
Unter den Linden für Geld gezeigt werden. Auf der
einen Seite ,die Mädchen von Dahomey', auf der
andern du."

Stechlin ging. Armgard gab ihm das Geleit bis
auf den Korridor. Es war eine Verlegenheit zwischen
beiden, und Woldemar fühlte, daß er etwas sagen müsse.
"Welche liebenswürdige Schwester Sie haben."

Armgard errötete. "Sie werden mich eifersüchtig
machen."

"Wirklich, Comtesse?"

"Vielleicht ... Gute Nacht."


Eine halbe Stunde später saß Melusine neben dem
Bett der Schwester und beide plauderten noch. Aber

nicht an Ort und Zeit gebunden) haben wir bei tiefergehender
Betrachtung den Gegenſatz von Leidenſchaft und Berechnung
von Schönheit und Klugheit. Und das iſt der Grund,
warum das Intereſſe daran nicht ausſtirbt. Es ſind große
Typen, dieſe feindlichen Königinnen.“

Beide Schweſtern ſchwiegen. Dann ſagte Meluſine,
der daran lag, wieder ins Heitere hinüber zu lenken:
„Und nun, Armgard, ſage, für welche von den beiden
Königinnen biſt du?“

„Nicht für die eine und nicht für die andre. Nicht
einmal für beide. Gewiß ſind es Typen. Aber es giebt
andre, die mir mehr bedeuten, und, um es kurz zu ſagen,
Eliſabeth von Thüringen iſt mir lieber als Eliſabeth von
England. Andern leben und der Armut das Brot geben
— darin allein ruht das Glück. Ich möchte, daß ich mir
das erringen könnte. Aber man erringt ſich nichts.
Alles iſt Gnade.“

„Du biſt ein Kind,“ ſagte Meluſine, während ſie ſich
mühte, ihrer Bewegung Herr zu werden. „Du wirſt noch
Unter den Linden für Geld gezeigt werden. Auf der
einen Seite ‚die Mädchen von Dahomey‘, auf der
andern du.“

Stechlin ging. Armgard gab ihm das Geleit bis
auf den Korridor. Es war eine Verlegenheit zwiſchen
beiden, und Woldemar fühlte, daß er etwas ſagen müſſe.
„Welche liebenswürdige Schweſter Sie haben.“

Armgard errötete. „Sie werden mich eiferſüchtig
machen.“

„Wirklich, Comteſſe?“

„Vielleicht ... Gute Nacht.“


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[320/0327] nicht an Ort und Zeit gebunden) haben wir bei tiefergehender Betrachtung den Gegenſatz von Leidenſchaft und Berechnung von Schönheit und Klugheit. Und das iſt der Grund, warum das Intereſſe daran nicht ausſtirbt. Es ſind große Typen, dieſe feindlichen Königinnen.“ Beide Schweſtern ſchwiegen. Dann ſagte Meluſine, der daran lag, wieder ins Heitere hinüber zu lenken: „Und nun, Armgard, ſage, für welche von den beiden Königinnen biſt du?“ „Nicht für die eine und nicht für die andre. Nicht einmal für beide. Gewiß ſind es Typen. Aber es giebt andre, die mir mehr bedeuten, und, um es kurz zu ſagen, Eliſabeth von Thüringen iſt mir lieber als Eliſabeth von England. Andern leben und der Armut das Brot geben — darin allein ruht das Glück. Ich möchte, daß ich mir das erringen könnte. Aber man erringt ſich nichts. Alles iſt Gnade.“ „Du biſt ein Kind,“ ſagte Meluſine, während ſie ſich mühte, ihrer Bewegung Herr zu werden. „Du wirſt noch Unter den Linden für Geld gezeigt werden. Auf der einen Seite ‚die Mädchen von Dahomey‘, auf der andern du.“ Stechlin ging. Armgard gab ihm das Geleit bis auf den Korridor. Es war eine Verlegenheit zwiſchen beiden, und Woldemar fühlte, daß er etwas ſagen müſſe. „Welche liebenswürdige Schweſter Sie haben.“ Armgard errötete. „Sie werden mich eiferſüchtig machen.“ „Wirklich, Comteſſe?“ „Vielleicht ... Gute Nacht.“ Eine halbe Stunde ſpäter ſaß Meluſine neben dem Bett der Schweſter und beide plauderten noch. Aber

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/327>, abgerufen am 25.11.2024.