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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Und dazu diese Damen, beide von so seltener Liebens¬
würdigkeit. Was die Gräfin angeht ..."

"Ja," lachte der Alte, "was die Gräfin angeht ...
Sie machen sich's bequem, Pastor. Die Gräfin, -- wenn
sich's um die handelte, da könnt' ich's vielleicht auch.
Aber die Comtesse, die hat so was Ernstes. Und dann
ist sie zum Übrigen auch noch meine Schwiegertochter
oder soll es wenigstens werden, und da muß ich doch
sprechen wie 'ne Respektsperson. Und das ist schwer, viel¬
leicht, weil sich in meiner Vorstellung die Gräfin immer
vor die Comtesse schiebt."

Dubslav sprach noch so weiter. Aber es half ihm
nichts; Lorenzen war in seinem Widerstande nicht zu be¬
siegen, und so kam denn die Tisch- und endlich auch die
gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte sich schließlich
drin gefunden. "Meine lieben Gäste," hob er an, "ge¬
liebte Braut, hochverehrte Brautschwester! Ein andres
Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Melusine zu be¬
zeichnen, hat vorläufig die deutsche Sprache nicht, was
ich bedaure. Denn das Wort sagt mir lange nicht genug.
Wenige Stunden erst ist es, daß ich Sie, meine Damen,
an dieser Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag,
und schon ist der Abschied da. Währenddem hab ich kein
,Du' beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch
auf meiner Lippe ... Teuerste Armgard! dies alte Haus
Stechlin also soll Ihre dereinstige Heimstätte werden; Sie
werden sie zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime
war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe
nur das gute Gewissen, Ihnen während dieser kurzen
Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden
konnte: mein Museum und meinen See. Die Sprudel¬
stelle (die Winterhand lag darauf) hat geschwiegen, aber
mein Derfflingerscher Dragoner -- in Krippenstapels Ab¬
wesenheit darf ich ihn ja wieder so nennen -- hat dafür um
so deutlicher zu Ihnen gesprochen. Er hat die Zahl 1675

Und dazu dieſe Damen, beide von ſo ſeltener Liebens¬
würdigkeit. Was die Gräfin angeht ...“

„Ja,“ lachte der Alte, „was die Gräfin angeht ...
Sie machen ſich's bequem, Paſtor. Die Gräfin, — wenn
ſich's um die handelte, da könnt' ich's vielleicht auch.
Aber die Comteſſe, die hat ſo was Ernſtes. Und dann
iſt ſie zum Übrigen auch noch meine Schwiegertochter
oder ſoll es wenigſtens werden, und da muß ich doch
ſprechen wie 'ne Reſpektsperſon. Und das iſt ſchwer, viel¬
leicht, weil ſich in meiner Vorſtellung die Gräfin immer
vor die Comteſſe ſchiebt.“

Dubslav ſprach noch ſo weiter. Aber es half ihm
nichts; Lorenzen war in ſeinem Widerſtande nicht zu be¬
ſiegen, und ſo kam denn die Tiſch- und endlich auch die
gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte ſich ſchließlich
drin gefunden. „Meine lieben Gäſte,“ hob er an, „ge¬
liebte Braut, hochverehrte Brautſchweſter! Ein andres
Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Meluſine zu be¬
zeichnen, hat vorläufig die deutſche Sprache nicht, was
ich bedaure. Denn das Wort ſagt mir lange nicht genug.
Wenige Stunden erſt iſt es, daß ich Sie, meine Damen,
an dieſer Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag,
und ſchon iſt der Abſchied da. Währenddem hab ich kein
‚Du‘ beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch
auf meiner Lippe ... Teuerſte Armgard! dies alte Haus
Stechlin alſo ſoll Ihre dereinſtige Heimſtätte werden; Sie
werden ſie zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime
war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe
nur das gute Gewiſſen, Ihnen während dieſer kurzen
Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden
konnte: mein Muſeum und meinen See. Die Sprudel¬
ſtelle (die Winterhand lag darauf) hat geſchwiegen, aber
mein Derfflingerſcher Dragoner — in Krippenſtapels Ab¬
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[367/0374] Und dazu dieſe Damen, beide von ſo ſeltener Liebens¬ würdigkeit. Was die Gräfin angeht ...“ „Ja,“ lachte der Alte, „was die Gräfin angeht ... Sie machen ſich's bequem, Paſtor. Die Gräfin, — wenn ſich's um die handelte, da könnt' ich's vielleicht auch. Aber die Comteſſe, die hat ſo was Ernſtes. Und dann iſt ſie zum Übrigen auch noch meine Schwiegertochter oder ſoll es wenigſtens werden, und da muß ich doch ſprechen wie 'ne Reſpektsperſon. Und das iſt ſchwer, viel¬ leicht, weil ſich in meiner Vorſtellung die Gräfin immer vor die Comteſſe ſchiebt.“ Dubslav ſprach noch ſo weiter. Aber es half ihm nichts; Lorenzen war in ſeinem Widerſtande nicht zu be¬ ſiegen, und ſo kam denn die Tiſch- und endlich auch die gefürchtete Redezeit heran. Der Alte hatte ſich ſchließlich drin gefunden. „Meine lieben Gäſte,“ hob er an, „ge¬ liebte Braut, hochverehrte Brautſchweſter! Ein andres Wort, um meine Beziehungen zu Gräfin Meluſine zu be¬ zeichnen, hat vorläufig die deutſche Sprache nicht, was ich bedaure. Denn das Wort ſagt mir lange nicht genug. Wenige Stunden erſt iſt es, daß ich Sie, meine Damen, an dieſer Stelle begrüßen durfte, noch kein voller Tag, und ſchon iſt der Abſchied da. Währenddem hab ich kein ‚Du‘ beantragt, aber es liegt doch in der Luft, mehr noch auf meiner Lippe ... Teuerſte Armgard! dies alte Haus Stechlin alſo ſoll Ihre dereinſtige Heimſtätte werden; Sie werden ſie zu neuem Leben erheben. Unter meinem Regime war es nicht viel damit. Auch heute nicht. Ich habe nur das gute Gewiſſen, Ihnen während dieſer kurzen Spanne Zeit alles gezeigt zu haben, was gezeigt werden konnte: mein Muſeum und meinen See. Die Sprudel¬ ſtelle (die Winterhand lag darauf) hat geſchwiegen, aber mein Derfflingerſcher Dragoner — in Krippenſtapels Ab¬ weſenheit darf ich ihn ja wieder ſo nennen — hat dafür um ſo deutlicher zu Ihnen geſprochen. Er hat die Zahl 1675

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/374>, abgerufen am 22.11.2024.