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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"O, lange vorher," bestätigte Czako. "Was mich
aber," fuhr er, sich an Dubslav wendend, fort, "an diesen
Karpfen noch ganz besonders fesselt -- beiläufig ein
Prachtexemplar -- das ist das, daß er doch höchstwahr¬
scheinlich aus Ihrem berühmten See stammt, über den
ich durch Woldemar, Ihren Herrn Sohn, bereits unter¬
richtet bin. Dieser merkwürdige See, dieser Stechlin!
Und da frag ich mich denn unwillkürlich (denn Karpfen
werden alt; daher beispielsweise die Mooskarpfen), welche
Revolutionen sind an diesem hervorragenden Exemplar
seiner Gattung wohl schon vorüber gegangen? Ich weiß
nicht, ob ich ihn auf hundertfünfzig Jahre taxieren darf,
wenn aber, so würde er als Jüngling die Lissaboner
Aktion und als Urgreis den neuerlichen Ausbruch des
Krakatowa mitgemacht haben. Und all das erwogen,
drängt sich mir die Frage auf ..."

Dubslav lächelte zustimmend.

"... Und all das erwogen, drängt sich mir die
Frage auf, wenn's nun in Ihrem Stechlinsee zu brodeln
beginnt oder gar die große Trichterbildung anhebt, aus
der dann und wann, wenn ich recht gehört habe, der krähende
Hahn aufsteigt, wie verhält sich da der Stechlinkarpfen,
dieser doch offenbar Nächstbeteiligte, bei dem Anpochen
derartiger Weltereignisse? Beneidet er den Hahn, dem
es vergönnt ist, in die Ruppiner Lande hineinzukrähen,
oder ist er umgekehrt ein Feigling, der sich in seinem
Moorgrund verkriecht, also ein Bourgeois, der am andern
Morgen fragt: ,Schießen sie noch?'"

"Mein lieber Herr von Czako, die Beantwortung
Ihrer Frage hat selbst für einen Anwohner des Stechlin
seine Schwierigkeiten. Ins Innere der Natur dringt
kein erschaffener Geist. Und zu dem innerlichsten und
verschlossensten zählt der Karpfen; er ist nämlich sehr
dumm. Aber nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung wird
er sich beim Eintreten der großen Eruption wohl ver¬

„O, lange vorher,“ beſtätigte Czako. „Was mich
aber,“ fuhr er, ſich an Dubslav wendend, fort, „an dieſen
Karpfen noch ganz beſonders feſſelt — beiläufig ein
Prachtexemplar — das iſt das, daß er doch höchſtwahr¬
ſcheinlich aus Ihrem berühmten See ſtammt, über den
ich durch Woldemar, Ihren Herrn Sohn, bereits unter¬
richtet bin. Dieſer merkwürdige See, dieſer Stechlin!
Und da frag ich mich denn unwillkürlich (denn Karpfen
werden alt; daher beiſpielsweiſe die Mooskarpfen), welche
Revolutionen ſind an dieſem hervorragenden Exemplar
ſeiner Gattung wohl ſchon vorüber gegangen? Ich weiß
nicht, ob ich ihn auf hundertfünfzig Jahre taxieren darf,
wenn aber, ſo würde er als Jüngling die Liſſaboner
Aktion und als Urgreis den neuerlichen Ausbruch des
Krakatowa mitgemacht haben. Und all das erwogen,
drängt ſich mir die Frage auf ...“

Dubslav lächelte zuſtimmend.

„... Und all das erwogen, drängt ſich mir die
Frage auf, wenn's nun in Ihrem Stechlinſee zu brodeln
beginnt oder gar die große Trichterbildung anhebt, aus
der dann und wann, wenn ich recht gehört habe, der krähende
Hahn aufſteigt, wie verhält ſich da der Stechlinkarpfen,
dieſer doch offenbar Nächſtbeteiligte, bei dem Anpochen
derartiger Weltereigniſſe? Beneidet er den Hahn, dem
es vergönnt iſt, in die Ruppiner Lande hineinzukrähen,
oder iſt er umgekehrt ein Feigling, der ſich in ſeinem
Moorgrund verkriecht, alſo ein Bourgeois, der am andern
Morgen fragt: ‚Schießen ſie noch?‘“

„Mein lieber Herr von Czako, die Beantwortung
Ihrer Frage hat ſelbſt für einen Anwohner des Stechlin
ſeine Schwierigkeiten. Ins Innere der Natur dringt
kein erſchaffener Geiſt. Und zu dem innerlichſten und
verſchloſſenſten zählt der Karpfen; er iſt nämlich ſehr
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[31/0038] „O, lange vorher,“ beſtätigte Czako. „Was mich aber,“ fuhr er, ſich an Dubslav wendend, fort, „an dieſen Karpfen noch ganz beſonders feſſelt — beiläufig ein Prachtexemplar — das iſt das, daß er doch höchſtwahr¬ ſcheinlich aus Ihrem berühmten See ſtammt, über den ich durch Woldemar, Ihren Herrn Sohn, bereits unter¬ richtet bin. Dieſer merkwürdige See, dieſer Stechlin! Und da frag ich mich denn unwillkürlich (denn Karpfen werden alt; daher beiſpielsweiſe die Mooskarpfen), welche Revolutionen ſind an dieſem hervorragenden Exemplar ſeiner Gattung wohl ſchon vorüber gegangen? Ich weiß nicht, ob ich ihn auf hundertfünfzig Jahre taxieren darf, wenn aber, ſo würde er als Jüngling die Liſſaboner Aktion und als Urgreis den neuerlichen Ausbruch des Krakatowa mitgemacht haben. Und all das erwogen, drängt ſich mir die Frage auf ...“ Dubslav lächelte zuſtimmend. „... Und all das erwogen, drängt ſich mir die Frage auf, wenn's nun in Ihrem Stechlinſee zu brodeln beginnt oder gar die große Trichterbildung anhebt, aus der dann und wann, wenn ich recht gehört habe, der krähende Hahn aufſteigt, wie verhält ſich da der Stechlinkarpfen, dieſer doch offenbar Nächſtbeteiligte, bei dem Anpochen derartiger Weltereigniſſe? Beneidet er den Hahn, dem es vergönnt iſt, in die Ruppiner Lande hineinzukrähen, oder iſt er umgekehrt ein Feigling, der ſich in ſeinem Moorgrund verkriecht, alſo ein Bourgeois, der am andern Morgen fragt: ‚Schießen ſie noch?‘“ „Mein lieber Herr von Czako, die Beantwortung Ihrer Frage hat ſelbſt für einen Anwohner des Stechlin ſeine Schwierigkeiten. Ins Innere der Natur dringt kein erſchaffener Geiſt. Und zu dem innerlichſten und verſchloſſenſten zählt der Karpfen; er iſt nämlich ſehr dumm. Aber nach der Wahrſcheinlichkeitsrechnung wird er ſich beim Eintreten der großen Eruption wohl ver¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/38>, abgerufen am 21.11.2024.