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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Schwadronage, vielleicht weil er nur das heraushörte,
was ihm gerade paßte.

Leutnant von Szilagy -- man kam vom Hun¬
dertsten aufs Tausendste -- wurde bei den Fragen, die
hin und her gingen, von ungefähr auch nach seinem
Novellenbande gefragt und ob er Freude daran gehabt habe.

"Nein, meine Herren," sagte Szilagy, "das kann
ich leider nicht sagen. Ich habe Bellis perennis auf
eigne Kosten herstellen lassen und hundertzehn Rezensions¬
exemplare verschickt, unter Beilegung eines Zettels; der
ist denn auch von einigen Zeitungen abgedruckt worden,
aber nur von ganz wenigen. Im übrigen schweigt die Kritik."

"O, Krittikk," sagte Wrschowitz. "Ich liebe Krittikk.
Aber gutte Krittikk schweigt."

"Und doch," fuhr Szilagy fort, der sich in dem
etwas delphischen Ausspruch des guten Wrschowitz nicht
gleich zurecht finden konnte, "doch sind diese schmerzlichen
Gefühle nichts gegen das, was voraufgegangen. Ich
unterhielt nämlich vor Erscheinen des Buches selbst die
Hoffnung in mir, einige dieser kleinen Arbeiten in einem
Parteiblatt und, als dies mißlang, in einem Familien¬
journal unterbringen zu können. Aber ich scheiterte ..."

"Ja, natürlich scheiterten Sie," sagte Pusch, "das
spricht für Sie. Lassen Sie sich sagen und raten, denn
ich weiß in diesen Dingen einigermaßen Bescheid. War
nämlich drüben, ja ich darf beinah' sagen, ich war
doppelt drüben, erst drüben in England und dann drüben
in Amerika. Da versteht man's. Ja, du lieber Himmel,
dies bedruckte Löschpapier! Man lebt davon und es
regiert eigentlich die Welt. Aber, aber ... Und dabei,
wenn ich recht gehört habe, sprachen Sie von Partei¬
blatt, -- furchtbar. Und dann sprachen Sie von Familien¬
journal, -- zweimal furchtbar!"

"Haben Sie selbst Erfahrungen gemacht auf diesem
schwierigen Gebiete?"

Schwadronage, vielleicht weil er nur das heraushörte,
was ihm gerade paßte.

Leutnant von Szilagy — man kam vom Hun¬
dertſten aufs Tauſendſte — wurde bei den Fragen, die
hin und her gingen, von ungefähr auch nach ſeinem
Novellenbande gefragt und ob er Freude daran gehabt habe.

„Nein, meine Herren,“ ſagte Szilagy, „das kann
ich leider nicht ſagen. Ich habe Bellis perennis auf
eigne Koſten herſtellen laſſen und hundertzehn Rezenſions¬
exemplare verſchickt, unter Beilegung eines Zettels; der
iſt denn auch von einigen Zeitungen abgedruckt worden,
aber nur von ganz wenigen. Im übrigen ſchweigt die Kritik.“

„O, Krittikk,“ ſagte Wrſchowitz. „Ich liebe Krittikk.
Aber gutte Krittikk ſchweigt.“

„Und doch,“ fuhr Szilagy fort, der ſich in dem
etwas delphiſchen Ausſpruch des guten Wrſchowitz nicht
gleich zurecht finden konnte, „doch ſind dieſe ſchmerzlichen
Gefühle nichts gegen das, was voraufgegangen. Ich
unterhielt nämlich vor Erſcheinen des Buches ſelbſt die
Hoffnung in mir, einige dieſer kleinen Arbeiten in einem
Parteiblatt und, als dies mißlang, in einem Familien¬
journal unterbringen zu können. Aber ich ſcheiterte ...“

„Ja, natürlich ſcheiterten Sie,“ ſagte Puſch, „das
ſpricht für Sie. Laſſen Sie ſich ſagen und raten, denn
ich weiß in dieſen Dingen einigermaßen Beſcheid. War
nämlich drüben, ja ich darf beinah' ſagen, ich war
doppelt drüben, erſt drüben in England und dann drüben
in Amerika. Da verſteht man's. Ja, du lieber Himmel,
dies bedruckte Löſchpapier! Man lebt davon und es
regiert eigentlich die Welt. Aber, aber ... Und dabei,
wenn ich recht gehört habe, ſprachen Sie von Partei¬
blatt, — furchtbar. Und dann ſprachen Sie von Familien¬
journal, — zweimal furchtbar!“

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[395/0402] Schwadronage, vielleicht weil er nur das heraushörte, was ihm gerade paßte. Leutnant von Szilagy — man kam vom Hun¬ dertſten aufs Tauſendſte — wurde bei den Fragen, die hin und her gingen, von ungefähr auch nach ſeinem Novellenbande gefragt und ob er Freude daran gehabt habe. „Nein, meine Herren,“ ſagte Szilagy, „das kann ich leider nicht ſagen. Ich habe Bellis perennis auf eigne Koſten herſtellen laſſen und hundertzehn Rezenſions¬ exemplare verſchickt, unter Beilegung eines Zettels; der iſt denn auch von einigen Zeitungen abgedruckt worden, aber nur von ganz wenigen. Im übrigen ſchweigt die Kritik.“ „O, Krittikk,“ ſagte Wrſchowitz. „Ich liebe Krittikk. Aber gutte Krittikk ſchweigt.“ „Und doch,“ fuhr Szilagy fort, der ſich in dem etwas delphiſchen Ausſpruch des guten Wrſchowitz nicht gleich zurecht finden konnte, „doch ſind dieſe ſchmerzlichen Gefühle nichts gegen das, was voraufgegangen. Ich unterhielt nämlich vor Erſcheinen des Buches ſelbſt die Hoffnung in mir, einige dieſer kleinen Arbeiten in einem Parteiblatt und, als dies mißlang, in einem Familien¬ journal unterbringen zu können. Aber ich ſcheiterte ...“ „Ja, natürlich ſcheiterten Sie,“ ſagte Puſch, „das ſpricht für Sie. Laſſen Sie ſich ſagen und raten, denn ich weiß in dieſen Dingen einigermaßen Beſcheid. War nämlich drüben, ja ich darf beinah' ſagen, ich war doppelt drüben, erſt drüben in England und dann drüben in Amerika. Da verſteht man's. Ja, du lieber Himmel, dies bedruckte Löſchpapier! Man lebt davon und es regiert eigentlich die Welt. Aber, aber ... Und dabei, wenn ich recht gehört habe, ſprachen Sie von Partei¬ blatt, — furchtbar. Und dann ſprachen Sie von Familien¬ journal, — zweimal furchtbar!“ „Haben Sie ſelbſt Erfahrungen gemacht auf dieſem ſchwierigen Gebiete?“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/402>, abgerufen am 22.11.2024.