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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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und wollen doch das Höchste. Mehr kann der Mensch
nich. Aber Koseleger. Der will leben."

Und während er noch so vor sich hin seinen
Faden spann, war sein gutes altes Faktotum einge¬
treten, an das er denn auch ohne weiteres und bloß
zu eignem Ergötzen die Frage richtete: "Nich wahr,
Engelke?"

Der aber hörte gar nichts mehr, so sehr war er
in Verwirrung, und stotterte nur aus sich heraus: "Ach
Gott, gnäd'ger Herr, nu is es doch so gekommen."

"Wie? Was?"

"Die Frau Gemahlin von unserm Herrn Ober¬
förster ..."

"Was? Die Prinzessin?"

"Ja, die Frau Katzler, Durchlaucht."

"Alle Wetter, Engelke ... Da haben wir's. Aber
ich hab' es ja gesagt, ich wußt' es. Wie so 'n Tag
anfängt, so bleibt er, so geht es weiter ... Und wie
das hier durcheinander liegt, alles wie Kraut und
Rüben. Nimm die Zudecke weg, ach was Zudecke, die
reine Pferdedecke; wir müssen eine andre haben. Und
nimm auch die grünen Tropfen weg, daß es nicht gleich
aussieht wie 'ne Krankenstube ... Die Prinzessin ...
Aber rasch, Engelke, flink ... Ich lasse bitten, ich lasse
die Frau Oberförsterin bitten."

Dubslav rückte sich, so gut es ging, zurecht; im
übrigen aber hielt er's in seinem desolaten Zustande
doch für besser, in seinem Rollstuhl zu bleiben, als der
Prinzessin entgegen zu gehn oder sie durch ein Sicherheben
von seinem Sitz mehr oder weniger feierlich zu begrüßen.
Ermyntrud paßte sich seinen Intentionen denn auch an
und gab durch eine gemessene Handbewegung zu ver¬
stehen, daß sie nicht zu stören wünsche. Gleich danach
legte sie den rechten Arm auf die Lehne eines neben¬
stehenden Stuhles und sagte: "Ich komme, Herr von

Fontane, Der Stechlin. 28

und wollen doch das Höchſte. Mehr kann der Menſch
nich. Aber Koſeleger. Der will leben.“

Und während er noch ſo vor ſich hin ſeinen
Faden ſpann, war ſein gutes altes Faktotum einge¬
treten, an das er denn auch ohne weiteres und bloß
zu eignem Ergötzen die Frage richtete: „Nich wahr,
Engelke?“

Der aber hörte gar nichts mehr, ſo ſehr war er
in Verwirrung, und ſtotterte nur aus ſich heraus: „Ach
Gott, gnäd'ger Herr, nu is es doch ſo gekommen.“

„Wie? Was?“

„Die Frau Gemahlin von unſerm Herrn Ober¬
förſter ...“

„Was? Die Prinzeſſin?“

„Ja, die Frau Katzler, Durchlaucht.“

„Alle Wetter, Engelke ... Da haben wir's. Aber
ich hab' es ja geſagt, ich wußt' es. Wie ſo 'n Tag
anfängt, ſo bleibt er, ſo geht es weiter ... Und wie
das hier durcheinander liegt, alles wie Kraut und
Rüben. Nimm die Zudecke weg, ach was Zudecke, die
reine Pferdedecke; wir müſſen eine andre haben. Und
nimm auch die grünen Tropfen weg, daß es nicht gleich
ausſieht wie 'ne Krankenſtube ... Die Prinzeſſin ...
Aber raſch, Engelke, flink ... Ich laſſe bitten, ich laſſe
die Frau Oberförſterin bitten.“

Dubslav rückte ſich, ſo gut es ging, zurecht; im
übrigen aber hielt er's in ſeinem deſolaten Zuſtande
doch für beſſer, in ſeinem Rollſtuhl zu bleiben, als der
Prinzeſſin entgegen zu gehn oder ſie durch ein Sicherheben
von ſeinem Sitz mehr oder weniger feierlich zu begrüßen.
Ermyntrud paßte ſich ſeinen Intentionen denn auch an
und gab durch eine gemeſſene Handbewegung zu ver¬
ſtehen, daß ſie nicht zu ſtören wünſche. Gleich danach
legte ſie den rechten Arm auf die Lehne eines neben¬
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Fontane, Der Stechlin. 28
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[433/0440] und wollen doch das Höchſte. Mehr kann der Menſch nich. Aber Koſeleger. Der will leben.“ Und während er noch ſo vor ſich hin ſeinen Faden ſpann, war ſein gutes altes Faktotum einge¬ treten, an das er denn auch ohne weiteres und bloß zu eignem Ergötzen die Frage richtete: „Nich wahr, Engelke?“ Der aber hörte gar nichts mehr, ſo ſehr war er in Verwirrung, und ſtotterte nur aus ſich heraus: „Ach Gott, gnäd'ger Herr, nu is es doch ſo gekommen.“ „Wie? Was?“ „Die Frau Gemahlin von unſerm Herrn Ober¬ förſter ...“ „Was? Die Prinzeſſin?“ „Ja, die Frau Katzler, Durchlaucht.“ „Alle Wetter, Engelke ... Da haben wir's. Aber ich hab' es ja geſagt, ich wußt' es. Wie ſo 'n Tag anfängt, ſo bleibt er, ſo geht es weiter ... Und wie das hier durcheinander liegt, alles wie Kraut und Rüben. Nimm die Zudecke weg, ach was Zudecke, die reine Pferdedecke; wir müſſen eine andre haben. Und nimm auch die grünen Tropfen weg, daß es nicht gleich ausſieht wie 'ne Krankenſtube ... Die Prinzeſſin ... Aber raſch, Engelke, flink ... Ich laſſe bitten, ich laſſe die Frau Oberförſterin bitten.“ Dubslav rückte ſich, ſo gut es ging, zurecht; im übrigen aber hielt er's in ſeinem deſolaten Zuſtande doch für beſſer, in ſeinem Rollſtuhl zu bleiben, als der Prinzeſſin entgegen zu gehn oder ſie durch ein Sicherheben von ſeinem Sitz mehr oder weniger feierlich zu begrüßen. Ermyntrud paßte ſich ſeinen Intentionen denn auch an und gab durch eine gemeſſene Handbewegung zu ver¬ ſtehen, daß ſie nicht zu ſtören wünſche. Gleich danach legte ſie den rechten Arm auf die Lehne eines neben¬ ſtehenden Stuhles und ſagte: „Ich komme, Herr von Fontane, Der Stechlin. 28

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 433. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/440>, abgerufen am 22.11.2024.