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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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zu sehn glauben, daß er an diese sterile Küste verschlagen
werden mußte, gerade mir eine Hilfe zu sein. Aber,
was er an mir that, kann er auch an andern thun.
Er hat eben das, was zum Siege führt; wer die
Seele hat, hat auch den Leib."

Unter diesen Worten war Ermyntrud von ihrem
Stuhl an Dubslav herangetreten und neigte sich über
ihn, um ihm, halb wie segnend, die Stirn zu küssen.
Das Elfenbeinkreuz berührte dabei seine Brust. Sie
ließ es eine Weile da ruhen. Dann aber trat sie wieder
zurück, und sich zweimal unter hoheitsvollem Gruß ver¬
neigend, verließ sie das Zimmer. Engelke, der draußen
im Flur stand, eilte vorauf, ihr beim Einsteigen in den
kleinen Katzlerschen Jagdwagen behilflich zu sein.

Als Dubslav wieder allein war, nahm er das
Schüreisen, das grad' vor ihm auf dem Kaminstein lag,
und fuhr in die halb niedergebrannten Scheite. Die
Flamme schlug auf und etliche Funken stoben. "Arme
Durchlaucht. Es ist doch nicht gut, wenn Prinzessinnen
in Oberförsterhäuser einziehn. Sie sind dann aus ihrem
Fahrwasser heraus und greifen nach allem möglichen,
um in der selbstgeschaffenen Alltäglichkeit nicht unter¬
zugehn. Einen bessern Trostspender als Koseleger konnte
sie freilich nicht finden; er gab ihr den Trost, dessen
er selber bedürftig ist. Im übrigen mag sie sich aufrichten
lassen, von wem sie will. Der Alte auf Sanssouci,
mit seinem ,nach der eignen Facon selig werden', hat's
auch darin getroffen. Gewiß. Aber wenn ich euch eure
Facon lasse, so laßt mir auch die meine. Wollt nicht alles
besser wissen, kommt mir nicht mit Anzettelungen, erst
gegen meinen guten Krippenstapel, der kein Wässerchen
trübt, und nun gar gegen meinen klugen Lorenzen, der
euch alle in die Tasche steckt. An ihn persönlich wagen
sie sich nicht 'ran, und da kommen sie nun zu mir und
wollen mich umstimmen und denken, weil ich krank bin,

zu ſehn glauben, daß er an dieſe ſterile Küſte verſchlagen
werden mußte, gerade mir eine Hilfe zu ſein. Aber,
was er an mir that, kann er auch an andern thun.
Er hat eben das, was zum Siege führt; wer die
Seele hat, hat auch den Leib.“

Unter dieſen Worten war Ermyntrud von ihrem
Stuhl an Dubslav herangetreten und neigte ſich über
ihn, um ihm, halb wie ſegnend, die Stirn zu küſſen.
Das Elfenbeinkreuz berührte dabei ſeine Bruſt. Sie
ließ es eine Weile da ruhen. Dann aber trat ſie wieder
zurück, und ſich zweimal unter hoheitsvollem Gruß ver¬
neigend, verließ ſie das Zimmer. Engelke, der draußen
im Flur ſtand, eilte vorauf, ihr beim Einſteigen in den
kleinen Katzlerſchen Jagdwagen behilflich zu ſein.

Als Dubslav wieder allein war, nahm er das
Schüreiſen, das grad' vor ihm auf dem Kaminſtein lag,
und fuhr in die halb niedergebrannten Scheite. Die
Flamme ſchlug auf und etliche Funken ſtoben. „Arme
Durchlaucht. Es iſt doch nicht gut, wenn Prinzeſſinnen
in Oberförſterhäuſer einziehn. Sie ſind dann aus ihrem
Fahrwaſſer heraus und greifen nach allem möglichen,
um in der ſelbſtgeſchaffenen Alltäglichkeit nicht unter¬
zugehn. Einen beſſern Troſtſpender als Koſeleger konnte
ſie freilich nicht finden; er gab ihr den Troſt, deſſen
er ſelber bedürftig iſt. Im übrigen mag ſie ſich aufrichten
laſſen, von wem ſie will. Der Alte auf Sansſouci,
mit ſeinem ‚nach der eignen Façon ſelig werden‘, hat's
auch darin getroffen. Gewiß. Aber wenn ich euch eure
Façon laſſe, ſo laßt mir auch die meine. Wollt nicht alles
beſſer wiſſen, kommt mir nicht mit Anzettelungen, erſt
gegen meinen guten Krippenſtapel, der kein Wäſſerchen
trübt, und nun gar gegen meinen klugen Lorenzen, der
euch alle in die Taſche ſteckt. An ihn perſönlich wagen
ſie ſich nicht 'ran, und da kommen ſie nun zu mir und
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [437]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/444>, abgerufen am 22.11.2024.