Lorenzen kam nicht; er war nach Rheinsberg, wo die Geistlichen aus dem östlichen Teil der Grafschaft eine Konferenz hatten. Aber statt Lorenzen kam Doktor Moscheles und sprach von allem möglichen, erst ganz kurz von Dubslavs Zustand, den er nicht gut und nicht schlecht fand, dann von Koseleger, von Katzler, auch von Sponholz (von dem ein Brief eingetroffen war), am ausführlichsten aber von Rechtsanwalt Katzenstein und von Torgelow. "Ja, dieser Torgelow," sagte Moscheles. "Es war ein Mißgriff, ihn zu wählen. Und wenn es noch nötig gewesen wäre, wenn die Partei keinen Besseren gehabt hätte! Aber da haben sie denn doch noch ganz andre Leute." Dubslav war davon wenig angenehm berührt, weil er aus der persönlichen Niedrigstellung Torgelows die Hochstellung der Torgelow¬ schen Partei heraushörte.
Der Besuch hatte wohl eine halbe Stunde gedauert. Als Moscheles wieder fort war, sagte Dubslav: "Engelke, wenn er wiederkommt, so sag' ihm, ich sei nicht da. Das wird er natürlich nicht glauben; weiß er doch am besten, daß ich an mein Zimmer und meinen Rollstuhl gebunden bin. Aber trotzdem; ich mag ihn nicht. Es war eine Dummheit von Sponholz, sich grade diesen auszusuchen, solchen Allerneuesten, der nach Sozial¬ demokratie schmeckt und dabei seinen Stock so sonderbar
Achtunddreißigſtes Kapitel.
Lorenzen kam nicht; er war nach Rheinsberg, wo die Geiſtlichen aus dem öſtlichen Teil der Grafſchaft eine Konferenz hatten. Aber ſtatt Lorenzen kam Doktor Moſcheles und ſprach von allem möglichen, erſt ganz kurz von Dubslavs Zuſtand, den er nicht gut und nicht ſchlecht fand, dann von Koſeleger, von Katzler, auch von Sponholz (von dem ein Brief eingetroffen war), am ausführlichſten aber von Rechtsanwalt Katzenſtein und von Torgelow. „Ja, dieſer Torgelow,“ ſagte Moſcheles. „Es war ein Mißgriff, ihn zu wählen. Und wenn es noch nötig geweſen wäre, wenn die Partei keinen Beſſeren gehabt hätte! Aber da haben ſie denn doch noch ganz andre Leute.“ Dubslav war davon wenig angenehm berührt, weil er aus der perſönlichen Niedrigſtellung Torgelows die Hochſtellung der Torgelow¬ ſchen Partei heraushörte.
Der Beſuch hatte wohl eine halbe Stunde gedauert. Als Moſcheles wieder fort war, ſagte Dubslav: „Engelke, wenn er wiederkommt, ſo ſag' ihm, ich ſei nicht da. Das wird er natürlich nicht glauben; weiß er doch am beſten, daß ich an mein Zimmer und meinen Rollſtuhl gebunden bin. Aber trotzdem; ich mag ihn nicht. Es war eine Dummheit von Sponholz, ſich grade dieſen auszuſuchen, ſolchen Allerneueſten, der nach Sozial¬ demokratie ſchmeckt und dabei ſeinen Stock ſo ſonderbar
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Achtunddreißigſtes Kapitel.
Lorenzen kam nicht; er war nach Rheinsberg, wo
die Geiſtlichen aus dem öſtlichen Teil der Grafſchaft
eine Konferenz hatten. Aber ſtatt Lorenzen kam Doktor
Moſcheles und ſprach von allem möglichen, erſt ganz
kurz von Dubslavs Zuſtand, den er nicht gut und nicht
ſchlecht fand, dann von Koſeleger, von Katzler, auch
von Sponholz (von dem ein Brief eingetroffen war),
am ausführlichſten aber von Rechtsanwalt Katzenſtein
und von Torgelow. „Ja, dieſer Torgelow,“ ſagte
Moſcheles. „Es war ein Mißgriff, ihn zu wählen.
Und wenn es noch nötig geweſen wäre, wenn die Partei
keinen Beſſeren gehabt hätte! Aber da haben ſie denn
doch noch ganz andre Leute.“ Dubslav war davon
wenig angenehm berührt, weil er aus der perſönlichen
Niedrigſtellung Torgelows die Hochſtellung der Torgelow¬
ſchen Partei heraushörte.
Der Beſuch hatte wohl eine halbe Stunde gedauert.
Als Moſcheles wieder fort war, ſagte Dubslav: „Engelke,
wenn er wiederkommt, ſo ſag' ihm, ich ſei nicht da.
Das wird er natürlich nicht glauben; weiß er doch am
beſten, daß ich an mein Zimmer und meinen Rollſtuhl
gebunden bin. Aber trotzdem; ich mag ihn nicht. Es
war eine Dummheit von Sponholz, ſich grade dieſen
auszuſuchen, ſolchen Allerneueſten, der nach Sozial¬
demokratie ſchmeckt und dabei ſeinen Stock ſo ſonderbar
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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [439]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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