Dieser Wunsch erfüllte sich denn auch. Dubslav ließ ihn nicht rufen, wiewohl guter Grund dazu gewesen wäre, denn die Beschwerden wuchsen plötzlich wieder, und wenn sie zeitweilig nachließen, waren die geschwollenen Füße sofort wieder da. Engelke sah das alles mit Sorge. Was blieb ihm noch vom Leben, wenn er seinen gnäd'gen Herrn nicht mehr hatte? Jeder im Haus mißbilligte des Alten Eigensinn, und Martin, als er eines Tages vom Stall her in die nebenan gelegene niedrige Stube trat, wo seine Frau Kartoffeln schälte, sagte zu dieser: "Ick weet nich, Mutter, worüm he den jungschen Dokter rutgrulen däd. De Jungsche is doch klöger, as de olle Sponholz is. Doa möt man blot de Globsower über Sponholzen hüren. ,Joa, oll Spon¬ holz', so seggen se, ,de is joa so wiet ganz good, awers he seggt man ümmer: Kinnings, krank is he egentlich nich, he brukt man blot 'ne Supp' mit en beten wat in!' Joa, Sponholz, de kann so wat seggen, de hett wat dato. Awers de Globsower! Wo salln de 'ne Supp' herkregen mit en beten wat in?"
So verging Tag um Tag, und Dubslav, dem herzlich schlecht war, sah nun selber, daß er sich in jedem Punkt übereilt hatte. Moscheles war doch immerhin ein richtiger Stellvertreter gewesen, und wenn er jetzt einen andern nahm, so traf das Sponholzen auch mit. Und das mocht' er nicht. In dieser Notlage sann er hin und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter Bedrängnis und Atemnot war, rief er Engelke und sagte: "Engelke, mir is schlecht. Aber rede mir nich von dem Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht. Sage, wie steht das eigentlich mit der Buschen? Die soll ja doch letzten Herbst uns' Kossät Rohrbeckens Frau wieder auf die Beine gebracht haben."
"Ja, die Buschen ..."
"Na, was meinst du?"
Dieſer Wunſch erfüllte ſich denn auch. Dubslav ließ ihn nicht rufen, wiewohl guter Grund dazu geweſen wäre, denn die Beſchwerden wuchſen plötzlich wieder, und wenn ſie zeitweilig nachließen, waren die geſchwollenen Füße ſofort wieder da. Engelke ſah das alles mit Sorge. Was blieb ihm noch vom Leben, wenn er ſeinen gnäd'gen Herrn nicht mehr hatte? Jeder im Haus mißbilligte des Alten Eigenſinn, und Martin, als er eines Tages vom Stall her in die nebenan gelegene niedrige Stube trat, wo ſeine Frau Kartoffeln ſchälte, ſagte zu dieſer: „Ick weet nich, Mutter, worüm he den jungſchen Dokter rutgrulen däd. De Jungſche is doch klöger, as de olle Sponholz is. Doa möt man blot de Globſower über Sponholzen hüren. ‚Joa, oll Spon¬ holz‘, ſo ſeggen ſe, ‚de is joa ſo wiet ganz good, awers he ſeggt man ümmer: Kinnings, krank is he egentlich nich, he brukt man blot 'ne Supp' mit en beten wat in!‘ Joa, Sponholz, de kann ſo wat ſeggen, de hett wat dato. Awers de Globſower! Wo ſalln de 'ne Supp' herkregen mit en beten wat in?“
So verging Tag um Tag, und Dubslav, dem herzlich ſchlecht war, ſah nun ſelber, daß er ſich in jedem Punkt übereilt hatte. Moſcheles war doch immerhin ein richtiger Stellvertreter geweſen, und wenn er jetzt einen andern nahm, ſo traf das Sponholzen auch mit. Und das mocht' er nicht. In dieſer Notlage ſann er hin und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter Bedrängnis und Atemnot war, rief er Engelke und ſagte: „Engelke, mir is ſchlecht. Aber rede mir nich von dem Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht. Sage, wie ſteht das eigentlich mit der Buſchen? Die ſoll ja doch letzten Herbſt unſ' Koſſät Rohrbeckens Frau wieder auf die Beine gebracht haben.“
„Ja, die Buſchen ...“
„Na, was meinſt du?“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0448"n="441"/><p>Dieſer Wunſch erfüllte ſich denn auch. Dubslav<lb/>
ließ ihn nicht rufen, wiewohl guter Grund dazu geweſen<lb/>
wäre, denn die Beſchwerden wuchſen plötzlich wieder,<lb/>
und wenn ſie zeitweilig nachließen, waren die geſchwollenen<lb/>
Füße ſofort wieder da. Engelke ſah das alles mit<lb/>
Sorge. Was blieb ihm noch vom Leben, wenn er ſeinen<lb/>
gnäd'gen Herrn nicht mehr hatte? Jeder im Haus<lb/>
mißbilligte des Alten Eigenſinn, und Martin, als er<lb/>
eines Tages vom Stall her in die nebenan gelegene<lb/>
niedrige Stube trat, wo ſeine Frau Kartoffeln ſchälte,<lb/>ſagte zu dieſer: „Ick weet nich, Mutter, worüm he den<lb/>
jungſchen Dokter rutgrulen däd. De Jungſche is doch<lb/>
klöger, as de olle Sponholz is. Doa möt man blot<lb/>
de Globſower über Sponholzen hüren. ‚Joa, oll Spon¬<lb/>
holz‘, ſo ſeggen ſe, ‚de is joa ſo wiet ganz good, awers<lb/>
he ſeggt man ümmer: Kinnings, krank is he egentlich<lb/>
nich, he brukt man blot 'ne Supp' mit en beten wat<lb/>
in!‘ Joa, Sponholz, de kann ſo wat ſeggen, de hett<lb/>
wat dato. Awers de Globſower! Wo ſalln de 'ne<lb/>
Supp' herkregen mit en beten wat in?“</p><lb/><p>So verging Tag um Tag, und Dubslav, dem<lb/>
herzlich ſchlecht war, ſah nun ſelber, daß er ſich in jedem<lb/>
Punkt übereilt hatte. Moſcheles war doch immerhin ein<lb/>
richtiger Stellvertreter geweſen, und wenn er jetzt einen<lb/>
andern nahm, ſo traf das Sponholzen auch mit. Und<lb/>
das mocht' er nicht. In dieſer Notlage ſann er hin<lb/>
und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter<lb/>
Bedrängnis und Atemnot war, rief er Engelke und ſagte:<lb/>„Engelke, mir is ſchlecht. Aber rede mir nich von dem<lb/>
Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht.<lb/>
Sage, wie ſteht das eigentlich mit der Buſchen? Die<lb/>ſoll ja doch letzten Herbſt unſ' Koſſät Rohrbeckens Frau<lb/>
wieder auf die Beine gebracht haben.“</p><lb/><p>„Ja, die Buſchen ...“</p><lb/><p>„Na, was meinſt du?“<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[441/0448]
Dieſer Wunſch erfüllte ſich denn auch. Dubslav
ließ ihn nicht rufen, wiewohl guter Grund dazu geweſen
wäre, denn die Beſchwerden wuchſen plötzlich wieder,
und wenn ſie zeitweilig nachließen, waren die geſchwollenen
Füße ſofort wieder da. Engelke ſah das alles mit
Sorge. Was blieb ihm noch vom Leben, wenn er ſeinen
gnäd'gen Herrn nicht mehr hatte? Jeder im Haus
mißbilligte des Alten Eigenſinn, und Martin, als er
eines Tages vom Stall her in die nebenan gelegene
niedrige Stube trat, wo ſeine Frau Kartoffeln ſchälte,
ſagte zu dieſer: „Ick weet nich, Mutter, worüm he den
jungſchen Dokter rutgrulen däd. De Jungſche is doch
klöger, as de olle Sponholz is. Doa möt man blot
de Globſower über Sponholzen hüren. ‚Joa, oll Spon¬
holz‘, ſo ſeggen ſe, ‚de is joa ſo wiet ganz good, awers
he ſeggt man ümmer: Kinnings, krank is he egentlich
nich, he brukt man blot 'ne Supp' mit en beten wat
in!‘ Joa, Sponholz, de kann ſo wat ſeggen, de hett
wat dato. Awers de Globſower! Wo ſalln de 'ne
Supp' herkregen mit en beten wat in?“
So verging Tag um Tag, und Dubslav, dem
herzlich ſchlecht war, ſah nun ſelber, daß er ſich in jedem
Punkt übereilt hatte. Moſcheles war doch immerhin ein
richtiger Stellvertreter geweſen, und wenn er jetzt einen
andern nahm, ſo traf das Sponholzen auch mit. Und
das mocht' er nicht. In dieſer Notlage ſann er hin
und her, und eines Tages, als er mal wieder in rechter
Bedrängnis und Atemnot war, rief er Engelke und ſagte:
„Engelke, mir is ſchlecht. Aber rede mir nich von dem
Doktor. Ich mag unrecht haben, aber ich will ihn nicht.
Sage, wie ſteht das eigentlich mit der Buſchen? Die
ſoll ja doch letzten Herbſt unſ' Koſſät Rohrbeckens Frau
wieder auf die Beine gebracht haben.“
„Ja, die Buſchen ...“
„Na, was meinſt du?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 441. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/448>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.