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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Nu ja, nu ja. Das liegt aber doch zurück."

"Wer keusch ist, bleibt keusch."

"Meinst du das ernsthaft?"

"Natürlich mein' ich es ernsthaft. Über solche
Dinge spaß' ich überhaupt nicht."

Und nun lachte Adelheid herzlich und sagte:
"Dubslav, was hast du nur wieder für Bücher ge¬
lesen? Denn aus dir selbst kannst du doch so was
nicht haben. Und von deinem Pastor Lorenzen auch
nicht. Der wird ja wohl nächstens 'ne ,freie Gemeinde'
gründen."

So war der erste Tag dahingegangen. Alles in
allem, trotz kleiner Ärgerlichkeiten, unterhaltlich genug
für den Alten, der, unter seiner Einsamkeit leidend,
meist froh war, irgend einen Plauderer zu finden, auch
wenn dieser im übrigen nicht gerade der richtige war.
Aber das alles dauerte nicht lange. Die Schwester
wurde von Tag zu Tag rechthaberischer und herrischer
und griff unter der Vorgabe, "daß ihr Bruder anders
verpflegt werden müsse", in alles ein, auch in Dinge,
die mit der Verpflegung gar nichts zu thun hatten.
Vor allem wollte sie ihm den Katzenpfötchenthee weg¬
disputieren, und wenn abends die kleine Meißener Kanne
kam, gab es jedesmal einen erregten Disput über die
Buschen und ihre Hexenkünste.

So waren denn noch keine acht Tage um, als es
für Dubslav feststand, daß Adelheid wieder fort müsse.
Zugleich sann er nach, wie das wohl am besten zu
machen sei. Das war aber keine ganz leichte Sache,
da die "Kündigung" notwendig von ihr ausgehen mußte.
So wenig er sich aus ihr machte, so war er doch zu
sehr Mann der Form und einer feineren Gastlichkeit,
als daß er's zuwege gebracht hätte, seinerseits auf Ab¬
reise zu dringen.

Es war um die vierte Stunde, das Wetter schön,

„Nu ja, nu ja. Das liegt aber doch zurück.“

„Wer keuſch iſt, bleibt keuſch.“

„Meinſt du das ernſthaft?“

„Natürlich mein' ich es ernſthaft. Über ſolche
Dinge ſpaß' ich überhaupt nicht.“

Und nun lachte Adelheid herzlich und ſagte:
„Dubslav, was haſt du nur wieder für Bücher ge¬
leſen? Denn aus dir ſelbſt kannſt du doch ſo was
nicht haben. Und von deinem Paſtor Lorenzen auch
nicht. Der wird ja wohl nächſtens 'ne ‚freie Gemeinde‘
gründen.“

So war der erſte Tag dahingegangen. Alles in
allem, trotz kleiner Ärgerlichkeiten, unterhaltlich genug
für den Alten, der, unter ſeiner Einſamkeit leidend,
meiſt froh war, irgend einen Plauderer zu finden, auch
wenn dieſer im übrigen nicht gerade der richtige war.
Aber das alles dauerte nicht lange. Die Schweſter
wurde von Tag zu Tag rechthaberiſcher und herriſcher
und griff unter der Vorgabe, „daß ihr Bruder anders
verpflegt werden müſſe“, in alles ein, auch in Dinge,
die mit der Verpflegung gar nichts zu thun hatten.
Vor allem wollte ſie ihm den Katzenpfötchenthee weg¬
disputieren, und wenn abends die kleine Meißener Kanne
kam, gab es jedesmal einen erregten Disput über die
Buſchen und ihre Hexenkünſte.

So waren denn noch keine acht Tage um, als es
für Dubslav feſtſtand, daß Adelheid wieder fort müſſe.
Zugleich ſann er nach, wie das wohl am beſten zu
machen ſei. Das war aber keine ganz leichte Sache,
da die „Kündigung“ notwendig von ihr ausgehen mußte.
So wenig er ſich aus ihr machte, ſo war er doch zu
ſehr Mann der Form und einer feineren Gaſtlichkeit,
als daß er's zuwege gebracht hätte, ſeinerſeits auf Ab¬
reiſe zu dringen.

Es war um die vierte Stunde, das Wetter ſchön,

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[461/0468] „Nu ja, nu ja. Das liegt aber doch zurück.“ „Wer keuſch iſt, bleibt keuſch.“ „Meinſt du das ernſthaft?“ „Natürlich mein' ich es ernſthaft. Über ſolche Dinge ſpaß' ich überhaupt nicht.“ Und nun lachte Adelheid herzlich und ſagte: „Dubslav, was haſt du nur wieder für Bücher ge¬ leſen? Denn aus dir ſelbſt kannſt du doch ſo was nicht haben. Und von deinem Paſtor Lorenzen auch nicht. Der wird ja wohl nächſtens 'ne ‚freie Gemeinde‘ gründen.“ So war der erſte Tag dahingegangen. Alles in allem, trotz kleiner Ärgerlichkeiten, unterhaltlich genug für den Alten, der, unter ſeiner Einſamkeit leidend, meiſt froh war, irgend einen Plauderer zu finden, auch wenn dieſer im übrigen nicht gerade der richtige war. Aber das alles dauerte nicht lange. Die Schweſter wurde von Tag zu Tag rechthaberiſcher und herriſcher und griff unter der Vorgabe, „daß ihr Bruder anders verpflegt werden müſſe“, in alles ein, auch in Dinge, die mit der Verpflegung gar nichts zu thun hatten. Vor allem wollte ſie ihm den Katzenpfötchenthee weg¬ disputieren, und wenn abends die kleine Meißener Kanne kam, gab es jedesmal einen erregten Disput über die Buſchen und ihre Hexenkünſte. So waren denn noch keine acht Tage um, als es für Dubslav feſtſtand, daß Adelheid wieder fort müſſe. Zugleich ſann er nach, wie das wohl am beſten zu machen ſei. Das war aber keine ganz leichte Sache, da die „Kündigung“ notwendig von ihr ausgehen mußte. So wenig er ſich aus ihr machte, ſo war er doch zu ſehr Mann der Form und einer feineren Gaſtlichkeit, als daß er's zuwege gebracht hätte, ſeinerſeits auf Ab¬ reiſe zu dringen. Es war um die vierte Stunde, das Wetter ſchön,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 461. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/468>, abgerufen am 22.11.2024.