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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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sich wohl auch freun. Und die darf auch. Aber ich
wiederhole meine Frage, wie kommst du zu dem Kind?"

"Ich hab' es kommen lassen."

"Haha. Sehr gut; ,kommen lassen'. Der Klapper¬
storch hat es dir wohl von der grünen Wiese gebracht
und natürlich auch gleich für die roten Beine gesorgt.
Aber ich kenne dich besser. Die Leute hier thun immer
so, wie wenn du dem alten Kortschädel sittlich überlegen
gewesen wärst. Ich für meine Person kann's nicht finden
und sagte dir gern meine Meinung darüber. Aber ich
nehme häßliche Worte nicht gern in den Mund."

"Adelheid, du regst dich auf. Und ich frage mich,
warum? Du bist ein bißchen gegen die Buschen, --
nun gut, gegen die Buschen kann man sein; und du
bist ein bißchen gegen die Karline, -- nun gut, gegen
die Karline kann man auch sein. Aber ich sehe dir's
an, das eigentliche, was dich aufregt, das ist nicht die
Buschen und ist auch nicht die Karline, das sind bloß
die roten Strümpfe. Warum bist du so sehr gegen die
roten Strümpfe?"

"Weil sie ein Zeichen sind."

"Das sagt gar nichts, Adelheid. Ein Zeichen ist
alles. Wovon sind sie ein Zeichen? Darauf kommt
es an."

"Sie sind ein Zeichen von Ungehörigkeit und Ver¬
kehrtheit. Und ob du nun lachen magst oder nicht,
-- denn an einem Strohhalm sieht man eben am besten,
woher der Wind weht -- sie sind ein Zeichen davon,
daß alle Vernunft aus der Welt ist und alle gesellschaft¬
liche Scheidung immer mehr aufhört. Und das alles
unterstützt du. Du denkst wunder, wie fest du bist; aber
du bist nicht fest und kannst es auch nicht sein, denn
du steckst in allerlei Schrullen und Eitelkeiten. Und
wenn sie dir um den Bart gehn oder dich bei deinen
Liebhabereien fassen, dann läßt du das, worauf es an¬

ſich wohl auch freun. Und die darf auch. Aber ich
wiederhole meine Frage, wie kommſt du zu dem Kind?“

„Ich hab' es kommen laſſen.“

„Haha. Sehr gut; ‚kommen laſſen‘. Der Klapper¬
ſtorch hat es dir wohl von der grünen Wieſe gebracht
und natürlich auch gleich für die roten Beine geſorgt.
Aber ich kenne dich beſſer. Die Leute hier thun immer
ſo, wie wenn du dem alten Kortſchädel ſittlich überlegen
geweſen wärſt. Ich für meine Perſon kann's nicht finden
und ſagte dir gern meine Meinung darüber. Aber ich
nehme häßliche Worte nicht gern in den Mund.“

„Adelheid, du regſt dich auf. Und ich frage mich,
warum? Du biſt ein bißchen gegen die Buſchen, —
nun gut, gegen die Buſchen kann man ſein; und du
biſt ein bißchen gegen die Karline, — nun gut, gegen
die Karline kann man auch ſein. Aber ich ſehe dir's
an, das eigentliche, was dich aufregt, das iſt nicht die
Buſchen und iſt auch nicht die Karline, das ſind bloß
die roten Strümpfe. Warum biſt du ſo ſehr gegen die
roten Strümpfe?“

„Weil ſie ein Zeichen ſind.“

„Das ſagt gar nichts, Adelheid. Ein Zeichen iſt
alles. Wovon ſind ſie ein Zeichen? Darauf kommt
es an.“

„Sie ſind ein Zeichen von Ungehörigkeit und Ver¬
kehrtheit. Und ob du nun lachen magſt oder nicht,
— denn an einem Strohhalm ſieht man eben am beſten,
woher der Wind weht — ſie ſind ein Zeichen davon,
daß alle Vernunft aus der Welt iſt und alle geſellſchaft¬
liche Scheidung immer mehr aufhört. Und das alles
unterſtützt du. Du denkſt wunder, wie feſt du biſt; aber
du biſt nicht feſt und kannſt es auch nicht ſein, denn
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[466/0473] ſich wohl auch freun. Und die darf auch. Aber ich wiederhole meine Frage, wie kommſt du zu dem Kind?“ „Ich hab' es kommen laſſen.“ „Haha. Sehr gut; ‚kommen laſſen‘. Der Klapper¬ ſtorch hat es dir wohl von der grünen Wieſe gebracht und natürlich auch gleich für die roten Beine geſorgt. Aber ich kenne dich beſſer. Die Leute hier thun immer ſo, wie wenn du dem alten Kortſchädel ſittlich überlegen geweſen wärſt. Ich für meine Perſon kann's nicht finden und ſagte dir gern meine Meinung darüber. Aber ich nehme häßliche Worte nicht gern in den Mund.“ „Adelheid, du regſt dich auf. Und ich frage mich, warum? Du biſt ein bißchen gegen die Buſchen, — nun gut, gegen die Buſchen kann man ſein; und du biſt ein bißchen gegen die Karline, — nun gut, gegen die Karline kann man auch ſein. Aber ich ſehe dir's an, das eigentliche, was dich aufregt, das iſt nicht die Buſchen und iſt auch nicht die Karline, das ſind bloß die roten Strümpfe. Warum biſt du ſo ſehr gegen die roten Strümpfe?“ „Weil ſie ein Zeichen ſind.“ „Das ſagt gar nichts, Adelheid. Ein Zeichen iſt alles. Wovon ſind ſie ein Zeichen? Darauf kommt es an.“ „Sie ſind ein Zeichen von Ungehörigkeit und Ver¬ kehrtheit. Und ob du nun lachen magſt oder nicht, — denn an einem Strohhalm ſieht man eben am beſten, woher der Wind weht — ſie ſind ein Zeichen davon, daß alle Vernunft aus der Welt iſt und alle geſellſchaft¬ liche Scheidung immer mehr aufhört. Und das alles unterſtützt du. Du denkſt wunder, wie feſt du biſt; aber du biſt nicht feſt und kannſt es auch nicht ſein, denn du ſteckſt in allerlei Schrullen und Eitelkeiten. Und wenn ſie dir um den Bart gehn oder dich bei deinen Liebhabereien faſſen, dann läßt du das, worauf es an¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/473>, abgerufen am 22.11.2024.