In dieser guten Laune verblieb Dubslav eine ganze Weile, sich mehr und mehr zurechtlegend, daß er sich die Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte sparen können; "denn wenn alles drin ist, so ist doch auch Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch Fingerhut oder wie Sponholz sagt: ,Die Digitalis'." Engelke freilich wollte von diesen Sophistereien nichts wissen, sein Herr aber ließ sich durch solche Zweifel nicht stören und fuhr vielmehr fort: "Und dann, Engelke, macht es doch auch einen Unterschied, von wem eine Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der Buschen, und die Wabe kommt von Krippenstapel. Das heißt also, hinter der Wabe steht ein guter Geist, und hinter den Katzenpfötchen steht ein böser Geist. Und das kannst du mir glauben, an solchen Rätselhaftigkeiten liegt sehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen seine Patsche giebt, so ist das ganz was anders, wie wenn mir Koseleger seine Hand giebt. Koseleger hat solche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring."
"Aber er is doch ein Superintendent."
"Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch höher. Und wenn es nach der Prinzessin geht, wird er Papst. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen; aber viel geb' ich nicht."
Als Dubslav und Engelke dies Gespräch führten, saß Agnes wie gewöhnlich am Fenster, mit halbem Ohre hinhörend, und so wenig sie davon verstand, so verstand sie doch gerade genug. Krippenstapel war ein guter Geist und ihre Großmutter war ein böser Geist. Aber das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen erzählt würde. Sie hatte schon so vieles in ihrem Leben gehört und war wohl dazu bestimmt, noch viel, viel andres zu hören. Ihr Gesichtsausdruck blieb denn
Fontane, Der Stechlin. 31
In dieſer guten Laune verblieb Dubslav eine ganze Weile, ſich mehr und mehr zurechtlegend, daß er ſich die Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte ſparen können; „denn wenn alles drin iſt, ſo iſt doch auch Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch Fingerhut oder wie Sponholz ſagt: ‚Die Digitalis‘.“ Engelke freilich wollte von dieſen Sophiſtereien nichts wiſſen, ſein Herr aber ließ ſich durch ſolche Zweifel nicht ſtören und fuhr vielmehr fort: „Und dann, Engelke, macht es doch auch einen Unterſchied, von wem eine Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der Buſchen, und die Wabe kommt von Krippenſtapel. Das heißt alſo, hinter der Wabe ſteht ein guter Geiſt, und hinter den Katzenpfötchen ſteht ein böſer Geiſt. Und das kannſt du mir glauben, an ſolchen Rätſelhaftigkeiten liegt ſehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen ſeine Patſche giebt, ſo iſt das ganz was anders, wie wenn mir Koſeleger ſeine Hand giebt. Koſeleger hat ſolche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.“
„Aber er is doch ein Superintendent.“
„Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch höher. Und wenn es nach der Prinzeſſin geht, wird er Papſt. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen; aber viel geb' ich nicht.“
Als Dubslav und Engelke dies Geſpräch führten, ſaß Agnes wie gewöhnlich am Fenſter, mit halbem Ohre hinhörend, und ſo wenig ſie davon verſtand, ſo verſtand ſie doch gerade genug. Krippenſtapel war ein guter Geiſt und ihre Großmutter war ein böſer Geiſt. Aber das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen erzählt würde. Sie hatte ſchon ſo vieles in ihrem Leben gehört und war wohl dazu beſtimmt, noch viel, viel andres zu hören. Ihr Geſichtsausdruck blieb denn
Fontane, Der Stechlin. 31
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0488"n="481"/><p>In dieſer guten Laune verblieb Dubslav eine ganze<lb/>
Weile, ſich mehr und mehr zurechtlegend, daß er ſich die<lb/>
Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte ſparen<lb/>
können; „denn wenn <hirendition="#g">alles</hi> drin iſt, ſo iſt doch auch<lb/>
Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch<lb/>
Fingerhut oder wie Sponholz ſagt: ‚Die Digitalis‘.“<lb/>
Engelke freilich wollte von dieſen Sophiſtereien nichts<lb/>
wiſſen, ſein Herr aber ließ ſich durch ſolche Zweifel nicht<lb/>ſtören und fuhr vielmehr fort: „<choice><sic>Uud</sic><corr>Und</corr></choice> dann, Engelke,<lb/>
macht es doch auch einen Unterſchied, von wem eine<lb/>
Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der<lb/>
Buſchen, und die Wabe kommt von Krippenſtapel. Das<lb/>
heißt alſo, hinter der Wabe ſteht ein guter Geiſt, und hinter<lb/>
den Katzenpfötchen ſteht ein böſer Geiſt. Und das<lb/>
kannſt du mir glauben, an ſolchen Rätſelhaftigkeiten<lb/>
liegt ſehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen ſeine<lb/>
Patſche giebt, ſo iſt das ganz was anders, wie wenn<lb/>
mir Koſeleger ſeine Hand giebt. Koſeleger hat ſolche<lb/>
weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.“<lb/></p><p>„Aber er is doch ein Superintendent.“<lb/></p><p>„Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch<lb/>
höher. Und wenn es nach der Prinzeſſin geht, wird er<lb/>
Papſt. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen;<lb/>
aber viel geb' ich nicht.“</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Als Dubslav und Engelke dies Geſpräch führten,<lb/>ſaß Agnes wie gewöhnlich am Fenſter, mit halbem Ohre<lb/>
hinhörend, und ſo wenig ſie davon verſtand, ſo verſtand<lb/>ſie doch gerade genug. Krippenſtapel war ein guter<lb/>
Geiſt und ihre Großmutter war ein böſer Geiſt. Aber<lb/>
das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen<lb/>
erzählt würde. Sie hatte ſchon ſo vieles in ihrem<lb/>
Leben gehört und war wohl dazu beſtimmt, noch viel,<lb/>
viel andres zu hören. Ihr Geſichtsausdruck blieb denn<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#g">Fontane</hi>, Der Stechlin. 31<lb/></fw></p></div></div></body></text></TEI>
[481/0488]
In dieſer guten Laune verblieb Dubslav eine ganze
Weile, ſich mehr und mehr zurechtlegend, daß er ſich die
Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte ſparen
können; „denn wenn alles drin iſt, ſo iſt doch auch
Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch
Fingerhut oder wie Sponholz ſagt: ‚Die Digitalis‘.“
Engelke freilich wollte von dieſen Sophiſtereien nichts
wiſſen, ſein Herr aber ließ ſich durch ſolche Zweifel nicht
ſtören und fuhr vielmehr fort: „Und dann, Engelke,
macht es doch auch einen Unterſchied, von wem eine
Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der
Buſchen, und die Wabe kommt von Krippenſtapel. Das
heißt alſo, hinter der Wabe ſteht ein guter Geiſt, und hinter
den Katzenpfötchen ſteht ein böſer Geiſt. Und das
kannſt du mir glauben, an ſolchen Rätſelhaftigkeiten
liegt ſehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen ſeine
Patſche giebt, ſo iſt das ganz was anders, wie wenn
mir Koſeleger ſeine Hand giebt. Koſeleger hat ſolche
weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.“
„Aber er is doch ein Superintendent.“
„Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch
höher. Und wenn es nach der Prinzeſſin geht, wird er
Papſt. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen;
aber viel geb' ich nicht.“
Als Dubslav und Engelke dies Geſpräch führten,
ſaß Agnes wie gewöhnlich am Fenſter, mit halbem Ohre
hinhörend, und ſo wenig ſie davon verſtand, ſo verſtand
ſie doch gerade genug. Krippenſtapel war ein guter
Geiſt und ihre Großmutter war ein böſer Geiſt. Aber
das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen
erzählt würde. Sie hatte ſchon ſo vieles in ihrem
Leben gehört und war wohl dazu beſtimmt, noch viel,
viel andres zu hören. Ihr Geſichtsausdruck blieb denn
Fontane, Der Stechlin. 31
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/488>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.