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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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In dieser guten Laune verblieb Dubslav eine ganze
Weile, sich mehr und mehr zurechtlegend, daß er sich die
Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte sparen
können; "denn wenn alles drin ist, so ist doch auch
Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch
Fingerhut oder wie Sponholz sagt: ,Die Digitalis'."
Engelke freilich wollte von diesen Sophistereien nichts
wissen, sein Herr aber ließ sich durch solche Zweifel nicht
stören und fuhr vielmehr fort: "Und dann, Engelke,
macht es doch auch einen Unterschied, von wem eine
Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der
Buschen, und die Wabe kommt von Krippenstapel. Das
heißt also, hinter der Wabe steht ein guter Geist, und hinter
den Katzenpfötchen steht ein böser Geist. Und das
kannst du mir glauben, an solchen Rätselhaftigkeiten
liegt sehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen seine
Patsche giebt, so ist das ganz was anders, wie wenn
mir Koseleger seine Hand giebt. Koseleger hat solche
weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring."

"Aber er is doch ein Superintendent."

"Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch
höher. Und wenn es nach der Prinzessin geht, wird er
Papst. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen;
aber viel geb' ich nicht."


Als Dubslav und Engelke dies Gespräch führten,
saß Agnes wie gewöhnlich am Fenster, mit halbem Ohre
hinhörend, und so wenig sie davon verstand, so verstand
sie doch gerade genug. Krippenstapel war ein guter
Geist und ihre Großmutter war ein böser Geist. Aber
das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen
erzählt würde. Sie hatte schon so vieles in ihrem
Leben gehört und war wohl dazu bestimmt, noch viel,
viel andres zu hören. Ihr Gesichtsausdruck blieb denn

Fontane, Der Stechlin. 31

In dieſer guten Laune verblieb Dubslav eine ganze
Weile, ſich mehr und mehr zurechtlegend, daß er ſich die
Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte ſparen
können; „denn wenn alles drin iſt, ſo iſt doch auch
Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch
Fingerhut oder wie Sponholz ſagt: ‚Die Digitalis‘.“
Engelke freilich wollte von dieſen Sophiſtereien nichts
wiſſen, ſein Herr aber ließ ſich durch ſolche Zweifel nicht
ſtören und fuhr vielmehr fort: „Und dann, Engelke,
macht es doch auch einen Unterſchied, von wem eine
Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der
Buſchen, und die Wabe kommt von Krippenſtapel. Das
heißt alſo, hinter der Wabe ſteht ein guter Geiſt, und hinter
den Katzenpfötchen ſteht ein böſer Geiſt. Und das
kannſt du mir glauben, an ſolchen Rätſelhaftigkeiten
liegt ſehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen ſeine
Patſche giebt, ſo iſt das ganz was anders, wie wenn
mir Koſeleger ſeine Hand giebt. Koſeleger hat ſolche
weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.“

„Aber er is doch ein Superintendent.“

„Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch
höher. Und wenn es nach der Prinzeſſin geht, wird er
Papſt. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen;
aber viel geb' ich nicht.“


Als Dubslav und Engelke dies Geſpräch führten,
ſaß Agnes wie gewöhnlich am Fenſter, mit halbem Ohre
hinhörend, und ſo wenig ſie davon verſtand, ſo verſtand
ſie doch gerade genug. Krippenſtapel war ein guter
Geiſt und ihre Großmutter war ein böſer Geiſt. Aber
das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen
erzählt würde. Sie hatte ſchon ſo vieles in ihrem
Leben gehört und war wohl dazu beſtimmt, noch viel,
viel andres zu hören. Ihr Geſichtsausdruck blieb denn

Fontane, Der Stechlin. 31
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[481/0488] In dieſer guten Laune verblieb Dubslav eine ganze Weile, ſich mehr und mehr zurechtlegend, daß er ſich die Quälerei mit all dem andern Zeug eigentlich hätte ſparen können; „denn wenn alles drin iſt, ſo iſt doch auch Bärlapp und Katzenpfötchen drin und natürlich auch Fingerhut oder wie Sponholz ſagt: ‚Die Digitalis‘.“ Engelke freilich wollte von dieſen Sophiſtereien nichts wiſſen, ſein Herr aber ließ ſich durch ſolche Zweifel nicht ſtören und fuhr vielmehr fort: „Und dann, Engelke, macht es doch auch einen Unterſchied, von wem eine Sache kommt. Die Katzenpfötchen kommen von der Buſchen, und die Wabe kommt von Krippenſtapel. Das heißt alſo, hinter der Wabe ſteht ein guter Geiſt, und hinter den Katzenpfötchen ſteht ein böſer Geiſt. Und das kannſt du mir glauben, an ſolchen Rätſelhaftigkeiten liegt ſehr viel im Leben, und wenn mir Lorenzen ſeine Patſche giebt, ſo iſt das ganz was anders, wie wenn mir Koſeleger ſeine Hand giebt. Koſeleger hat ſolche weichen Finger und auf dem vierten einen großen Ring.“ „Aber er is doch ein Superintendent.“ „Ja, Superintendent is er. Und er kommt auch noch höher. Und wenn es nach der Prinzeſſin geht, wird er Papſt. Und dann wollen wir uns Ablaß bei ihm holen; aber viel geb' ich nicht.“ Als Dubslav und Engelke dies Geſpräch führten, ſaß Agnes wie gewöhnlich am Fenſter, mit halbem Ohre hinhörend, und ſo wenig ſie davon verſtand, ſo verſtand ſie doch gerade genug. Krippenſtapel war ein guter Geiſt und ihre Großmutter war ein böſer Geiſt. Aber das alles war ihr nicht mehr, als ob ihr ein Märchen erzählt würde. Sie hatte ſchon ſo vieles in ihrem Leben gehört und war wohl dazu beſtimmt, noch viel, viel andres zu hören. Ihr Geſichtsausdruck blieb denn Fontane, Der Stechlin. 31

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/488>, abgerufen am 22.11.2024.