So ging das Gespräch. Und als Lorenzen auf¬ brach, fühlte sich der Alte wie belebt und versprach sich eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängstigung.
Aber es kam anders; die Nacht verlief schlecht, und als der Morgen da war und Engelke das Frühstück brachte, sagte Dubslav: "Engelke, schaff die Wabe weg; ich kann das süße Zeug nicht mehr sehn. Krippenstapel hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬ haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur."
"Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die Gegenkraft kann die Wabe nich an."
"Du meinst also: ,für 'n Tod kein Kraut ge¬ wachsen ist'. Ja, das wird es wohl sein; das mein' ich auch."
Engelke schwieg.
Eine Stunde später kam ein Brief, der, trotzdem er aus nächster Nähe stammte, doch durch die Post be¬ fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte die durch Koseleger und sie selbst geplante Gründung eines Rettungshauses für verwahrloste Kinder und äußerte sich am Schlusse dahin, daß, "wenn sich -- hoffentlich binnen kurzem -- ihre Wünsche für Dubslavs fort¬ schreitende Gesundheit erfüllt haben würden," Agnes, das
Zweiundvierzigſtes Kapitel.
So ging das Geſpräch. Und als Lorenzen auf¬ brach, fühlte ſich der Alte wie belebt und verſprach ſich eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängſtigung.
Aber es kam anders; die Nacht verlief ſchlecht, und als der Morgen da war und Engelke das Frühſtück brachte, ſagte Dubslav: „Engelke, ſchaff die Wabe weg; ich kann das ſüße Zeug nicht mehr ſehn. Krippenſtapel hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬ haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur.“
„Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die Gegenkraft kann die Wabe nich an.“
„Du meinſt alſo: ‚für 'n Tod kein Kraut ge¬ wachſen iſt‘. Ja, das wird es wohl ſein; das mein' ich auch.“
Engelke ſchwieg.
Eine Stunde ſpäter kam ein Brief, der, trotzdem er aus nächſter Nähe ſtammte, doch durch die Poſt be¬ fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte die durch Koſeleger und ſie ſelbſt geplante Gründung eines Rettungshauſes für verwahrloſte Kinder und äußerte ſich am Schluſſe dahin, daß, „wenn ſich — hoffentlich binnen kurzem — ihre Wünſche für Dubslavs fort¬ ſchreitende Geſundheit erfüllt haben würden,“ Agnes, das
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0499"n="[492]"/><divn="2"><head><hirendition="#b #g">Zweiundvierzigſtes Kapitel.</hi><lb/></head><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>So ging das Geſpräch. Und als Lorenzen auf¬<lb/>
brach, fühlte ſich der Alte wie belebt und verſprach ſich<lb/>
eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängſtigung.</p><lb/><p>Aber es kam anders; die Nacht verlief ſchlecht, und<lb/>
als der Morgen da war und Engelke das Frühſtück<lb/>
brachte, ſagte Dubslav: „Engelke, ſchaff die Wabe weg;<lb/>
ich kann das ſüße Zeug nicht mehr ſehn. Krippenſtapel<lb/>
hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬<lb/>
haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur.“</p><lb/><p>„Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die<lb/>
Gegenkraft kann die Wabe nich an.“</p><lb/><p>„Du meinſt alſo: ‚für 'n Tod kein Kraut ge¬<lb/>
wachſen iſt‘. Ja, das wird es wohl ſein; das mein'<lb/>
ich auch.“</p><lb/><p>Engelke ſchwieg.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Eine Stunde ſpäter kam ein Brief, der, trotzdem<lb/>
er aus nächſter Nähe ſtammte, doch durch die Poſt be¬<lb/>
fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte<lb/>
die durch Koſeleger und ſie ſelbſt geplante Gründung<lb/>
eines Rettungshauſes für verwahrloſte Kinder und äußerte<lb/>ſich am Schluſſe dahin, daß, „wenn ſich — hoffentlich<lb/>
binnen kurzem — ihre Wünſche für Dubslavs fort¬<lb/>ſchreitende Geſundheit erfüllt haben würden,“ Agnes, das<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[[492]/0499]
Zweiundvierzigſtes Kapitel.
So ging das Geſpräch. Und als Lorenzen auf¬
brach, fühlte ſich der Alte wie belebt und verſprach ſich
eine gute Nacht mit viel Schlaf und wenig Beängſtigung.
Aber es kam anders; die Nacht verlief ſchlecht, und
als der Morgen da war und Engelke das Frühſtück
brachte, ſagte Dubslav: „Engelke, ſchaff die Wabe weg;
ich kann das ſüße Zeug nicht mehr ſehn. Krippenſtapel
hat es gut gemeint. Aber es is nichts damit und über¬
haupt nichts mit der ganzen Heilkraft der Natur.“
„Ich glaube doch, gnäd'ger Herr. Bloß gegen die
Gegenkraft kann die Wabe nich an.“
„Du meinſt alſo: ‚für 'n Tod kein Kraut ge¬
wachſen iſt‘. Ja, das wird es wohl ſein; das mein'
ich auch.“
Engelke ſchwieg.
Eine Stunde ſpäter kam ein Brief, der, trotzdem
er aus nächſter Nähe ſtammte, doch durch die Poſt be¬
fördert worden war. Er war von Ermyntrud, behandelte
die durch Koſeleger und ſie ſelbſt geplante Gründung
eines Rettungshauſes für verwahrloſte Kinder und äußerte
ſich am Schluſſe dahin, daß, „wenn ſich — hoffentlich
binnen kurzem — ihre Wünſche für Dubslavs fort¬
ſchreitende Geſundheit erfüllt haben würden,“ Agnes, das
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. [492]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/499>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.