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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Landadel hinauswuchs. Einige stießen sich denn auch
an, und Molchow sagte mit halblauter Stimme zu von
der Nonne: "Sehn Sie, Nonne, das ist die ,Schmetter¬
lingsschlacht', von der man jetzt jeden Tag in den
Zeitungen liest." Aber trotz dieser spöttischen Bemerkung,
wäre Thormeyer doch Hauptgegenstand aller Aufmerk¬
samkeit geblieben, wenn nicht der jeden Ordensschmuck
verschmähende, nur mit einem hochkragigen und uralten
Frack angethane Edle Herr von Alten-Frisack ihm sieg¬
reiche Konkurrenz gemacht hätte. Das wendisch Götzen¬
bildartige, das sein Kopf zeigte, gab auch heute wieder
den Ausschlag zu seinen Gunsten. Er nickte nur pagoden¬
haft hin und her und schien selbst an die vom ältesten
Adel die Frage zu richten: "Was wollt ihr hier?" Er
hielt sich nämlich (worin er einer ererbten Geschlechts¬
anschauung folgte) für den einzig wirklich berechtigten
Bewohner und Vertreter der ganzen Grafschaft.

Das waren so die Hauptanwesenden. Alles stand
dichtgedrängt, und von Blechernhahn, der in Bezug auf
"Schneid" beinah' an von Molchow heranreichte, sagte:
"Bin neugierig, was der Lorenzen heute loslassen wird.
Er gehört ja zur Richtung Göhre."

"Ja, Göhre," sagte von Molchow. "Merkwürdig,
wie der Zufall spielt. Das Leben macht doch immer
die besten Witze."

Weiter kam es mit dieser ziemlich ungeniert ge¬
führten Unterhaltung nicht, weil sich, als Molchow eben
seinen Pfeil abgeschossen hatte, die Gesamtaufmerksam¬
keit auf jene Flurstelle richtete, wo der aufgebahrte
Sarg stand. Hier war nämlich und zwar in einem
brillant sitzenden und mit Atlasaufschlägen ausstaffierten
Frack in eben diesem Augenblicke der Rechtanwalt Katzen¬
stein erschienen und schritt, nachdem er einen Gransee¬
schen Riesenkranz am Fußende des Sarges niedergelegt
hatte, mit jener Ruhe, wie sie nur das gute Gewissen

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Landadel hinauswuchs. Einige ſtießen ſich denn auch
an, und Molchow ſagte mit halblauter Stimme zu von
der Nonne: „Sehn Sie, Nonne, das iſt die ‚Schmetter¬
lingsſchlacht‘, von der man jetzt jeden Tag in den
Zeitungen lieſt.“ Aber trotz dieſer ſpöttiſchen Bemerkung,
wäre Thormeyer doch Hauptgegenſtand aller Aufmerk¬
ſamkeit geblieben, wenn nicht der jeden Ordensſchmuck
verſchmähende, nur mit einem hochkragigen und uralten
Frack angethane Edle Herr von Alten-Friſack ihm ſieg¬
reiche Konkurrenz gemacht hätte. Das wendiſch Götzen¬
bildartige, das ſein Kopf zeigte, gab auch heute wieder
den Ausſchlag zu ſeinen Gunſten. Er nickte nur pagoden¬
haft hin und her und ſchien ſelbſt an die vom älteſten
Adel die Frage zu richten: „Was wollt ihr hier?“ Er
hielt ſich nämlich (worin er einer ererbten Geſchlechts¬
anſchauung folgte) für den einzig wirklich berechtigten
Bewohner und Vertreter der ganzen Grafſchaft.

Das waren ſo die Hauptanweſenden. Alles ſtand
dichtgedrängt, und von Blechernhahn, der in Bezug auf
„Schneid“ beinah' an von Molchow heranreichte, ſagte:
„Bin neugierig, was der Lorenzen heute loslaſſen wird.
Er gehört ja zur Richtung Göhre.“

„Ja, Göhre,“ ſagte von Molchow. „Merkwürdig,
wie der Zufall ſpielt. Das Leben macht doch immer
die beſten Witze.“

Weiter kam es mit dieſer ziemlich ungeniert ge¬
führten Unterhaltung nicht, weil ſich, als Molchow eben
ſeinen Pfeil abgeſchoſſen hatte, die Geſamtaufmerkſam¬
keit auf jene Flurſtelle richtete, wo der aufgebahrte
Sarg ſtand. Hier war nämlich und zwar in einem
brillant ſitzenden und mit Atlasaufſchlägen ausſtaffierten
Frack in eben dieſem Augenblicke der Rechtanwalt Katzen¬
ſtein erſchienen und ſchritt, nachdem er einen Granſee¬
ſchen Rieſenkranz am Fußende des Sarges niedergelegt
hatte, mit jener Ruhe, wie ſie nur das gute Gewiſſen

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[499/0506] Landadel hinauswuchs. Einige ſtießen ſich denn auch an, und Molchow ſagte mit halblauter Stimme zu von der Nonne: „Sehn Sie, Nonne, das iſt die ‚Schmetter¬ lingsſchlacht‘, von der man jetzt jeden Tag in den Zeitungen lieſt.“ Aber trotz dieſer ſpöttiſchen Bemerkung, wäre Thormeyer doch Hauptgegenſtand aller Aufmerk¬ ſamkeit geblieben, wenn nicht der jeden Ordensſchmuck verſchmähende, nur mit einem hochkragigen und uralten Frack angethane Edle Herr von Alten-Friſack ihm ſieg¬ reiche Konkurrenz gemacht hätte. Das wendiſch Götzen¬ bildartige, das ſein Kopf zeigte, gab auch heute wieder den Ausſchlag zu ſeinen Gunſten. Er nickte nur pagoden¬ haft hin und her und ſchien ſelbſt an die vom älteſten Adel die Frage zu richten: „Was wollt ihr hier?“ Er hielt ſich nämlich (worin er einer ererbten Geſchlechts¬ anſchauung folgte) für den einzig wirklich berechtigten Bewohner und Vertreter der ganzen Grafſchaft. Das waren ſo die Hauptanweſenden. Alles ſtand dichtgedrängt, und von Blechernhahn, der in Bezug auf „Schneid“ beinah' an von Molchow heranreichte, ſagte: „Bin neugierig, was der Lorenzen heute loslaſſen wird. Er gehört ja zur Richtung Göhre.“ „Ja, Göhre,“ ſagte von Molchow. „Merkwürdig, wie der Zufall ſpielt. Das Leben macht doch immer die beſten Witze.“ Weiter kam es mit dieſer ziemlich ungeniert ge¬ führten Unterhaltung nicht, weil ſich, als Molchow eben ſeinen Pfeil abgeſchoſſen hatte, die Geſamtaufmerkſam¬ keit auf jene Flurſtelle richtete, wo der aufgebahrte Sarg ſtand. Hier war nämlich und zwar in einem brillant ſitzenden und mit Atlasaufſchlägen ausſtaffierten Frack in eben dieſem Augenblicke der Rechtanwalt Katzen¬ ſtein erſchienen und ſchritt, nachdem er einen Granſee¬ ſchen Rieſenkranz am Fußende des Sarges niedergelegt hatte, mit jener Ruhe, wie ſie nur das gute Gewiſſen 32*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/506>, abgerufen am 21.11.2024.