Gundermann fort, "muß ich wieder an unsern guten alten Kortschädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder muß mal, und wenn irgend einer seinen Platz da oben sicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch, und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht, was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit seiner Schwätzerei dem Staate kein Geld gekostet; aber er wußte ganz gut Bescheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen von ihm gehört, großartig. Und ich sage mir, solchen kriegen wir nicht wieder ..."
"Ach, das ist Schwarzseherei, Herr von Gunder¬ mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬ sinnung. Und ich sehe nicht ein, warum nicht ein Mann wie Sie ..."
"Geht nicht."
"Warum nicht?"
"Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da muß ich zurückstehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die Stechlins waren hier schon ..."
"Nun gut, ich will dies letztere gelten lassen, und nur was das Kandidieren meines Vaters angeht -- ich denke mir, es ist noch nicht so weit, vieles kann noch da¬ zwischen kommen, und jedenfalls wird er schwanken. Aber nehmen wir mal an, es sei, wie Sie vermuten. In diesem Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir soeben zu sagen erlaubt habe. Mein Vater ist in jedem Anbetracht ein treuer Gesinnungsgenosse Kortschädels, und wenn er an seine Stelle tritt, was ist da verloren? Die Lage bleibt dieselbe."
"Nein, Herr von Stechlin."
"Nun, was ändert sich?"
"Vieles, alles. Kortschädel war in den großen Fragen unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit sich reden ..."
"Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn es so wäre, so wäre das doch ein Glück ..."
Gundermann fort, „muß ich wieder an unſern guten alten Kortſchädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder muß mal, und wenn irgend einer ſeinen Platz da oben ſicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch, und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht, was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit ſeiner Schwätzerei dem Staate kein Geld gekoſtet; aber er wußte ganz gut Beſcheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen von ihm gehört, großartig. Und ich ſage mir, ſolchen kriegen wir nicht wieder ...“
„Ach, das iſt Schwarzſeherei, Herr von Gunder¬ mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬ ſinnung. Und ich ſehe nicht ein, warum nicht ein Mann wie Sie ...“
„Geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da muß ich zurückſtehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die Stechlins waren hier ſchon ...“
„Nun gut, ich will dies letztere gelten laſſen, und nur was das Kandidieren meines Vaters angeht — ich denke mir, es iſt noch nicht ſo weit, vieles kann noch da¬ zwiſchen kommen, und jedenfalls wird er ſchwanken. Aber nehmen wir mal an, es ſei, wie Sie vermuten. In dieſem Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir ſoeben zu ſagen erlaubt habe. Mein Vater iſt in jedem Anbetracht ein treuer Geſinnungsgenoſſe Kortſchädels, und wenn er an ſeine Stelle tritt, was iſt da verloren? Die Lage bleibt dieſelbe.“
„Nein, Herr von Stechlin.“
„Nun, was ändert ſich?“
„Vieles, alles. Kortſchädel war in den großen Fragen unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit ſich reden ...“
„Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn es ſo wäre, ſo wäre das doch ein Glück ...“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0051"n="44"/>
Gundermann fort, „muß ich wieder an unſern guten<lb/>
alten Kortſchädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder<lb/>
muß mal, und wenn irgend einer ſeinen Platz da oben<lb/>ſicher hat, <hirendition="#g">der</hi> hat ihn. Ehrenmann durch und durch,<lb/>
und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht,<lb/>
was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit ſeiner<lb/>
Schwätzerei dem Staate kein Geld gekoſtet; aber er wußte<lb/>
ganz gut Beſcheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen<lb/>
von ihm gehört, großartig. Und ich ſage mir, ſolchen<lb/>
kriegen wir nicht wieder ...“</p><lb/><p>„Ach, das iſt Schwarzſeherei, Herr von Gunder¬<lb/>
mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬<lb/>ſinnung. Und ich ſehe nicht ein, warum nicht ein Mann<lb/>
wie Sie ...“</p><lb/><p>„Geht nicht.“</p><lb/><p>„Warum nicht?“</p><lb/><p>„Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da<lb/>
muß ich zurückſtehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die<lb/>
Stechlins waren hier ſchon ...“</p><lb/><p>„Nun gut, ich will dies letztere gelten laſſen, und<lb/>
nur was das Kandidieren meines Vaters angeht — ich<lb/>
denke mir, es iſt noch nicht ſo weit, vieles kann noch da¬<lb/>
zwiſchen kommen, und jedenfalls wird er ſchwanken. Aber<lb/>
nehmen wir mal an, es ſei, wie Sie vermuten. In dieſem<lb/>
Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir ſoeben zu<lb/>ſagen erlaubt habe. Mein Vater iſt in jedem Anbetracht<lb/>
ein treuer Geſinnungsgenoſſe Kortſchädels, und wenn er<lb/>
an ſeine Stelle tritt, was iſt da verloren? Die Lage bleibt<lb/>
dieſelbe.“</p><lb/><p>„Nein, Herr von Stechlin.“</p><lb/><p>„Nun, was ändert ſich?“</p><lb/><p>„Vieles, alles. Kortſchädel war in den großen Fragen<lb/>
unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit ſich reden ...“</p><lb/><p>„Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn<lb/>
es ſo wäre, ſo wäre das doch ein Glück ...“</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[44/0051]
Gundermann fort, „muß ich wieder an unſern guten
alten Kortſchädel denken. Is nu auch hinüber. Na, jeder
muß mal, und wenn irgend einer ſeinen Platz da oben
ſicher hat, der hat ihn. Ehrenmann durch und durch,
und loyal bis auf die Knochen. Redner war er nicht,
was eigentlich immer ein Vorzug, und hat mit ſeiner
Schwätzerei dem Staate kein Geld gekoſtet; aber er wußte
ganz gut Beſcheid, und, unter vier Augen, ich habe Sachen
von ihm gehört, großartig. Und ich ſage mir, ſolchen
kriegen wir nicht wieder ...“
„Ach, das iſt Schwarzſeherei, Herr von Gunder¬
mann. Ich glaube, wir haben viele von ähnlicher Ge¬
ſinnung. Und ich ſehe nicht ein, warum nicht ein Mann
wie Sie ...“
„Geht nicht.“
„Warum nicht?“
„Weil Ihr Herr Papa kandidieren will. Und da
muß ich zurückſtehen. Ich bin hier ein Neuling. Und die
Stechlins waren hier ſchon ...“
„Nun gut, ich will dies letztere gelten laſſen, und
nur was das Kandidieren meines Vaters angeht — ich
denke mir, es iſt noch nicht ſo weit, vieles kann noch da¬
zwiſchen kommen, und jedenfalls wird er ſchwanken. Aber
nehmen wir mal an, es ſei, wie Sie vermuten. In dieſem
Falle träfe doch gerade das zu, was ich mir ſoeben zu
ſagen erlaubt habe. Mein Vater iſt in jedem Anbetracht
ein treuer Geſinnungsgenoſſe Kortſchädels, und wenn er
an ſeine Stelle tritt, was iſt da verloren? Die Lage bleibt
dieſelbe.“
„Nein, Herr von Stechlin.“
„Nun, was ändert ſich?“
„Vieles, alles. Kortſchädel war in den großen Fragen
unerbittlich, und Ihr Herr Vater läßt mit ſich reden ...“
„Ich weiß nicht, ob Sie da recht haben. Aber wenn
es ſo wäre, ſo wäre das doch ein Glück ...“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/51>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.