Stunde. Von Sorrent kamen Fischerboote herüber, die Fischer sangen, und der Himmel war klar und blau; nur drüben aus dem Kegel des Vesuv stieg ein dünner Rauch auf und von Zeit zu Zeit war es, als vernähme man ein dumpfes Rollen und Grollen.
"Hörst du's?" fragte Armgard.
"Gewiß. Und ich weiß auch, daß man einen Ausbruch erwartet. Vielleicht erleben wir's noch."
"Das wäre herrlich."
"Und dabei", fuhr Woldemar fort, "komm' ich von der eiteln Vorstellung nicht los, daß, wenn's da drüben ernstlich anfängt, unser Stechlin mitthut, wenn auch bescheiden. Es ist doch eine vornehme Verwandt¬ schaft."
Armgard nickte, und von der Uferstelle her, wo die Sorrentiner Fischer eben anlegten, klang es herauf:
Tre giorni son che Nina, che Nina, In letto ne se sta ...
Am andern Tage, wie vorausgesagt, kam ein Brief von Melusine, diesmal aber nicht an die Schwester, sondern an Woldemar adressiert.
"Was ist?" fragte Armgard, der die Bewegung nicht entging, die Woldemar, während er las, zu be¬ kämpfen suchte.
"Lies selbst."
Und dabei gab er ihr den Brief mit der Todes¬ anzeige des Alten.
An ein Eintreffen in Stechlin, um noch der Bei¬ setzung beiwohnen zu können, war längst nicht mehr zu denken; der Begräbnistag lag zurück. So kam man denn überein, die Rückreise langsam, in Etappen über Rom, Mailand und München machen, aber an jedem Orte (denn beide sehnten sich heim) nicht länger als
Stunde. Von Sorrent kamen Fiſcherboote herüber, die Fiſcher ſangen, und der Himmel war klar und blau; nur drüben aus dem Kegel des Veſuv ſtieg ein dünner Rauch auf und von Zeit zu Zeit war es, als vernähme man ein dumpfes Rollen und Grollen.
„Hörſt du's?“ fragte Armgard.
„Gewiß. Und ich weiß auch, daß man einen Ausbruch erwartet. Vielleicht erleben wir's noch.“
„Das wäre herrlich.“
„Und dabei“, fuhr Woldemar fort, „komm' ich von der eiteln Vorſtellung nicht los, daß, wenn's da drüben ernſtlich anfängt, unſer Stechlin mitthut, wenn auch beſcheiden. Es iſt doch eine vornehme Verwandt¬ ſchaft.“
Armgard nickte, und von der Uferſtelle her, wo die Sorrentiner Fiſcher eben anlegten, klang es herauf:
Tre giorni son che Nina, che Nina, In letto ne se sta ...
Am andern Tage, wie vorausgeſagt, kam ein Brief von Meluſine, diesmal aber nicht an die Schweſter, ſondern an Woldemar adreſſiert.
„Was iſt?“ fragte Armgard, der die Bewegung nicht entging, die Woldemar, während er las, zu be¬ kämpfen ſuchte.
„Lies ſelbſt.“
Und dabei gab er ihr den Brief mit der Todes¬ anzeige des Alten.
An ein Eintreffen in Stechlin, um noch der Bei¬ ſetzung beiwohnen zu können, war längſt nicht mehr zu denken; der Begräbnistag lag zurück. So kam man denn überein, die Rückreiſe langſam, in Etappen über Rom, Mailand und München machen, aber an jedem Orte (denn beide ſehnten ſich heim) nicht länger als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0518"n="511"/>
Stunde. Von Sorrent kamen Fiſcherboote herüber, die<lb/>
Fiſcher ſangen, und der Himmel war klar und blau;<lb/>
nur drüben aus dem Kegel des Veſuv ſtieg ein dünner<lb/>
Rauch auf und von Zeit zu Zeit war es, als vernähme<lb/>
man ein dumpfes Rollen und Grollen.</p><lb/><p>„Hörſt du's?“ fragte Armgard.</p><lb/><p>„Gewiß. Und ich weiß auch, daß man einen<lb/>
Ausbruch erwartet. Vielleicht erleben wir's noch.“</p><lb/><p>„Das wäre herrlich.“</p><lb/><p>„Und dabei“, fuhr Woldemar fort, „komm' ich<lb/>
von der eiteln Vorſtellung nicht los, daß, wenn's da<lb/>
drüben ernſtlich anfängt, unſer Stechlin mitthut, wenn<lb/>
auch beſcheiden. Es iſt doch eine vornehme Verwandt¬<lb/>ſchaft.“</p><lb/><p>Armgard nickte, und von der Uferſtelle her, wo<lb/>
die Sorrentiner Fiſcher eben anlegten, klang es herauf:</p><lb/><lgtype="poem"><l><hirendition="#aq">Tre giorni son che Nina, che Nina,</hi></l><lb/><l><hirendition="#aq">In letto ne se sta</hi> ...</l><lb/></lg><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Am andern Tage, wie vorausgeſagt, kam ein Brief<lb/>
von Meluſine, diesmal aber nicht an die Schweſter,<lb/>ſondern an Woldemar adreſſiert.</p><lb/><p>„Was iſt?“ fragte Armgard, der die Bewegung<lb/>
nicht entging, die Woldemar, während er las, zu be¬<lb/>
kämpfen ſuchte.</p><lb/><p>„Lies ſelbſt.“</p><lb/><p>Und dabei gab er ihr den Brief mit der Todes¬<lb/>
anzeige des Alten.</p><lb/><p>An ein Eintreffen in Stechlin, um noch der Bei¬<lb/>ſetzung beiwohnen zu können, war längſt nicht mehr zu<lb/>
denken; der Begräbnistag lag zurück. So kam man<lb/>
denn überein, die Rückreiſe langſam, in Etappen über<lb/>
Rom, Mailand und München machen, aber an jedem<lb/>
Orte (denn beide ſehnten ſich heim) nicht länger als<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[511/0518]
Stunde. Von Sorrent kamen Fiſcherboote herüber, die
Fiſcher ſangen, und der Himmel war klar und blau;
nur drüben aus dem Kegel des Veſuv ſtieg ein dünner
Rauch auf und von Zeit zu Zeit war es, als vernähme
man ein dumpfes Rollen und Grollen.
„Hörſt du's?“ fragte Armgard.
„Gewiß. Und ich weiß auch, daß man einen
Ausbruch erwartet. Vielleicht erleben wir's noch.“
„Das wäre herrlich.“
„Und dabei“, fuhr Woldemar fort, „komm' ich
von der eiteln Vorſtellung nicht los, daß, wenn's da
drüben ernſtlich anfängt, unſer Stechlin mitthut, wenn
auch beſcheiden. Es iſt doch eine vornehme Verwandt¬
ſchaft.“
Armgard nickte, und von der Uferſtelle her, wo
die Sorrentiner Fiſcher eben anlegten, klang es herauf:
Tre giorni son che Nina, che Nina,
In letto ne se sta ...
Am andern Tage, wie vorausgeſagt, kam ein Brief
von Meluſine, diesmal aber nicht an die Schweſter,
ſondern an Woldemar adreſſiert.
„Was iſt?“ fragte Armgard, der die Bewegung
nicht entging, die Woldemar, während er las, zu be¬
kämpfen ſuchte.
„Lies ſelbſt.“
Und dabei gab er ihr den Brief mit der Todes¬
anzeige des Alten.
An ein Eintreffen in Stechlin, um noch der Bei¬
ſetzung beiwohnen zu können, war längſt nicht mehr zu
denken; der Begräbnistag lag zurück. So kam man
denn überein, die Rückreiſe langſam, in Etappen über
Rom, Mailand und München machen, aber an jedem
Orte (denn beide ſehnten ſich heim) nicht länger als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/518>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.