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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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"Dann bitte ich um Goldwasser. Es ist doch schärfer,
und dann bekenne ich Ihnen offen, Herr Major ... Sie
kennen ja unsre Verhältnisse, so 'n bißchen Gold heimelt
einen immer an. Man hat keins und dabei doch zugleich
die Vorstellung, daß man es trinken kann -- es hat eigent¬
lich was Großartiges."

Dubslav nickte, schenkte von dem Goldwasser ein, erst
für Czako, dann für sich selbst und sagte: "Bei Tische
hab' ich die Damen leben lassen und Frau von Gunder¬
mann im speziellen. Hören Sie, Hauptmann, Sie ver¬
stehen's. Diese Rattengeschichte ..."

"Vielleicht war es ein bißchen zu viel."

"I, keineswegs. Und dann, Sie waren ja ganz un¬
schuldig, die Gnäd'ge fing ja davon an; erinnern Sie sich,
sie verliebte sich ordentlich in die Geschichte von den Rinn¬
steinbohlen, und wie Sie drauf 'rumgetrampelt, bis die
Ratten rauskamen. Ich glaube sogar, sie sagte ,Biester'.
Aber das schadet nicht. Das ist so Berliner Stil. Und
unsre Gnäd'ge hier (beiläufig eine geborene Helfrich) is
eine Vollblutberlinerin."

"Ein Wort, das mich doch einigermaßen überrascht."

"Ah," drohte Dubslav schelmisch mit dem Finger,
"ich verstehe. Sie sind einer gewissen Unausreichendheit
begegnet und verlangen mindestens mehr Quadrat (von Kubik
will ich nicht sprechen). Aber wir von Adel müssen in diesem
Punkte doch ziemlich milde sein und ein Auge zudrücken,
wenn das das richtige Wort ist. Unser eigenstes Vollblut
bewegt sich auch in Extremen und hat einen linken und
einen rechten Flügel: der linke nähert sich unsrer geborenen
Helfrich. Übrigens unterhaltliche Madam. Und wie be¬
seligt sie war, als sie den Namenszug auf Ihrer Achsel¬
klappe glücklich entdeckt und damit den Anmarsch auf die
Münzstraße gewonnen hatte. Was es doch alles für
Lokalpatriotismen giebt!"

"An dem unser Regiment teilnimmt oder ihn mit¬

„Dann bitte ich um Goldwaſſer. Es iſt doch ſchärfer,
und dann bekenne ich Ihnen offen, Herr Major ... Sie
kennen ja unſre Verhältniſſe, ſo 'n bißchen Gold heimelt
einen immer an. Man hat keins und dabei doch zugleich
die Vorſtellung, daß man es trinken kann — es hat eigent¬
lich was Großartiges.“

Dubslav nickte, ſchenkte von dem Goldwaſſer ein, erſt
für Czako, dann für ſich ſelbſt und ſagte: „Bei Tiſche
hab' ich die Damen leben laſſen und Frau von Gunder¬
mann im ſpeziellen. Hören Sie, Hauptmann, Sie ver¬
ſtehen's. Dieſe Rattengeſchichte ...“

„Vielleicht war es ein bißchen zu viel.“

„I, keineswegs. Und dann, Sie waren ja ganz un¬
ſchuldig, die Gnäd'ge fing ja davon an; erinnern Sie ſich,
ſie verliebte ſich ordentlich in die Geſchichte von den Rinn¬
ſteinbohlen, und wie Sie drauf 'rumgetrampelt, bis die
Ratten rauskamen. Ich glaube ſogar, ſie ſagte ‚Bieſter‘.
Aber das ſchadet nicht. Das iſt ſo Berliner Stil. Und
unſre Gnäd'ge hier (beiläufig eine geborene Helfrich) is
eine Vollblutberlinerin.“

„Ein Wort, das mich doch einigermaßen überraſcht.“

„Ah,“ drohte Dubslav ſchelmiſch mit dem Finger,
„ich verſtehe. Sie ſind einer gewiſſen Unausreichendheit
begegnet und verlangen mindeſtens mehr Quadrat (von Kubik
will ich nicht ſprechen). Aber wir von Adel müſſen in dieſem
Punkte doch ziemlich milde ſein und ein Auge zudrücken,
wenn das das richtige Wort iſt. Unſer eigenſtes Vollblut
bewegt ſich auch in Extremen und hat einen linken und
einen rechten Flügel: der linke nähert ſich unſrer geborenen
Helfrich. Übrigens unterhaltliche Madam. Und wie be¬
ſeligt ſie war, als ſie den Namenszug auf Ihrer Achſel¬
klappe glücklich entdeckt und damit den Anmarſch auf die
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Lokalpatriotismen giebt!“

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[48/0055] „Dann bitte ich um Goldwaſſer. Es iſt doch ſchärfer, und dann bekenne ich Ihnen offen, Herr Major ... Sie kennen ja unſre Verhältniſſe, ſo 'n bißchen Gold heimelt einen immer an. Man hat keins und dabei doch zugleich die Vorſtellung, daß man es trinken kann — es hat eigent¬ lich was Großartiges.“ Dubslav nickte, ſchenkte von dem Goldwaſſer ein, erſt für Czako, dann für ſich ſelbſt und ſagte: „Bei Tiſche hab' ich die Damen leben laſſen und Frau von Gunder¬ mann im ſpeziellen. Hören Sie, Hauptmann, Sie ver¬ ſtehen's. Dieſe Rattengeſchichte ...“ „Vielleicht war es ein bißchen zu viel.“ „I, keineswegs. Und dann, Sie waren ja ganz un¬ ſchuldig, die Gnäd'ge fing ja davon an; erinnern Sie ſich, ſie verliebte ſich ordentlich in die Geſchichte von den Rinn¬ ſteinbohlen, und wie Sie drauf 'rumgetrampelt, bis die Ratten rauskamen. Ich glaube ſogar, ſie ſagte ‚Bieſter‘. Aber das ſchadet nicht. Das iſt ſo Berliner Stil. Und unſre Gnäd'ge hier (beiläufig eine geborene Helfrich) is eine Vollblutberlinerin.“ „Ein Wort, das mich doch einigermaßen überraſcht.“ „Ah,“ drohte Dubslav ſchelmiſch mit dem Finger, „ich verſtehe. Sie ſind einer gewiſſen Unausreichendheit begegnet und verlangen mindeſtens mehr Quadrat (von Kubik will ich nicht ſprechen). Aber wir von Adel müſſen in dieſem Punkte doch ziemlich milde ſein und ein Auge zudrücken, wenn das das richtige Wort iſt. Unſer eigenſtes Vollblut bewegt ſich auch in Extremen und hat einen linken und einen rechten Flügel: der linke nähert ſich unſrer geborenen Helfrich. Übrigens unterhaltliche Madam. Und wie be¬ ſeligt ſie war, als ſie den Namenszug auf Ihrer Achſel¬ klappe glücklich entdeckt und damit den Anmarſch auf die Münzſtraße gewonnen hatte. Was es doch alles für Lokalpatriotismen giebt!“ „An dem unſer Regiment teilnimmt oder ihn mit¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/55>, abgerufen am 21.11.2024.