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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Photographien, was ich, selbst wenn es hübsche Menschen
sind (ein Fall, der übrigens selten zutrifft), immer greulich
finde."

"Schenke nie welche."

"Was meine Gefühle für Sie steigert. Aber die
Geschichte: Da war also drüben in Köpernitz diese La Roche-
Aymon, und weil sie noch die Prinz Heinrich-Tage gesehen
und während derselben eine Rolle gespielt hatte, so zählte
sie zu den besonderen Lieblingen Friedrich Wilhelms IV.
Und als nun -- sagen wir ums Jahr fünfzig -- der
Zufall es fügte, daß dem zur Jagd hier erschienenen
König das Köpernitzer Frühstück, ganz besonders aber eine
Blut- und Zungenwurst über die Maßen gut geschmeckt
hatte, so wurde dies Veranlassung für die Gräfin, am
nächsten Heiligabend eine ganze Kiste voll Würste nach
Potsdam hin in die königliche Küche zu liefern. Und das
ging so durch Jahre. Da beschloß zuletzt der gute König,
sich für all die gute Gabe zu revanchieren, und als wieder
Weihnachten war, traf in Köpernitz ein Postpaket ein,
Inhalt: eine zierliche kleine Blutwurst. Und zwar war
es ein wunderschöner, rundlicher Blutkarneol mit Gold¬
speilerchen an beiden Seiten und die Speilerchen selbst
mit Diamanten besetzt. Und neben diesem Geschenk lag
ein Zettelchen: ,Wurst wider Wurst'."

"Allerliebst!"

"Mehr als das. Ich persönlich ziehe solchen guten
Einfall einer guten Verfassung vor. Der König, glaub'
ich, that es auch. Und es denken auch heute noch viele so."

"Gewiß, Herr Major. Es denken auch heute noch
viele so, und bei dem Schwankezustand, in dem ich mich
leider befinde, sind meine persönlichen Sympathien ge¬
legentlich nicht weitab davon. Aber ich fürchte doch, daß
wir mit dieser unsrer Anschauung sehr in der Minorität
bleiben."

"Werden wir. Aber Vernunft ist immer nur bei

Photographien, was ich, ſelbſt wenn es hübſche Menſchen
ſind (ein Fall, der übrigens ſelten zutrifft), immer greulich
finde.“

„Schenke nie welche.“

„Was meine Gefühle für Sie ſteigert. Aber die
Geſchichte: Da war alſo drüben in Köpernitz dieſe La Roche-
Aymon, und weil ſie noch die Prinz Heinrich-Tage geſehen
und während derſelben eine Rolle geſpielt hatte, ſo zählte
ſie zu den beſonderen Lieblingen Friedrich Wilhelms IV.
Und als nun — ſagen wir ums Jahr fünfzig — der
Zufall es fügte, daß dem zur Jagd hier erſchienenen
König das Köpernitzer Frühſtück, ganz beſonders aber eine
Blut- und Zungenwurſt über die Maßen gut geſchmeckt
hatte, ſo wurde dies Veranlaſſung für die Gräfin, am
nächſten Heiligabend eine ganze Kiſte voll Würſte nach
Potsdam hin in die königliche Küche zu liefern. Und das
ging ſo durch Jahre. Da beſchloß zuletzt der gute König,
ſich für all die gute Gabe zu revanchieren, und als wieder
Weihnachten war, traf in Köpernitz ein Poſtpaket ein,
Inhalt: eine zierliche kleine Blutwurſt. Und zwar war
es ein wunderſchöner, rundlicher Blutkarneol mit Gold¬
ſpeilerchen an beiden Seiten und die Speilerchen ſelbſt
mit Diamanten beſetzt. Und neben dieſem Geſchenk lag
ein Zettelchen: ‚Wurſt wider Wurſt‘.“

„Allerliebſt!“

„Mehr als das. Ich perſönlich ziehe ſolchen guten
Einfall einer guten Verfaſſung vor. Der König, glaub'
ich, that es auch. Und es denken auch heute noch viele ſo.“

„Gewiß, Herr Major. Es denken auch heute noch
viele ſo, und bei dem Schwankezuſtand, in dem ich mich
leider befinde, ſind meine perſönlichen Sympathien ge¬
legentlich nicht weitab davon. Aber ich fürchte doch, daß
wir mit dieſer unſrer Anſchauung ſehr in der Minorität
bleiben.“

„Werden wir. Aber Vernunft iſt immer nur bei

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[50/0057] Photographien, was ich, ſelbſt wenn es hübſche Menſchen ſind (ein Fall, der übrigens ſelten zutrifft), immer greulich finde.“ „Schenke nie welche.“ „Was meine Gefühle für Sie ſteigert. Aber die Geſchichte: Da war alſo drüben in Köpernitz dieſe La Roche- Aymon, und weil ſie noch die Prinz Heinrich-Tage geſehen und während derſelben eine Rolle geſpielt hatte, ſo zählte ſie zu den beſonderen Lieblingen Friedrich Wilhelms IV. Und als nun — ſagen wir ums Jahr fünfzig — der Zufall es fügte, daß dem zur Jagd hier erſchienenen König das Köpernitzer Frühſtück, ganz beſonders aber eine Blut- und Zungenwurſt über die Maßen gut geſchmeckt hatte, ſo wurde dies Veranlaſſung für die Gräfin, am nächſten Heiligabend eine ganze Kiſte voll Würſte nach Potsdam hin in die königliche Küche zu liefern. Und das ging ſo durch Jahre. Da beſchloß zuletzt der gute König, ſich für all die gute Gabe zu revanchieren, und als wieder Weihnachten war, traf in Köpernitz ein Poſtpaket ein, Inhalt: eine zierliche kleine Blutwurſt. Und zwar war es ein wunderſchöner, rundlicher Blutkarneol mit Gold¬ ſpeilerchen an beiden Seiten und die Speilerchen ſelbſt mit Diamanten beſetzt. Und neben dieſem Geſchenk lag ein Zettelchen: ‚Wurſt wider Wurſt‘.“ „Allerliebſt!“ „Mehr als das. Ich perſönlich ziehe ſolchen guten Einfall einer guten Verfaſſung vor. Der König, glaub' ich, that es auch. Und es denken auch heute noch viele ſo.“ „Gewiß, Herr Major. Es denken auch heute noch viele ſo, und bei dem Schwankezuſtand, in dem ich mich leider befinde, ſind meine perſönlichen Sympathien ge¬ legentlich nicht weitab davon. Aber ich fürchte doch, daß wir mit dieſer unſrer Anſchauung ſehr in der Minorität bleiben.“ „Werden wir. Aber Vernunft iſt immer nur bei

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/57>, abgerufen am 21.11.2024.