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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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wenn man jeden Augenblick fürchten muß: ,Jetzt ist alles
vorbei'. Da zeigt sich's. Courage ist gut, aber Ausdauer
ist besser. Ausdauer, das ist die Hauptsache. Nichts im
Leibe, nichts auf dem Leibe, Hundekälte, Regen und
Schnee, so daß man so in der nassen Patsche liegt, und
höchstens 'nen Kornus (Cognac, ja hast du was, den gab
es damals kaum) und so die Nacht durch, da konnte man
Jesum Christum erkennen lernen. Ich sage das, wenn
ich auch nicht mit dabei gewesen. Anno dreizehn, bei
Großgörschen, das war für uns die richtige Waffenbrüder¬
schaft: jetzt haben wir die Waffenbrüderschaft der Orgel¬
dreher und der Mausefallenhändler. Ich bin für Ru߬
land, für Nikolaus und Alexander. Preobrashensk,
Semenow, Kaluga, -- da hat man die richtige An¬
lehnung; alles andre ist revolutionär, und was revo¬
lutionär ist, das wackelt."


Kurz vor elf, der Mond war inzwischen unter, brach
man auf und die Wagen fuhren vor, erst der Katzlersche
Kaleschwagen, dann die Gundermannsche Chaise; Martin
aber, mit einer Stalllaterne, leuchtete dem Pastor über
Vorhof und Bohlenbrücke fort, bis an seine ganz im
Dunkel liegende Pfarre. Gleich darauf zogen sich auch
die drei Freunde zurück und stiegen, unter Vorantritt
Engelkes, die große Treppe hinauf, bis auf den Podest.
Hier trennten sich Rex und Czako von Woldemar, dessen
Zimmer auf der andern Flurseite gelegen war.

Czako, sehr müde, war im Nu bettfertig. "Es bleibt
also dabei, Rex, Sie logieren sich in dem Rokokozimmer
ein -- wir wollen es ohne weiteres so nennen -- und
ich nehme das Himmelbett hier in Zimmer Nummer eins.
Vielleicht wäre das Umgekehrte richtiger, aber sie haben
es so gewollt."

wenn man jeden Augenblick fürchten muß: ‚Jetzt iſt alles
vorbei‘. Da zeigt ſich's. Courage iſt gut, aber Ausdauer
iſt beſſer. Ausdauer, das iſt die Hauptſache. Nichts im
Leibe, nichts auf dem Leibe, Hundekälte, Regen und
Schnee, ſo daß man ſo in der naſſen Patſche liegt, und
höchſtens 'nen Kornus (Cognac, ja haſt du was, den gab
es damals kaum) und ſo die Nacht durch, da konnte man
Jeſum Chriſtum erkennen lernen. Ich ſage das, wenn
ich auch nicht mit dabei geweſen. Anno dreizehn, bei
Großgörſchen, das war für uns die richtige Waffenbrüder¬
ſchaft: jetzt haben wir die Waffenbrüderſchaft der Orgel¬
dreher und der Mauſefallenhändler. Ich bin für Ru߬
land, für Nikolaus und Alexander. Preobraſhensk,
Semenow, Kaluga, — da hat man die richtige An¬
lehnung; alles andre iſt revolutionär, und was revo¬
lutionär iſt, das wackelt.“


Kurz vor elf, der Mond war inzwiſchen unter, brach
man auf und die Wagen fuhren vor, erſt der Katzlerſche
Kaleſchwagen, dann die Gundermannſche Chaiſe; Martin
aber, mit einer Stalllaterne, leuchtete dem Paſtor über
Vorhof und Bohlenbrücke fort, bis an ſeine ganz im
Dunkel liegende Pfarre. Gleich darauf zogen ſich auch
die drei Freunde zurück und ſtiegen, unter Vorantritt
Engelkes, die große Treppe hinauf, bis auf den Podeſt.
Hier trennten ſich Rex und Czako von Woldemar, deſſen
Zimmer auf der andern Flurſeite gelegen war.

Czako, ſehr müde, war im Nu bettfertig. „Es bleibt
alſo dabei, Rex, Sie logieren ſich in dem Rokokozimmer
ein — wir wollen es ohne weiteres ſo nennen — und
ich nehme das Himmelbett hier in Zimmer Nummer eins.
Vielleicht wäre das Umgekehrte richtiger, aber ſie haben
es ſo gewollt.“

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[53/0060] wenn man jeden Augenblick fürchten muß: ‚Jetzt iſt alles vorbei‘. Da zeigt ſich's. Courage iſt gut, aber Ausdauer iſt beſſer. Ausdauer, das iſt die Hauptſache. Nichts im Leibe, nichts auf dem Leibe, Hundekälte, Regen und Schnee, ſo daß man ſo in der naſſen Patſche liegt, und höchſtens 'nen Kornus (Cognac, ja haſt du was, den gab es damals kaum) und ſo die Nacht durch, da konnte man Jeſum Chriſtum erkennen lernen. Ich ſage das, wenn ich auch nicht mit dabei geweſen. Anno dreizehn, bei Großgörſchen, das war für uns die richtige Waffenbrüder¬ ſchaft: jetzt haben wir die Waffenbrüderſchaft der Orgel¬ dreher und der Mauſefallenhändler. Ich bin für Ru߬ land, für Nikolaus und Alexander. Preobraſhensk, Semenow, Kaluga, — da hat man die richtige An¬ lehnung; alles andre iſt revolutionär, und was revo¬ lutionär iſt, das wackelt.“ Kurz vor elf, der Mond war inzwiſchen unter, brach man auf und die Wagen fuhren vor, erſt der Katzlerſche Kaleſchwagen, dann die Gundermannſche Chaiſe; Martin aber, mit einer Stalllaterne, leuchtete dem Paſtor über Vorhof und Bohlenbrücke fort, bis an ſeine ganz im Dunkel liegende Pfarre. Gleich darauf zogen ſich auch die drei Freunde zurück und ſtiegen, unter Vorantritt Engelkes, die große Treppe hinauf, bis auf den Podeſt. Hier trennten ſich Rex und Czako von Woldemar, deſſen Zimmer auf der andern Flurſeite gelegen war. Czako, ſehr müde, war im Nu bettfertig. „Es bleibt alſo dabei, Rex, Sie logieren ſich in dem Rokokozimmer ein — wir wollen es ohne weiteres ſo nennen — und ich nehme das Himmelbett hier in Zimmer Nummer eins. Vielleicht wäre das Umgekehrte richtiger, aber ſie haben es ſo gewollt.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/60>, abgerufen am 24.11.2024.