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Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

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Sie machen einen nur immer neugieriger. Ich habe mal
gehört, die Bienen sollen sich auf das Staatliche so gut
verstehen; beinah' vorbildlich."

"So ist es auch, Herr Hauptmann. Und eines ist
ja da, worüber sich als Thema vielleicht reden läßt. Da
sind nämlich in jedem Stock drei Gruppen oder Klassen.
In Klasse eins haben wir die Königin, in Klasse zwei
haben wir die Arbeitsbienen (die, was für alles Arbeits¬
volk wohl eigentlich immer das beste ist, geschlechtslos
sind), und in Klasse drei haben wir die Drohnen; die
sind männlich, worin zugleich ihr eigentlicher Beruf besteht.
Denn im übrigen thun sie gar nichts."

"Interessanter Staat. Gefällt mir. Aber immer
noch nicht vorbildlich genug."

"Und nun bedenken Sie, Herr Hauptmann. Winter¬
lang haben sie so dagesessen und gearbeitet oder auch ge¬
schlafen. Und nun kommt der Frühling, und das er¬
wachende neue Leben ergreift auch die Bienen, am
mächtigsten aber die Klasse eins, die Königin. Und sie
beschließt nun, mit ihrem ganzen Volk einen Frühlings¬
ausflug zu machen, der sich für sie persönlich sogar zu
einer Art Hochzeitsreise gestaltet. So muß ich es nennen.
Unter den vielen Drohnen nämlich, die ihr auf der Ferse
sind, wählt sie sich einen Begleiter, man könnte sagen
einen Tänzer, der denn auch berufen ist, alsbald in eine
noch intimere Stellung zu ihr einzurücken. Etwa nach
einer Stunde kehrt die Königin und ihr Hochzeitszug in
die beengenden Schranken ihres Staates zurück. Ihr
Dasein hat sich inzwischen erfüllt. Ein ganzes Geschlecht
von Bienen wird geboren, aber weitere Beziehungen zu
dem bewußten Tänzer sind ein für allemal ausgeschlossen.
Es ist das gerade das, was ich vorhin als fein und
vornehm bezeichnet habe. Bienenköniginnen lieben nur
einmal. Die Bienenkönigin liebt und stirbt."

"Und was wird aus der bevorzugten Drohne, aus

Sie machen einen nur immer neugieriger. Ich habe mal
gehört, die Bienen ſollen ſich auf das Staatliche ſo gut
verſtehen; beinah' vorbildlich.“

„So iſt es auch, Herr Hauptmann. Und eines iſt
ja da, worüber ſich als Thema vielleicht reden läßt. Da
ſind nämlich in jedem Stock drei Gruppen oder Klaſſen.
In Klaſſe eins haben wir die Königin, in Klaſſe zwei
haben wir die Arbeitsbienen (die, was für alles Arbeits¬
volk wohl eigentlich immer das beſte iſt, geſchlechtslos
ſind), und in Klaſſe drei haben wir die Drohnen; die
ſind männlich, worin zugleich ihr eigentlicher Beruf beſteht.
Denn im übrigen thun ſie gar nichts.“

„Intereſſanter Staat. Gefällt mir. Aber immer
noch nicht vorbildlich genug.“

„Und nun bedenken Sie, Herr Hauptmann. Winter¬
lang haben ſie ſo dageſeſſen und gearbeitet oder auch ge¬
ſchlafen. Und nun kommt der Frühling, und das er¬
wachende neue Leben ergreift auch die Bienen, am
mächtigſten aber die Klaſſe eins, die Königin. Und ſie
beſchließt nun, mit ihrem ganzen Volk einen Frühlings¬
ausflug zu machen, der ſich für ſie perſönlich ſogar zu
einer Art Hochzeitsreiſe geſtaltet. So muß ich es nennen.
Unter den vielen Drohnen nämlich, die ihr auf der Ferſe
ſind, wählt ſie ſich einen Begleiter, man könnte ſagen
einen Tänzer, der denn auch berufen iſt, alsbald in eine
noch intimere Stellung zu ihr einzurücken. Etwa nach
einer Stunde kehrt die Königin und ihr Hochzeitszug in
die beengenden Schranken ihres Staates zurück. Ihr
Daſein hat ſich inzwiſchen erfüllt. Ein ganzes Geſchlecht
von Bienen wird geboren, aber weitere Beziehungen zu
dem bewußten Tänzer ſind ein für allemal ausgeſchloſſen.
Es iſt das gerade das, was ich vorhin als fein und
vornehm bezeichnet habe. Bienenköniginnen lieben nur
einmal. Die Bienenkönigin liebt und ſtirbt.“

„Und was wird aus der bevorzugten Drohne, aus

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[70/0077] Sie machen einen nur immer neugieriger. Ich habe mal gehört, die Bienen ſollen ſich auf das Staatliche ſo gut verſtehen; beinah' vorbildlich.“ „So iſt es auch, Herr Hauptmann. Und eines iſt ja da, worüber ſich als Thema vielleicht reden läßt. Da ſind nämlich in jedem Stock drei Gruppen oder Klaſſen. In Klaſſe eins haben wir die Königin, in Klaſſe zwei haben wir die Arbeitsbienen (die, was für alles Arbeits¬ volk wohl eigentlich immer das beſte iſt, geſchlechtslos ſind), und in Klaſſe drei haben wir die Drohnen; die ſind männlich, worin zugleich ihr eigentlicher Beruf beſteht. Denn im übrigen thun ſie gar nichts.“ „Intereſſanter Staat. Gefällt mir. Aber immer noch nicht vorbildlich genug.“ „Und nun bedenken Sie, Herr Hauptmann. Winter¬ lang haben ſie ſo dageſeſſen und gearbeitet oder auch ge¬ ſchlafen. Und nun kommt der Frühling, und das er¬ wachende neue Leben ergreift auch die Bienen, am mächtigſten aber die Klaſſe eins, die Königin. Und ſie beſchließt nun, mit ihrem ganzen Volk einen Frühlings¬ ausflug zu machen, der ſich für ſie perſönlich ſogar zu einer Art Hochzeitsreiſe geſtaltet. So muß ich es nennen. Unter den vielen Drohnen nämlich, die ihr auf der Ferſe ſind, wählt ſie ſich einen Begleiter, man könnte ſagen einen Tänzer, der denn auch berufen iſt, alsbald in eine noch intimere Stellung zu ihr einzurücken. Etwa nach einer Stunde kehrt die Königin und ihr Hochzeitszug in die beengenden Schranken ihres Staates zurück. Ihr Daſein hat ſich inzwiſchen erfüllt. Ein ganzes Geſchlecht von Bienen wird geboren, aber weitere Beziehungen zu dem bewußten Tänzer ſind ein für allemal ausgeſchloſſen. Es iſt das gerade das, was ich vorhin als fein und vornehm bezeichnet habe. Bienenköniginnen lieben nur einmal. Die Bienenkönigin liebt und ſtirbt.“ „Und was wird aus der bevorzugten Drohne, aus

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/77>, abgerufen am 24.11.2024.