Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Prinzessinnen-Tänzer, dem Prince-Consort, wenn
dieser Titel ausreicht?"

"Dieser Tänzer wird ermordet."

"Nein, Herr Lehrer Krippenstapel, das geht nicht.
Unter dieser letzten Mitteilung bricht meine Begeisterung
wieder zusammen. Das ist ja schlimmer als der Heinesche
Asra. Der stirbt doch bloß. Aber hier haben wir Er¬
mordung. Sagen Sie, Rex, wie stehen Sie dazu?"

"Das monogamische Prinzip, woran doch schließlich
unsre ganze Kultur hängt, kann nicht strenger und über¬
zeugender demonstriert werden. Ich finde es großartig."

Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht
dazu, weil in diesem Augenblicke Dubslav darauf auf¬
merksam machte, daß man noch viel vor sich habe. Zu¬
nächst die Kirche. "Seine Hochwürden, der wohl eigent¬
lich dabei sein müßte, wird es nicht übelnehmen, wenn
wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippenstapel, können
Sie?"

Krippenstapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe.
Zudem schlug die Schuluhr, und gleich beim ersten Schlage
hörte man, wie's drinnen in der Klasse lebendig wurde
und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur
weg auf die Straße stürzten. Draußen aber stellten sie
sich militärisch auf, weil sie mittlerweile gehört hatten,
daß der gnädige Herr gekommen sei.

"Morgen, Jungens", sagte Dubslav, an einen kleinen
Schwarzhaarigen herantretend. "Bist von Globsow?"

"Nein, gnäd'ger Herr, von Dagow."

"Na, lernst auch gut?"

Der Junge griente.

"Wann war denn Fehrbellin?"

"Achtzehnte Juni."

"Und Leipzig?"

"Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns."

"Das ist recht, Junge .... Da."

dem Prinzeſſinnen-Tänzer, dem Prince-Conſort, wenn
dieſer Titel ausreicht?“

„Dieſer Tänzer wird ermordet.“

„Nein, Herr Lehrer Krippenſtapel, das geht nicht.
Unter dieſer letzten Mitteilung bricht meine Begeiſterung
wieder zuſammen. Das iſt ja ſchlimmer als der Heineſche
Aſra. Der ſtirbt doch bloß. Aber hier haben wir Er¬
mordung. Sagen Sie, Rex, wie ſtehen Sie dazu?“

„Das monogamiſche Prinzip, woran doch ſchließlich
unſre ganze Kultur hängt, kann nicht ſtrenger und über¬
zeugender demonſtriert werden. Ich finde es großartig.“

Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht
dazu, weil in dieſem Augenblicke Dubslav darauf auf¬
merkſam machte, daß man noch viel vor ſich habe. Zu¬
nächſt die Kirche. „Seine Hochwürden, der wohl eigent¬
lich dabei ſein müßte, wird es nicht übelnehmen, wenn
wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippenſtapel, können
Sie?“

Krippenſtapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe.
Zudem ſchlug die Schuluhr, und gleich beim erſten Schlage
hörte man, wie's drinnen in der Klaſſe lebendig wurde
und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur
weg auf die Straße ſtürzten. Draußen aber ſtellten ſie
ſich militäriſch auf, weil ſie mittlerweile gehört hatten,
daß der gnädige Herr gekommen ſei.

„Morgen, Jungens“, ſagte Dubslav, an einen kleinen
Schwarzhaarigen herantretend. „Biſt von Globſow?“

„Nein, gnäd'ger Herr, von Dagow.“

„Na, lernſt auch gut?“

Der Junge griente.

„Wann war denn Fehrbellin?“

„Achtzehnte Juni.“

„Und Leipzig?“

„Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns.“

„Das iſt recht, Junge .... Da.“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0078" n="71"/>
dem Prinze&#x017F;&#x017F;innen-Tänzer, dem Prince-Con&#x017F;ort, wenn<lb/>
die&#x017F;er Titel ausreicht?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die&#x017F;er Tänzer wird ermordet.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, Herr Lehrer Krippen&#x017F;tapel, das geht nicht.<lb/>
Unter die&#x017F;er letzten Mitteilung bricht meine Begei&#x017F;terung<lb/>
wieder zu&#x017F;ammen. Das i&#x017F;t ja &#x017F;chlimmer als der Heine&#x017F;che<lb/>
A&#x017F;ra. Der &#x017F;tirbt doch bloß. Aber hier haben wir Er¬<lb/>
mordung. Sagen Sie, Rex, wie &#x017F;tehen Sie dazu?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das monogami&#x017F;che Prinzip, woran doch &#x017F;chließlich<lb/>
un&#x017F;re ganze Kultur hängt, kann nicht &#x017F;trenger und über¬<lb/>
zeugender demon&#x017F;triert werden. Ich finde es großartig.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht<lb/>
dazu, weil in die&#x017F;em Augenblicke Dubslav darauf auf¬<lb/>
merk&#x017F;am machte, daß man noch viel vor &#x017F;ich habe. Zu¬<lb/>
näch&#x017F;t die Kirche. &#x201E;Seine Hochwürden, der wohl eigent¬<lb/>
lich dabei &#x017F;ein müßte, wird es nicht übelnehmen, wenn<lb/>
wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippen&#x017F;tapel, können<lb/>
Sie?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Krippen&#x017F;tapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe.<lb/>
Zudem &#x017F;chlug die Schuluhr, und gleich beim er&#x017F;ten Schlage<lb/>
hörte man, wie's drinnen in der Kla&#x017F;&#x017F;e lebendig wurde<lb/>
und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur<lb/>
weg auf die Straße &#x017F;türzten. Draußen aber &#x017F;tellten &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich militäri&#x017F;ch auf, weil &#x017F;ie mittlerweile gehört hatten,<lb/>
daß der gnädige Herr gekommen &#x017F;ei.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Morgen, Jungens&#x201C;, &#x017F;agte Dubslav, an einen kleinen<lb/>
Schwarzhaarigen herantretend. &#x201E;Bi&#x017F;t von Glob&#x017F;ow?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nein, gnäd'ger Herr, von Dagow.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Na, lern&#x017F;t auch gut?&#x201C;</p><lb/>
          <p>Der Junge griente.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wann war denn Fehrbellin?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Achtzehnte Juni.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Und Leipzig?&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns.&#x201C;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Das i&#x017F;t recht, Junge .... Da.&#x201C;<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[71/0078] dem Prinzeſſinnen-Tänzer, dem Prince-Conſort, wenn dieſer Titel ausreicht?“ „Dieſer Tänzer wird ermordet.“ „Nein, Herr Lehrer Krippenſtapel, das geht nicht. Unter dieſer letzten Mitteilung bricht meine Begeiſterung wieder zuſammen. Das iſt ja ſchlimmer als der Heineſche Aſra. Der ſtirbt doch bloß. Aber hier haben wir Er¬ mordung. Sagen Sie, Rex, wie ſtehen Sie dazu?“ „Das monogamiſche Prinzip, woran doch ſchließlich unſre ganze Kultur hängt, kann nicht ſtrenger und über¬ zeugender demonſtriert werden. Ich finde es großartig.“ Czako hätte gern geantwortet; aber er kam nicht dazu, weil in dieſem Augenblicke Dubslav darauf auf¬ merkſam machte, daß man noch viel vor ſich habe. Zu¬ nächſt die Kirche. „Seine Hochwürden, der wohl eigent¬ lich dabei ſein müßte, wird es nicht übelnehmen, wenn wir auf ihn verzichten. Aber Sie, Krippenſtapel, können Sie?“ Krippenſtapel wiederholte, daß er Zeit vollauf habe. Zudem ſchlug die Schuluhr, und gleich beim erſten Schlage hörte man, wie's drinnen in der Klaſſe lebendig wurde und die Jungens in ihren Holzpantinen über den Flur weg auf die Straße ſtürzten. Draußen aber ſtellten ſie ſich militäriſch auf, weil ſie mittlerweile gehört hatten, daß der gnädige Herr gekommen ſei. „Morgen, Jungens“, ſagte Dubslav, an einen kleinen Schwarzhaarigen herantretend. „Biſt von Globſow?“ „Nein, gnäd'ger Herr, von Dagow.“ „Na, lernſt auch gut?“ Der Junge griente. „Wann war denn Fehrbellin?“ „Achtzehnte Juni.“ „Und Leipzig?“ „Achtzehnter Oktober. Immer achtzehnter bei uns.“ „Das iſt recht, Junge .... Da.“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/78
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/78>, abgerufen am 21.11.2024.