daß die Jungens nehmen, was sie kriegen können. Der Mensch stiehlt wie'n Rabe. Und wenn er's mit einmal unterläßt, so muß das doch 'nen Grund haben."
"Den hat es auch, Herr von Stechlin. Bloß einen andern. Was sollen sie mit 'nem Krammetsvogel machen? Für uns ist es eine Delikatesse, für einen armen Menschen ist es gar nichts, knapp so viel wie'n Sperling."
"Ach, Lorenzen, ich sehe schon, Sie liegen da wieder mit dem ,Patrimonium der Enterbten' im Anschlag; Sperling, das klingt ganz so. Aber so viel ist doch richtig, daß Krippenstapel die Jungens brillant in Ordnung hält; wie ging das heute Schlag auf Schlag, als ich den kurz¬ geschornen Schwarzkopp ins Examen nahm und wie stramm waren die Jungens und wie manierlich, als wir sie nach 'ner Stunde in Globsow wiedersahen. Wie sie da so fidel spielten und doch voll Respekt in allem. ,Frei, aber nicht frech', das ist so mein Satz."
Woldemar und Lorenzen, die nicht mit dabei gewesen waren, waren neugierig, auf welchen Vorgang sich all dies Lob des Alten bezöge.
"Was hat denn," fragte Woldemar, "die Globsower Jungens mit einemmal zu so guter Reputation gebracht?"
"O, es war wirklich scharmant," sagt Czako "wir steckten noch unter den Waldbäumen, als wir auch schon Stimmen wie Kommandorufe hörten, und kaum daß wir auf einen freien, von Kastanien umstellten Platz hinaus¬ getreten waren (eigentlich war es wohl schon ein großer Fabrikhof), so sahen wir uns wie mitten in einer Bataille."
Rex nickte zustimmend, während Czako fortfuhr: "Auf unserer Seite stand die bis dahin augenscheinlich siegreiche Partei, deren weiterer Angriff aber wegen der guten gegnerischen Deckung mit einemmale stoppte. Kaum zu verwundern. Denn eben diese Deckung bestand aus wohl tausend, ein großes Karree bildenden Glasballons, hinter die sich die geschlagene Truppe wie hinter eine
daß die Jungens nehmen, was ſie kriegen können. Der Menſch ſtiehlt wie’n Rabe. Und wenn er’s mit einmal unterläßt, ſo muß das doch ’nen Grund haben.“
„Den hat es auch, Herr von Stechlin. Bloß einen andern. Was ſollen ſie mit ’nem Krammetsvogel machen? Für uns iſt es eine Delikateſſe, für einen armen Menſchen iſt es gar nichts, knapp ſo viel wie’n Sperling.“
„Ach, Lorenzen, ich ſehe ſchon, Sie liegen da wieder mit dem ‚Patrimonium der Enterbten‘ im Anſchlag; Sperling, das klingt ganz ſo. Aber ſo viel iſt doch richtig, daß Krippenſtapel die Jungens brillant in Ordnung hält; wie ging das heute Schlag auf Schlag, als ich den kurz¬ geſchornen Schwarzkopp ins Examen nahm und wie ſtramm waren die Jungens und wie manierlich, als wir ſie nach ’ner Stunde in Globſow wiederſahen. Wie ſie da ſo fidel ſpielten und doch voll Reſpekt in allem. ‚Frei, aber nicht frech‘, das iſt ſo mein Satz.“
Woldemar und Lorenzen, die nicht mit dabei geweſen waren, waren neugierig, auf welchen Vorgang ſich all dies Lob des Alten bezöge.
„Was hat denn,“ fragte Woldemar, „die Globſower Jungens mit einemmal zu ſo guter Reputation gebracht?“
„O, es war wirklich ſcharmant,“ ſagt Czako „wir ſteckten noch unter den Waldbäumen, als wir auch ſchon Stimmen wie Kommandorufe hörten, und kaum daß wir auf einen freien, von Kaſtanien umſtellten Platz hinaus¬ getreten waren (eigentlich war es wohl ſchon ein großer Fabrikhof), ſo ſahen wir uns wie mitten in einer Bataille.“
Rex nickte zuſtimmend, während Czako fortfuhr: „Auf unſerer Seite ſtand die bis dahin augenſcheinlich ſiegreiche Partei, deren weiterer Angriff aber wegen der guten gegneriſchen Deckung mit einemmale ſtoppte. Kaum zu verwundern. Denn eben dieſe Deckung beſtand aus wohl tauſend, ein großes Karree bildenden Glasballons, hinter die ſich die geſchlagene Truppe wie hinter eine
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0086"n="79"/>
daß die Jungens nehmen, was ſie kriegen können. Der<lb/>
Menſch ſtiehlt wie’n Rabe. Und wenn er’s mit einmal<lb/>
unterläßt, ſo muß das doch ’nen Grund haben.“</p><lb/><p>„Den hat es auch, Herr von Stechlin. Bloß einen<lb/>
andern. Was ſollen ſie mit ’nem Krammetsvogel machen?<lb/>
Für uns iſt es eine Delikateſſe, für einen armen Menſchen<lb/>
iſt es gar nichts, knapp ſo viel wie’n Sperling.“</p><lb/><p>„Ach, Lorenzen, ich ſehe ſchon, Sie liegen da wieder<lb/>
mit dem ‚Patrimonium der Enterbten‘ im Anſchlag;<lb/>
Sperling, das klingt ganz ſo. Aber ſo viel iſt doch richtig,<lb/>
daß Krippenſtapel die Jungens brillant in <choice><sic>Ordnuag</sic><corr>Ordnung</corr></choice> hält;<lb/>
wie ging das heute Schlag auf Schlag, als ich den kurz¬<lb/>
geſchornen Schwarzkopp ins Examen nahm und wie<lb/>ſtramm waren die Jungens und wie manierlich, als wir<lb/>ſie nach ’ner Stunde in Globſow wiederſahen. Wie<lb/>ſie da ſo fidel ſpielten und doch voll Reſpekt in allem.<lb/>‚Frei, aber nicht frech‘, das iſt ſo mein Satz.“</p><lb/><p>Woldemar und Lorenzen, die nicht mit dabei geweſen<lb/>
waren, waren neugierig, auf welchen Vorgang ſich all<lb/>
dies Lob des Alten bezöge.</p><lb/><p>„Was hat denn,“ fragte Woldemar, „die Globſower<lb/>
Jungens mit einemmal zu ſo guter Reputation gebracht?“</p><lb/><p>„O, es war wirklich ſcharmant,“ſagt Czako „wir<lb/>ſteckten noch unter den Waldbäumen, als wir auch ſchon<lb/>
Stimmen wie Kommandorufe hörten, und kaum daß wir<lb/>
auf einen freien, von Kaſtanien umſtellten Platz hinaus¬<lb/>
getreten waren (eigentlich war es wohl ſchon ein großer<lb/>
Fabrikhof), ſo ſahen wir uns wie mitten in einer Bataille.“</p><lb/><p>Rex nickte zuſtimmend, während Czako fortfuhr:<lb/>„Auf unſerer Seite ſtand die bis dahin augenſcheinlich<lb/>ſiegreiche Partei, deren weiterer Angriff aber wegen der<lb/>
guten gegneriſchen Deckung mit einemmale ſtoppte. Kaum<lb/>
zu verwundern. Denn eben dieſe Deckung beſtand aus<lb/>
wohl tauſend, ein großes Karree bildenden Glasballons,<lb/>
hinter die ſich die geſchlagene Truppe wie hinter eine<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[79/0086]
daß die Jungens nehmen, was ſie kriegen können. Der
Menſch ſtiehlt wie’n Rabe. Und wenn er’s mit einmal
unterläßt, ſo muß das doch ’nen Grund haben.“
„Den hat es auch, Herr von Stechlin. Bloß einen
andern. Was ſollen ſie mit ’nem Krammetsvogel machen?
Für uns iſt es eine Delikateſſe, für einen armen Menſchen
iſt es gar nichts, knapp ſo viel wie’n Sperling.“
„Ach, Lorenzen, ich ſehe ſchon, Sie liegen da wieder
mit dem ‚Patrimonium der Enterbten‘ im Anſchlag;
Sperling, das klingt ganz ſo. Aber ſo viel iſt doch richtig,
daß Krippenſtapel die Jungens brillant in Ordnung hält;
wie ging das heute Schlag auf Schlag, als ich den kurz¬
geſchornen Schwarzkopp ins Examen nahm und wie
ſtramm waren die Jungens und wie manierlich, als wir
ſie nach ’ner Stunde in Globſow wiederſahen. Wie
ſie da ſo fidel ſpielten und doch voll Reſpekt in allem.
‚Frei, aber nicht frech‘, das iſt ſo mein Satz.“
Woldemar und Lorenzen, die nicht mit dabei geweſen
waren, waren neugierig, auf welchen Vorgang ſich all
dies Lob des Alten bezöge.
„Was hat denn,“ fragte Woldemar, „die Globſower
Jungens mit einemmal zu ſo guter Reputation gebracht?“
„O, es war wirklich ſcharmant,“ ſagt Czako „wir
ſteckten noch unter den Waldbäumen, als wir auch ſchon
Stimmen wie Kommandorufe hörten, und kaum daß wir
auf einen freien, von Kaſtanien umſtellten Platz hinaus¬
getreten waren (eigentlich war es wohl ſchon ein großer
Fabrikhof), ſo ſahen wir uns wie mitten in einer Bataille.“
Rex nickte zuſtimmend, während Czako fortfuhr:
„Auf unſerer Seite ſtand die bis dahin augenſcheinlich
ſiegreiche Partei, deren weiterer Angriff aber wegen der
guten gegneriſchen Deckung mit einemmale ſtoppte. Kaum
zu verwundern. Denn eben dieſe Deckung beſtand aus
wohl tauſend, ein großes Karree bildenden Glasballons,
hinter die ſich die geſchlagene Truppe wie hinter eine
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Fontane, Theodor: Der Stechlin. Berlin, 1899, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_stechlin_1899/86>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.