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Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

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der Agraffe, überreichte ihn mit einem lächelnden ,from the Highlands', und kein Auge von ihm lassend, schritt sie, ohne dem Prinzen einen Augenblick den Rücken zugekehrt zu haben, unter wiederholten Verbeugungen aus dem Saal. Der Prinz-Regent war eitel, und Kenner genug, um solchen Moment nicht leicht zu vergessen. Als er am andern Tage den Bruder sah, rief er ihn bei Seit und sagte rasch: ,Eure Schwester ist die schönste Dame, die ich all mein Lebtag gesehn; diese blaue Blume sollte wo anders blühen als in Glengarry-Castle.' Glengarry lächelte und schwieg.

Es war ein Jahr später, Ende September. Der Prinz-Regent hielt Hof in St. James; keine Lichter brannten in Holyrood, aber in Inverneß war Ball. Alljährlich, wenn die erste Jagdzeit vorüber ist und das beginnende Winterleben Londons die Cavaliere wieder nach dem Süden ruft, beschließt noch ein gemeinschaftliches Mahl, natürlich in Inverneß, die heiteren Waidmannswochen. Dem Mahle folgt ein Ball. Keine strenge Etiquette, kein banges Anstands-Bedenken steht als Thürhüter vor dem Saal; man will heiter sein, man will nicht sehen, man will nicht wissen; jede Dame hat Zutritt, sie sei - Dame oder nicht. Das ist just ein Platz für Glengarry. Der letzte beim Wein, ist er jetzt der erste beim Tanz. Er hat ein Inverneß-Mädchen im Arm und fliegt durch den Saal. ,Die Dirne ist mein', ruft Capitän Lovat und legt seine Hand auf Glengarry's Schulter. ,Euer ist nichts als Eure Thorheit', ant-

der Agraffe, überreichte ihn mit einem lächelnden ‚from the Highlands‘, und kein Auge von ihm lassend, schritt sie, ohne dem Prinzen einen Augenblick den Rücken zugekehrt zu haben, unter wiederholten Verbeugungen aus dem Saal. Der Prinz-Regent war eitel, und Kenner genug, um solchen Moment nicht leicht zu vergessen. Als er am andern Tage den Bruder sah, rief er ihn bei Seit und sagte rasch: ‚Eure Schwester ist die schönste Dame, die ich all mein Lebtag gesehn; diese blaue Blume sollte wo anders blühen als in Glengarry-Castle.‘ Glengarry lächelte und schwieg.

Es war ein Jahr später, Ende September. Der Prinz-Regent hielt Hof in St. James; keine Lichter brannten in Holyrood, aber in Inverneß war Ball. Alljährlich, wenn die erste Jagdzeit vorüber ist und das beginnende Winterleben Londons die Cavaliere wieder nach dem Süden ruft, beschließt noch ein gemeinschaftliches Mahl, natürlich in Inverneß, die heiteren Waidmannswochen. Dem Mahle folgt ein Ball. Keine strenge Etiquette, kein banges Anstands-Bedenken steht als Thürhüter vor dem Saal; man will heiter sein, man will nicht sehen, man will nicht wissen; jede Dame hat Zutritt, sie sei – Dame oder nicht. Das ist just ein Platz für Glengarry. Der letzte beim Wein, ist er jetzt der erste beim Tanz. Er hat ein Inverneß-Mädchen im Arm und fliegt durch den Saal. ‚Die Dirne ist mein‘, ruft Capitän Lovat und legt seine Hand auf Glengarry’s Schulter. ‚Euer ist nichts als Eure Thorheit‘, ant-

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[253/0267] der Agraffe, überreichte ihn mit einem lächelnden ‚from the Highlands‘, und kein Auge von ihm lassend, schritt sie, ohne dem Prinzen einen Augenblick den Rücken zugekehrt zu haben, unter wiederholten Verbeugungen aus dem Saal. Der Prinz-Regent war eitel, und Kenner genug, um solchen Moment nicht leicht zu vergessen. Als er am andern Tage den Bruder sah, rief er ihn bei Seit und sagte rasch: ‚Eure Schwester ist die schönste Dame, die ich all mein Lebtag gesehn; diese blaue Blume sollte wo anders blühen als in Glengarry-Castle.‘ Glengarry lächelte und schwieg. Es war ein Jahr später, Ende September. Der Prinz-Regent hielt Hof in St. James; keine Lichter brannten in Holyrood, aber in Inverneß war Ball. Alljährlich, wenn die erste Jagdzeit vorüber ist und das beginnende Winterleben Londons die Cavaliere wieder nach dem Süden ruft, beschließt noch ein gemeinschaftliches Mahl, natürlich in Inverneß, die heiteren Waidmannswochen. Dem Mahle folgt ein Ball. Keine strenge Etiquette, kein banges Anstands-Bedenken steht als Thürhüter vor dem Saal; man will heiter sein, man will nicht sehen, man will nicht wissen; jede Dame hat Zutritt, sie sei – Dame oder nicht. Das ist just ein Platz für Glengarry. Der letzte beim Wein, ist er jetzt der erste beim Tanz. Er hat ein Inverneß-Mädchen im Arm und fliegt durch den Saal. ‚Die Dirne ist mein‘, ruft Capitän Lovat und legt seine Hand auf Glengarry’s Schulter. ‚Euer ist nichts als Eure Thorheit‘, ant-

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/267>, abgerufen am 12.06.2024.