Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860.

Bild:
<< vorherige Seite

Kirchhofsmauer liegen auch viele der vornehmsten Lords der Westküste: die Macleans, die Mackinnons und die Macquarries, weil jedermann in Schottland und auf den Inseln (d. h. auf den Hebriden) darnach strebte, hier begraben zu werden."

So schrieb Munro 1594. Seine Angaben bilden das Fundament für alles, was die schottischen Geschichtschreiber und Archäologen seitdem über Iona und seinen Reilig Ourain veröffentlicht haben. Es liegt kein Grund vor, seinen Angaben irgendwie zu mißtrauen; nur die Frage bleibt unerledigt, aus welcher Zeit die Giebelinschriften hergerührt haben, die er damals mit eigenen Augen an den drei Grabhäusern gelesen hat. Sie können alt gewesen sein, können aber auch eben so gut von der Hand eines Abts oder Mönchs hergerührt haben, der so zu sagen Archäologie auf seine eigene Hand trieb, und sich an alte Traditionen und Chroniken anlehnend, vielleicht kaum fünfzig oder hundert Jahre vor Munro das Tumulus Regum Scotiae etc. an die Giebelfelder schrieb. Jetzt noch Licht über diese Streitfragen zu verbreiten ist mindestens schwer, wenn es nicht unmöglich ist. Die Tumuli selbst sind zerfallen und die Grabsteine liegen verwittert da, nirgends eine Inschrift oder Jahreszahl, die Auskunft geben könnte. Ein Beweis also ist nicht mehr zu führen, daß 48 schottische Könige an dieser Stelle begraben liegen; die höchste Wahrscheinlichkeit indeß spricht dafür. Man kann die Begräbnißplätze der schottischen Könige mit historischer Sicherheit bis zum Jahre

Kirchhofsmauer liegen auch viele der vornehmsten Lords der Westküste: die Macleans, die Mackinnons und die Macquarries, weil jedermann in Schottland und auf den Inseln (d. h. auf den Hebriden) darnach strebte, hier begraben zu werden.“

So schrieb Munro 1594. Seine Angaben bilden das Fundament für alles, was die schottischen Geschichtschreiber und Archäologen seitdem über Iona und seinen Reilig Ourain veröffentlicht haben. Es liegt kein Grund vor, seinen Angaben irgendwie zu mißtrauen; nur die Frage bleibt unerledigt, aus welcher Zeit die Giebelinschriften hergerührt haben, die er damals mit eigenen Augen an den drei Grabhäusern gelesen hat. Sie können alt gewesen sein, können aber auch eben so gut von der Hand eines Abts oder Mönchs hergerührt haben, der so zu sagen Archäologie auf seine eigene Hand trieb, und sich an alte Traditionen und Chroniken anlehnend, vielleicht kaum fünfzig oder hundert Jahre vor Munro das Tumulus Regum Scotiae etc. an die Giebelfelder schrieb. Jetzt noch Licht über diese Streitfragen zu verbreiten ist mindestens schwer, wenn es nicht unmöglich ist. Die Tumuli selbst sind zerfallen und die Grabsteine liegen verwittert da, nirgends eine Inschrift oder Jahreszahl, die Auskunft geben könnte. Ein Beweis also ist nicht mehr zu führen, daß 48 schottische Könige an dieser Stelle begraben liegen; die höchste Wahrscheinlichkeit indeß spricht dafür. Man kann die Begräbnißplätze der schottischen Könige mit historischer Sicherheit bis zum Jahre

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div>
          <p><pb facs="#f0311" n="297"/>
Kirchhofsmauer liegen auch viele der vornehmsten Lords der              Westküste: die Macleans, die Mackinnons und die Macquarries, weil jedermann in              Schottland und auf den Inseln (d. h. auf den Hebriden) darnach strebte, hier begraben zu              werden.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So schrieb Munro 1594. Seine Angaben bilden das Fundament für alles, was die schottischen Geschichtschreiber und Archäologen seitdem über Iona und seinen Reilig Ourain veröffentlicht haben. Es liegt kein Grund vor, seinen Angaben irgendwie zu mißtrauen; nur die Frage bleibt unerledigt, aus welcher Zeit die Giebelinschriften hergerührt haben, die er damals mit eigenen Augen an den drei Grabhäusern gelesen hat. Sie können alt gewesen sein, können aber auch eben so gut von der Hand eines Abts oder Mönchs hergerührt haben, der so zu sagen Archäologie auf seine eigene Hand trieb, und sich an alte Traditionen und Chroniken anlehnend, vielleicht kaum fünfzig oder hundert Jahre vor Munro das <hi rendition="#aq"><foreign xml:lang="lat">Tumulus Regum              Scotiae</foreign></hi> etc. an die Giebelfelder schrieb. <hi rendition="#g">Jetzt</hi> noch Licht über diese Streitfragen zu verbreiten ist mindestens schwer, wenn es nicht unmöglich ist. Die <hi rendition="#aq">Tumuli</hi> selbst sind zerfallen und die Grabsteine liegen verwittert da, nirgends eine Inschrift oder Jahreszahl, die Auskunft geben könnte. Ein <hi rendition="#g">Beweis</hi> also ist nicht mehr zu führen, daß 48 schottische Könige an dieser Stelle begraben liegen; die höchste Wahrscheinlichkeit indeß spricht dafür. Man kann die Begräbnißplätze der schottischen Könige mit historischer Sicherheit bis zum Jahre<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[297/0311] Kirchhofsmauer liegen auch viele der vornehmsten Lords der Westküste: die Macleans, die Mackinnons und die Macquarries, weil jedermann in Schottland und auf den Inseln (d. h. auf den Hebriden) darnach strebte, hier begraben zu werden.“ So schrieb Munro 1594. Seine Angaben bilden das Fundament für alles, was die schottischen Geschichtschreiber und Archäologen seitdem über Iona und seinen Reilig Ourain veröffentlicht haben. Es liegt kein Grund vor, seinen Angaben irgendwie zu mißtrauen; nur die Frage bleibt unerledigt, aus welcher Zeit die Giebelinschriften hergerührt haben, die er damals mit eigenen Augen an den drei Grabhäusern gelesen hat. Sie können alt gewesen sein, können aber auch eben so gut von der Hand eines Abts oder Mönchs hergerührt haben, der so zu sagen Archäologie auf seine eigene Hand trieb, und sich an alte Traditionen und Chroniken anlehnend, vielleicht kaum fünfzig oder hundert Jahre vor Munro das Tumulus Regum Scotiae etc. an die Giebelfelder schrieb. Jetzt noch Licht über diese Streitfragen zu verbreiten ist mindestens schwer, wenn es nicht unmöglich ist. Die Tumuli selbst sind zerfallen und die Grabsteine liegen verwittert da, nirgends eine Inschrift oder Jahreszahl, die Auskunft geben könnte. Ein Beweis also ist nicht mehr zu führen, daß 48 schottische Könige an dieser Stelle begraben liegen; die höchste Wahrscheinlichkeit indeß spricht dafür. Man kann die Begräbnißplätze der schottischen Könige mit historischer Sicherheit bis zum Jahre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen, Theodor Fontane: Große Brandenburger Ausgabe (GBA): Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin). (2018-07-25T15:22:45Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Alexandra Priesterath, Christian Thomas, Linda Martin: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-07-25T15:22:45Z)

Weitere Informationen:

Theodor Fontane: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Hrsg. von Maren Ermisch. Berlin 2017 [= Große Brandenburger Ausgabe, Das reiseliterarische Werk, Bd. 2]: Bereitstellung der Texttranskription (mit freundlicher Genehmigung des Aufbau-Verlags Berlin).

Der Text der Ausgabe wird hier ergänzt um das Kapitel „Lochleven-Castle“, das aus verlagstechnischen Gründen in der Erstausgabe fehlte (vgl. dazu die entsprechenden Informationen auf der Seite der Theodor Fontane-Arbeitsstelle der Georg-August-Universität Göttingen). Die dazugehörigen Faksimiles, 0331 bis 0333, wurden von Seiten der Österreichischen Nationalbibliothek übernommen.

Verfahren der Texterfassung: manuell (einfach erfasst).

  • Bogensignaturen: nicht übernommen;
  • Druckfehler: dokumentiert;
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;
  • Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
  • Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet;
  • i/j in Fraktur: keine Angabe;
  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert;
  • Kolumnentitel: nicht übernommen;
  • Kustoden: keine Angabe;
  • langes s (ſ): als s transkribiert;
  • Normalisierungen: keine;
  • rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;
  • Seitenumbrüche markiert: ja;
  • Silbentrennung: aufgelöst;
  • u/v bzw. U/V: keine Angabe;
  • Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
  • Vollständigkeit: vollständig erfasst;
  • Zeichensetzung: wie Vorlage;
  • Zeilenumbrüche markiert: nein.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/311
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Jenseit des Tweed. Bilder und Briefe aus Schottland. Berlin, 1860, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_tweed_1860/311>, abgerufen am 22.11.2024.