Fontane, Theodor: Schach von Wuthenow. Leipzig, 1883.Veranlassung schreibst. Ich lerne Dich plötzlich von Victoire faltete das Blatt wieder zusammen. "Es Veranlaſſung ſchreibſt. Ich lerne Dich plötzlich von Victoire faltete das Blatt wieder zuſammen. „Es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="102"/> Veranlaſſung ſchreibſt. Ich lerne Dich plötzlich von<lb/> einer Seite kennen, von der ich Dich noch nicht kannte,<lb/> von der argwöhniſchen nähmlich. Und nun, meine<lb/> teure Victoire, hab ein freundliches Ohr für das,<lb/> was ich Dir in Bezug auf dieſen wichtigen Punkt zu<lb/> ſagen habe. Bin ich doch die ältere. Du darfſt Dich<lb/> ein für allemal nicht in ein Mißtrauen gegen Perſonen<lb/> hineinleben, die durchaus den entgegengeſetzten An¬<lb/> ſpruch erheben dürfen. Und zu dieſen Perſonen, mein<lb/> ich, gehört Schach. Ich finde, je mehr ich den Fall<lb/> überlege, daß Du ganz einfach vor einer Alternative<lb/> ſtehſt, und entweder Deine gute Meinung über S.,<lb/> oder aber Dein Mißtrauen <hi rendition="#g">gegen</hi> ihn fallen laſſen<lb/> mußt. Er ſei Kavalier, ſchreibſt Du mir, „ja, das<lb/> Ritterliche,“ fügſt Du hinzu, „ſei ſo recht eigentlich<lb/> ſeine Natur,“ und im ſelben Augenblicke, wo Du dies<lb/> ſchreibſt, bezichtigt ihn Dein Argwohn einer Handels¬<lb/> weiſe, die, träfe ſie zu, das Unritterlichſte von der<lb/> Welt ſein würde. Solche Widerſprüche giebt es nicht.<lb/> Man iſt entweder ein Mann von Ehre, oder man iſt<lb/> es nicht. Im Übrigen, meine teure Victoire, ſei gutes<lb/> Mutes, und halte Dich ein für allemal verſichert, <hi rendition="#g">Dir<lb/> lügt der Spiegel</hi>. Es iſt nur <hi rendition="#g">Eines</hi>, um deſſent¬<lb/> willen wir Frauen leben, wir leben, um uns ein Herz<lb/> zu gewinnen, aber <hi rendition="#g">wodurch</hi> wir es gewinnen, iſt<lb/> gleichgiltig.“</p><lb/> <p>Victoire faltete das Blatt wieder zuſammen. „Es<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [102/0114]
Veranlaſſung ſchreibſt. Ich lerne Dich plötzlich von
einer Seite kennen, von der ich Dich noch nicht kannte,
von der argwöhniſchen nähmlich. Und nun, meine
teure Victoire, hab ein freundliches Ohr für das,
was ich Dir in Bezug auf dieſen wichtigen Punkt zu
ſagen habe. Bin ich doch die ältere. Du darfſt Dich
ein für allemal nicht in ein Mißtrauen gegen Perſonen
hineinleben, die durchaus den entgegengeſetzten An¬
ſpruch erheben dürfen. Und zu dieſen Perſonen, mein
ich, gehört Schach. Ich finde, je mehr ich den Fall
überlege, daß Du ganz einfach vor einer Alternative
ſtehſt, und entweder Deine gute Meinung über S.,
oder aber Dein Mißtrauen gegen ihn fallen laſſen
mußt. Er ſei Kavalier, ſchreibſt Du mir, „ja, das
Ritterliche,“ fügſt Du hinzu, „ſei ſo recht eigentlich
ſeine Natur,“ und im ſelben Augenblicke, wo Du dies
ſchreibſt, bezichtigt ihn Dein Argwohn einer Handels¬
weiſe, die, träfe ſie zu, das Unritterlichſte von der
Welt ſein würde. Solche Widerſprüche giebt es nicht.
Man iſt entweder ein Mann von Ehre, oder man iſt
es nicht. Im Übrigen, meine teure Victoire, ſei gutes
Mutes, und halte Dich ein für allemal verſichert, Dir
lügt der Spiegel. Es iſt nur Eines, um deſſent¬
willen wir Frauen leben, wir leben, um uns ein Herz
zu gewinnen, aber wodurch wir es gewinnen, iſt
gleichgiltig.“
Victoire faltete das Blatt wieder zuſammen. „Es
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